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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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mithin als nicht prakticables Terrain an die Donau herantritt. Eine Annäherung
an die Wasserlinie selbst ist von Rustschuck stromabwärts nur bei Tnrtokay, Si-
listria (auf der Straße von Kallarasch), Hirsova, Matschin, Jsaktschi und Tuldscha
möglich, d. h. auf sechs Punkten. Um deswillen, d. h. weil es nur darauf an¬
kommt, jene sechs Punkte zu besetzen, kann die untere Donau, was selten bei
einem Strome der Fall ist, taktisch, also unmittelbar, im Gegensatz zu strategisch,
vertheidigt werden.

(Schluß folgt.)




Pariser Brief.

Der Kaiser und die Kaiserin gehen ins Bad, man darf also annehmen, daß
die größte Gefahr in der orientalischen Angelegenheit vorüber ist. Wenn der
Chef des Staates an seine Unterhaltung denkt, ist nichts mehr zu fürchten, und
die halbofficiellen Journale mögen also recht haben, wenn sie behaupten, daß
im Oriente alles in Nichtigkeit sei, und daß es eitel Kinderei wäre, sich über
der Frage den Kopf zu zerbrechen, ob die Russen die Donaufürstenthümer ver¬
lassen werden oder nicht. Wir wollen einem so guten Beispiele folgen und uns
vor der Hand nicht weiter um die leidige orientalische Frage bekümmern. Ueber-
lassen wir sie den vier Großmächten und ihren Konferenzen in Wien. In Paris
selbst ist heute auch uur wenig zu suchen und am wenigsten Pariser und Pariser
Leben. Was man unter diesem Namen den unzähligen Fremden auftischt, das
ist ein schlechter, fehlerhafter Nachdruck, das ist ein Scheiuparis. Jetzt bleiben
nur noch die Boutiquiers in der Hauptstadt Frankreichs und die Restaurants,
um das tvurisircude Europa oder'vielmehr dessen klingenden Tribut in Empfang
zu nehmen. Was nur ein wenig auf Anstand hält, ist auf dem Lande, am
Meere, in den Bädern oder reist in der Fremde. Wenn ich hieran noch gezweifelt
hätte, eine Lehre, die ich jüngst erhalten, würde mich vollkommen davou überzeugt
haben. Ich war in eine unserer ersten Badeanstalten gegangen, und die Zu¬
bereitung meines Bades abwartend, ließ ich mich in ein Gespräch mit der Comptoir¬
dame ein. "Sie haben wol immer viel zu thun?" frug ich. "Ach Gott nein,
jetzt nicht, da in diesem Augenblicke alles, was nur ein wenig ovinus it taut
ist, auf dem Lande weilt." Um nicht auch unter die unglückselige vns multilucle
geschleudert zu werden, die nicht einmal ein wenig eomms it tÄut ist, lächelte
ich beifällig, indem ich nachlässig hinwarf, daß ich soeben aus Dieppe zurück¬
gekommen und gesonnen sei, in einigen Tagen nach der Schweiz zu gehen. Die
gute Person hatte aber keineswegs die Absicht, mich zu demüthigen, sie nahm
mit Recht an, daß ein Pariser, der um diese Zeit noch nicht sein Reisebündel


mithin als nicht prakticables Terrain an die Donau herantritt. Eine Annäherung
an die Wasserlinie selbst ist von Rustschuck stromabwärts nur bei Tnrtokay, Si-
listria (auf der Straße von Kallarasch), Hirsova, Matschin, Jsaktschi und Tuldscha
möglich, d. h. auf sechs Punkten. Um deswillen, d. h. weil es nur darauf an¬
kommt, jene sechs Punkte zu besetzen, kann die untere Donau, was selten bei
einem Strome der Fall ist, taktisch, also unmittelbar, im Gegensatz zu strategisch,
vertheidigt werden.

(Schluß folgt.)




Pariser Brief.

