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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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lieben Bedrängern zu überlassen. Es regt sich der launenhafte Wunsch, dieses
Spiel zu durchkreuzen, den Rheinländern zu zeigen, daß sie ohne den Succurs
der liberale" Abgeordneten aus dem Osten ebenfalls ohnmächtig sind, und es
wird nicht leicht sein, dein Umsichgreifen der Pest ^ des Particularismus und
Egoismus zu wehren, und den launenhaften Unmuth dnrch die vernünftigen Grund¬
sätze einer weiter schauenden Politik zu besänftigen.


Die ersten Paragraphen des Gesetzentwurfs, welcher
die Aushebung der Gesetzgebung von 1830 ausspricht, sind von der zweiten
Kammer angenommen. Doch ist die Wiederherstellung der alten Einrichtungen
nnr so weit gestattet, als sie der Verfassung nicht widersprechen. Dieses Amende-
ment wurde gegen den Willen der Minister mit einer Majorität von i Stimmen
in den Gesetzentwurf aufgenommen. Seine Bedeutung würde dann, wenn das
Ministerium überhaupt die Verfassung ihrem Geiste nach zu handhaben gewohnt
wäre, so weitgreifend sei", daß es die Wiederherstellung der alten Zustände über-
haupt unmöglich macheu, d. h. daß es den ganzen Gesetzentwurf, der jetzt be¬
rathen wird, zerstören würde. Denn die alte ländliche Communalversassuug ist
verfassungswidrig, da sie die Polizeigewalt gewissen privilegirten Personen, den
Besitzern gewisser privilegirter Grundstücke überträgt, da sie ferner Erb- und
Lehnschulzen kennt ". s> f. Die Zusammensetzung der früheren Kreis- nud Land¬
tage, mit deu Virilstimmen bevorrechteter Klassen und Individuen, ist ebenfalls
mit der Verfassung unvereinbar. Ja selbst ohne alle Rücksicht aus die Zusammen¬
setzung ist die Existenz von Landtage" mit der Berechtigung, vor dem Erlasse
gewisser Gesetze "lit einem Gutachten gehört zu werde", insofern nicht verfassungs-
mäßig, als sie in die Gesetzgebung einen "enen Factor einführt, den die Ver¬
fassung nicht ke""t. Indeß pflegt sich das jetzige Ministerium an dergleichen
Bedenke" nicht zu stoße", und deshalb sind bei uns gerade die weitgreifendsten
Beschlüsse auch die ""fruchtbarste". Bemerkenswerth ist es, daß die Polen sich
der Abstimmung über dieses Amendement enthielten.

Der Kampf um die Gesetze von -1850 ist übrigens vo" der Linken mit
seltener Kraft ""d Ausdauer geführt worden. Um dem Einbruch der zersetzenden.
Principien, die vor 1806 maßgebend waren, sich entgegen zu stemmen, erhob sich
die Opposition mit außergewöhnlichen Nachdruck, und selbst milde Naturen, wie
Riedel, sprachen mit wahrem Fe"ereifer, oft mit schneidender Schärfe die bittersten
Wahrheiten aus. Viucie "ahn zweimal zu ausführlicher Rede das Wort; seine
zweite, die mit einer glänzenden Apostrophe zu Gunsten der Provinz Westphalen
schloß, hatte eine demvstheuische Kraft und gehört zu den hervorragendsten
Mister" politischer Beredsamkeit. Außer ihm hat Wentzel mit der ihm eigne"
Klarheit und Präcision des Ausdrucks die Bedeutung des vorliegenden Gesetz¬
entwurfs in seinem Verhältniß zur Verfassung sehr nachdrücklich auseinandergesetzt


lieben Bedrängern zu überlassen. Es regt sich der launenhafte Wunsch, dieses
Spiel zu durchkreuzen, den Rheinländern zu zeigen, daß sie ohne den Succurs
der liberale» Abgeordneten aus dem Osten ebenfalls ohnmächtig sind, und es
wird nicht leicht sein, dein Umsichgreifen der Pest ^ des Particularismus und
Egoismus zu wehren, und den launenhaften Unmuth dnrch die vernünftigen Grund¬
sätze einer weiter schauenden Politik zu besänftigen.


Die ersten Paragraphen des Gesetzentwurfs, welcher
die Aushebung der Gesetzgebung von 1830 ausspricht, sind von der zweiten
Kammer angenommen. Doch ist die Wiederherstellung der alten Einrichtungen
nnr so weit gestattet, als sie der Verfassung nicht widersprechen. Dieses Amende-
ment wurde gegen den Willen der Minister mit einer Majorität von i Stimmen
in den Gesetzentwurf aufgenommen. Seine Bedeutung würde dann, wenn das
Ministerium überhaupt die Verfassung ihrem Geiste nach zu handhaben gewohnt
wäre, so weitgreifend sei», daß es die Wiederherstellung der alten Zustände über-
haupt unmöglich macheu, d. h. daß es den ganzen Gesetzentwurf, der jetzt be¬
rathen wird, zerstören würde. Denn die alte ländliche Communalversassuug ist
verfassungswidrig, da sie die Polizeigewalt gewissen privilegirten Personen, den
Besitzern gewisser privilegirter Grundstücke überträgt, da sie ferner Erb- und
Lehnschulzen kennt ». s> f. Die Zusammensetzung der früheren Kreis- nud Land¬
tage, mit deu Virilstimmen bevorrechteter Klassen und Individuen, ist ebenfalls
mit der Verfassung unvereinbar. Ja selbst ohne alle Rücksicht aus die Zusammen¬
setzung ist die Existenz von Landtage» mit der Berechtigung, vor dem Erlasse
gewisser Gesetze »lit einem Gutachten gehört zu werde», insofern nicht verfassungs-
mäßig, als sie in die Gesetzgebung einen »enen Factor einführt, den die Ver¬
fassung nicht ke»»t. Indeß pflegt sich das jetzige Ministerium an dergleichen
Bedenke» nicht zu stoße», und deshalb sind bei uns gerade die weitgreifendsten
Beschlüsse auch die »»fruchtbarste». Bemerkenswerth ist es, daß die Polen sich
der Abstimmung über dieses Amendement enthielten.

