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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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August sollte dieses geäußert haben. Er, der die Zügel der ganzen damals be¬
kannten Welt in Händen hielt, er, der selbst bekannte, daß ihm nichts zu wünschen
übrig sei: gestand zugleich, daß er dennoch fortwährend eine geheime Sehnsucht
empfinde, wonach könne er nicht sagen. "Dies sagte Cäsar Augustus, römischer
Kaiser, meine lieben Zuhörer"! -- In einer andern Predigt führte er ans, daß
man den Glauben auch durch die Werke bethätigen müsse. Zum Beispiele diente
Moses, der den ägyptischen Thron nicht mit der Verleugnung seines Glaubens
erkaufen wollte, seine ganze Geschichte wurde ausführlich erzählt. Aber nicht der
Glaube allein genügt um in das Paradies zu kommen, wenn wir nicht Gottes
heiliges Gesetz beobachte", wenn wir nicht seine Gnade erwerben. Christus legt
uns auf demüthig zu sein. Nicht blos den Geistlichen befiehlt er eS, soudern
allen, allen, groß nud klein, hoch und niedrig. Er der Mund der Wahrheit
spricht: Msi (dies siud Worte von Jesus Christus selbst, in. l. Chr.) M8i
vMciamini Siout parvoll, non inU'-MUs rsgnuw eoslorum! (Bei solchen An¬
führungen lüftete er sein Käppchen und deutete nach oben). Wer aber einer von
den Auserwählten sein will, der muß sich das Kreuz auflegen. Dies ist nicht von
einem hölzernen Kreuz zu verstehn, meine Lieben, das ist nicht nothwendig: dies
ist zu verstehe" von Bußen, Casteiungcn (in"r!.ni0a/.joa) und Mühen. Wenn
wir aber den Bergnügnngeu, deu Moden,, dem gute" Ton nachlaufen loeoori'iamo
al tuon ton an-I seoolo) wenn wir den Schmeicheleien der Sinne, des Herzens,
des Fleisches nachgeben, dann können wir uns wol bis zum Tode mit dem Wahu
schmcichel", ins Himmelreich zu gelangen; aber werden wir wirklich hineinkomme"?
Ich sage "el"! Und so schloß er auch diese Predigt, wie alle, mit der Aufforde¬
rung zu Neue und Buße.




2.

Augsburg, die alte schwäbische Hauptstadt, ist in Baiern die dritte^Stadt,
für Deutschland immer noch eine der ansehnlichsten Städte. Seine mittelalterliche
Blute ist zwar schwer in statistischen Zahlen auszudrücken, und am sichersten nur
aus der Menge und Größe seiner Kirchen zu beurtheilen, aber im ganzen ist
das gegenwärtige Augsburg, obwol es Wechselgeschäfte, Handel und Industrie
uoch immer im großen Maßstabe-betreibt, als gesunken zu betrachten. Was für
Danzig das polnische Korn, für Rotterdam die Kaffeesäcke, das siud für Augsburg
allerdings Wiener Cours und Baumwolle; und die "Allgemeine Zeitung" hat
ans ihrem Geburtsorte selbst selten mehr als über ein Concert, die Errichtung
einer neuen mechanischen Spinnerei oder die Nichtzulassung eines Juden zum


August sollte dieses geäußert haben. Er, der die Zügel der ganzen damals be¬
kannten Welt in Händen hielt, er, der selbst bekannte, daß ihm nichts zu wünschen
übrig sei: gestand zugleich, daß er dennoch fortwährend eine geheime Sehnsucht
empfinde, wonach könne er nicht sagen. „Dies sagte Cäsar Augustus, römischer
Kaiser, meine lieben Zuhörer"! — In einer andern Predigt führte er ans, daß
man den Glauben auch durch die Werke bethätigen müsse. Zum Beispiele diente
Moses, der den ägyptischen Thron nicht mit der Verleugnung seines Glaubens
erkaufen wollte, seine ganze Geschichte wurde ausführlich erzählt. Aber nicht der
Glaube allein genügt um in das Paradies zu kommen, wenn wir nicht Gottes
heiliges Gesetz beobachte», wenn wir nicht seine Gnade erwerben. Christus legt
uns auf demüthig zu sein. Nicht blos den Geistlichen befiehlt er eS, soudern
allen, allen, groß nud klein, hoch und niedrig. Er der Mund der Wahrheit
spricht: Msi (dies siud Worte von Jesus Christus selbst, in. l. Chr.) M8i
vMciamini Siout parvoll, non inU'-MUs rsgnuw eoslorum! (Bei solchen An¬
führungen lüftete er sein Käppchen und deutete nach oben). Wer aber einer von
den Auserwählten sein will, der muß sich das Kreuz auflegen. Dies ist nicht von
einem hölzernen Kreuz zu verstehn, meine Lieben, das ist nicht nothwendig: dies
ist zu verstehe» von Bußen, Casteiungcn (in»r!.ni0a/.joa) und Mühen. Wenn
wir aber den Bergnügnngeu, deu Moden,, dem gute» Ton nachlaufen loeoori'iamo
al tuon ton an-I seoolo) wenn wir den Schmeicheleien der Sinne, des Herzens,
des Fleisches nachgeben, dann können wir uns wol bis zum Tode mit dem Wahu
schmcichel», ins Himmelreich zu gelangen; aber werden wir wirklich hineinkomme»?
Ich sage «el»! Und so schloß er auch diese Predigt, wie alle, mit der Aufforde¬
rung zu Neue und Buße.