Der Kaiser und die Kaiserin gehen ins Bad, man darf also annehmen, daß
die größte Gefahr in der orientalischen Angelegenheit vorüber ist. Wenn der
Chef des Staates an seine Unterhaltung denkt, ist nichts mehr zu fürchten, und
die halbofficiellen Journale mögen also recht haben, wenn sie behaupten, daß
im Oriente alles in Nichtigkeit sei, und daß es eitel Kinderei wäre, sich über
der Frage den Kopf zu zerbrechen, ob die Russen die Donaufürstenthümer ver¬
lassen werden oder nicht. Wir wollen einem so guten Beispiele folgen und uns
vor der Hand nicht weiter um die leidige orientalische Frage bekümmern. Ueber-
lassen wir sie den vier Großmächten und ihren Konferenzen in Wien. In Paris
selbst ist heute auch uur wenig zu suchen und am wenigsten Pariser und Pariser
Leben. Was man unter diesem Namen den unzähligen Fremden auftischt, das
ist ein schlechter, fehlerhafter Nachdruck, das ist ein Scheiuparis. Jetzt bleiben
nur noch die Boutiquiers in der Hauptstadt Frankreichs und die Restaurants,
um das tvurisircude Europa oder'vielmehr dessen klingenden Tribut in Empfang
zu nehmen. Was nur ein wenig auf Anstand hält, ist auf dem Lande, am
Meere, in den Bädern oder reist in der Fremde. Wenn ich hieran noch gezweifelt
hätte, eine Lehre, die ich jüngst erhalten, würde mich vollkommen davou überzeugt
haben. Ich war in eine unserer ersten Badeanstalten gegangen, und die Zu¬
bereitung meines Bades abwartend, ließ ich mich in ein Gespräch mit der Comptoir¬
dame ein. „Sie haben wol immer viel zu thun?" frug ich. „Ach Gott nein,
jetzt nicht, da in diesem Augenblicke alles, was nur ein wenig ovinus it taut
ist, auf dem Lande weilt." Um nicht auch unter die unglückselige vns multilucle
geschleudert zu werden, die nicht einmal ein wenig eomms it tÄut ist, lächelte
ich beifällig, indem ich nachlässig hinwarf, daß ich soeben aus Dieppe zurück¬
gekommen und gesonnen sei, in einigen Tagen nach der Schweiz zu gehen. Die
gute Person hatte aber keineswegs die Absicht, mich zu demüthigen, sie nahm
mit Recht an, daß ein Pariser, der um diese Zeit noch nicht sein Reisebündel


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[0384] mithin als nicht prakticables Terrain an die Donau herantritt. Eine Annäherung an die Wasserlinie selbst ist von Rustschuck stromabwärts nur bei Tnrtokay, Si- listria (auf der Straße von Kallarasch), Hirsova, Matschin, Jsaktschi und Tuldscha möglich, d. h. auf sechs Punkten. Um deswillen, d. h. weil es nur darauf an¬ kommt, jene sechs Punkte zu besetzen, kann die untere Donau, was selten bei einem Strome der Fall ist, taktisch, also unmittelbar, im Gegensatz zu strategisch, vertheidigt werden. (Schluß folgt.) Pariser Brief. Der Kaiser und die Kaiserin gehen ins Bad, man darf also annehmen, daß die größte Gefahr in der orientalischen Angelegenheit vorüber ist. Wenn der Chef des Staates an seine Unterhaltung denkt, ist nichts mehr zu fürchten, und die halbofficiellen Journale mögen also recht haben, wenn sie behaupten, daß im Oriente alles in Nichtigkeit sei, und daß es eitel Kinderei wäre, sich über der Frage den Kopf zu zerbrechen, ob die Russen die Donaufürstenthümer ver¬ lassen werden oder nicht. Wir wollen einem so guten Beispiele folgen und uns vor der Hand nicht weiter um die leidige orientalische Frage bekümmern. Ueber- lassen wir sie den vier Großmächten und ihren Konferenzen in Wien. In Paris selbst ist heute auch uur wenig zu suchen und am wenigsten Pariser und Pariser Leben. Was man unter diesem Namen den unzähligen Fremden auftischt, das ist ein schlechter, fehlerhafter Nachdruck, das ist ein Scheiuparis. Jetzt bleiben nur noch die Boutiquiers in der Hauptstadt Frankreichs und die Restaurants, um das tvurisircude Europa oder'vielmehr dessen klingenden Tribut in Empfang zu nehmen. Was nur ein wenig auf Anstand hält, ist auf dem Lande, am Meere, in den Bädern oder reist in der Fremde. Wenn ich hieran noch gezweifelt hätte, eine Lehre, die ich jüngst erhalten, würde mich vollkommen davou überzeugt haben. Ich war in eine unserer ersten Badeanstalten gegangen, und die Zu¬ bereitung meines Bades abwartend, ließ ich mich in ein Gespräch mit der Comptoir¬ dame ein. „Sie haben wol immer viel zu thun?" frug ich. „Ach Gott nein, jetzt nicht, da in diesem Augenblicke alles, was nur ein wenig ovinus it taut ist, auf dem Lande weilt." Um nicht auch unter die unglückselige vns multilucle geschleudert zu werden, die nicht einmal ein wenig eomms it tÄut ist, lächelte ich beifällig, indem ich nachlässig hinwarf, daß ich soeben aus Dieppe zurück¬ gekommen und gesonnen sei, in einigen Tagen nach der Schweiz zu gehen. Die gute Person hatte aber keineswegs die Absicht, mich zu demüthigen, sie nahm mit Recht an, daß ein Pariser, der um diese Zeit noch nicht sein Reisebündel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/384>, abgerufen am 06.05.2024.