Der Kampf um die Gesetze von -1850 ist übrigens vo» der Linken mit
seltener Kraft »»d Ausdauer geführt worden. Um dem Einbruch der zersetzenden.
Principien, die vor 1806 maßgebend waren, sich entgegen zu stemmen, erhob sich
die Opposition mit außergewöhnlichen Nachdruck, und selbst milde Naturen, wie
Riedel, sprachen mit wahrem Fe»ereifer, oft mit schneidender Schärfe die bittersten
Wahrheiten aus. Viucie »ahn zweimal zu ausführlicher Rede das Wort; seine
zweite, die mit einer glänzenden Apostrophe zu Gunsten der Provinz Westphalen
schloß, hatte eine demvstheuische Kraft und gehört zu den hervorragendsten
Mister» politischer Beredsamkeit. Außer ihm hat Wentzel mit der ihm eigne»
Klarheit und Präcision des Ausdrucks die Bedeutung des vorliegenden Gesetz¬
entwurfs in seinem Verhältniß zur Verfassung sehr nachdrücklich auseinandergesetzt


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[0310] lieben Bedrängern zu überlassen. Es regt sich der launenhafte Wunsch, dieses Spiel zu durchkreuzen, den Rheinländern zu zeigen, daß sie ohne den Succurs der liberale» Abgeordneten aus dem Osten ebenfalls ohnmächtig sind, und es wird nicht leicht sein, dein Umsichgreifen der Pest ^ des Particularismus und Egoismus zu wehren, und den launenhaften Unmuth dnrch die vernünftigen Grund¬ sätze einer weiter schauenden Politik zu besänftigen. Die ersten Paragraphen des Gesetzentwurfs, welcher die Aushebung der Gesetzgebung von 1830 ausspricht, sind von der zweiten Kammer angenommen. Doch ist die Wiederherstellung der alten Einrichtungen nnr so weit gestattet, als sie der Verfassung nicht widersprechen. Dieses Amende- ment wurde gegen den Willen der Minister mit einer Majorität von i Stimmen in den Gesetzentwurf aufgenommen. Seine Bedeutung würde dann, wenn das Ministerium überhaupt die Verfassung ihrem Geiste nach zu handhaben gewohnt wäre, so weitgreifend sei», daß es die Wiederherstellung der alten Zustände über- haupt unmöglich macheu, d. h. daß es den ganzen Gesetzentwurf, der jetzt be¬ rathen wird, zerstören würde. Denn die alte ländliche Communalversassuug ist verfassungswidrig, da sie die Polizeigewalt gewissen privilegirten Personen, den Besitzern gewisser privilegirter Grundstücke überträgt, da sie ferner Erb- und Lehnschulzen kennt ». s> f. Die Zusammensetzung der früheren Kreis- nud Land¬ tage, mit deu Virilstimmen bevorrechteter Klassen und Individuen, ist ebenfalls mit der Verfassung unvereinbar. Ja selbst ohne alle Rücksicht aus die Zusammen¬ setzung ist die Existenz von Landtage» mit der Berechtigung, vor dem Erlasse gewisser Gesetze »lit einem Gutachten gehört zu werde», insofern nicht verfassungs- mäßig, als sie in die Gesetzgebung einen »enen Factor einführt, den die Ver¬ fassung nicht ke»»t. Indeß pflegt sich das jetzige Ministerium an dergleichen Bedenke» nicht zu stoße», und deshalb sind bei uns gerade die weitgreifendsten Beschlüsse auch die »»fruchtbarste». Bemerkenswerth ist es, daß die Polen sich der Abstimmung über dieses Amendement enthielten. Der Kampf um die Gesetze von -1850 ist übrigens vo» der Linken mit seltener Kraft »»d Ausdauer geführt worden. Um dem Einbruch der zersetzenden. Principien, die vor 1806 maßgebend waren, sich entgegen zu stemmen, erhob sich die Opposition mit außergewöhnlichen Nachdruck, und selbst milde Naturen, wie Riedel, sprachen mit wahrem Fe»ereifer, oft mit schneidender Schärfe die bittersten Wahrheiten aus. Viucie »ahn zweimal zu ausführlicher Rede das Wort; seine zweite, die mit einer glänzenden Apostrophe zu Gunsten der Provinz Westphalen schloß, hatte eine demvstheuische Kraft und gehört zu den hervorragendsten Mister» politischer Beredsamkeit. Außer ihm hat Wentzel mit der ihm eigne» Klarheit und Präcision des Ausdrucks die Bedeutung des vorliegenden Gesetz¬ entwurfs in seinem Verhältniß zur Verfassung sehr nachdrücklich auseinandergesetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/310>, abgerufen am 04.05.2024.