2.

Augsburg, die alte schwäbische Hauptstadt, ist in Baiern die dritte^Stadt,
für Deutschland immer noch eine der ansehnlichsten Städte. Seine mittelalterliche
Blute ist zwar schwer in statistischen Zahlen auszudrücken, und am sichersten nur
aus der Menge und Größe seiner Kirchen zu beurtheilen, aber im ganzen ist
das gegenwärtige Augsburg, obwol es Wechselgeschäfte, Handel und Industrie
uoch immer im großen Maßstabe-betreibt, als gesunken zu betrachten. Was für
Danzig das polnische Korn, für Rotterdam die Kaffeesäcke, das siud für Augsburg
allerdings Wiener Cours und Baumwolle; und die „Allgemeine Zeitung" hat
ans ihrem Geburtsorte selbst selten mehr als über ein Concert, die Errichtung
einer neuen mechanischen Spinnerei oder die Nichtzulassung eines Juden zum


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[0495] August sollte dieses geäußert haben. Er, der die Zügel der ganzen damals be¬ kannten Welt in Händen hielt, er, der selbst bekannte, daß ihm nichts zu wünschen übrig sei: gestand zugleich, daß er dennoch fortwährend eine geheime Sehnsucht empfinde, wonach könne er nicht sagen. „Dies sagte Cäsar Augustus, römischer Kaiser, meine lieben Zuhörer"! — In einer andern Predigt führte er ans, daß man den Glauben auch durch die Werke bethätigen müsse. Zum Beispiele diente Moses, der den ägyptischen Thron nicht mit der Verleugnung seines Glaubens erkaufen wollte, seine ganze Geschichte wurde ausführlich erzählt. Aber nicht der Glaube allein genügt um in das Paradies zu kommen, wenn wir nicht Gottes heiliges Gesetz beobachte», wenn wir nicht seine Gnade erwerben. Christus legt uns auf demüthig zu sein. Nicht blos den Geistlichen befiehlt er eS, soudern allen, allen, groß nud klein, hoch und niedrig. Er der Mund der Wahrheit spricht: Msi (dies siud Worte von Jesus Christus selbst, in. l. Chr.) M8i vMciamini Siout parvoll, non inU'-MUs rsgnuw eoslorum! (Bei solchen An¬ führungen lüftete er sein Käppchen und deutete nach oben). Wer aber einer von den Auserwählten sein will, der muß sich das Kreuz auflegen. Dies ist nicht von einem hölzernen Kreuz zu verstehn, meine Lieben, das ist nicht nothwendig: dies ist zu verstehe» von Bußen, Casteiungcn (in»r!.ni0a/.joa) und Mühen. Wenn wir aber den Bergnügnngeu, deu Moden,, dem gute» Ton nachlaufen loeoori'iamo al tuon ton an-I seoolo) wenn wir den Schmeicheleien der Sinne, des Herzens, des Fleisches nachgeben, dann können wir uns wol bis zum Tode mit dem Wahu schmcichel», ins Himmelreich zu gelangen; aber werden wir wirklich hineinkomme»? Ich sage «el»! Und so schloß er auch diese Predigt, wie alle, mit der Aufforde¬ rung zu Neue und Buße. 2. Augsburg, die alte schwäbische Hauptstadt, ist in Baiern die dritte^Stadt, für Deutschland immer noch eine der ansehnlichsten Städte. Seine mittelalterliche Blute ist zwar schwer in statistischen Zahlen auszudrücken, und am sichersten nur aus der Menge und Größe seiner Kirchen zu beurtheilen, aber im ganzen ist das gegenwärtige Augsburg, obwol es Wechselgeschäfte, Handel und Industrie uoch immer im großen Maßstabe-betreibt, als gesunken zu betrachten. Was für Danzig das polnische Korn, für Rotterdam die Kaffeesäcke, das siud für Augsburg allerdings Wiener Cours und Baumwolle; und die „Allgemeine Zeitung" hat ans ihrem Geburtsorte selbst selten mehr als über ein Concert, die Errichtung einer neuen mechanischen Spinnerei oder die Nichtzulassung eines Juden zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/495>, abgerufen am 04.05.2024.