Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

todte in Paris diese Nachricht, als er mit einigen Freunden bei der Mittags¬
tafel war. Er theilte ihnen die Botschaft nicht mit und zeigte eine ernste und
unruhige Miene, während er sonst herzlich und heiter war. Fürchtete er den
Einspruch Napoleons oder die Gefahren seiner künftigen Stellung? Napoleon
schien diese Gefahren vorherzusehen. Er träumte, daß auf dem Meere zwei
Barken fuhren, in der einen er selbst, in der andern Bernadotte. Anfangs
gehen sie nebeneinander , aber plötzlich entfernt sich die Barke Bernadottes und
nimmt eine andere Richtung. Napoleon bleibt allein, den Fluten Preis gegeben.
Drei Tage, bevor Bernadotte Paris null Frankreich verließ, empfing ihn
der Kaiser mit rührender Güte. "Ich hoffe, sagte er, daß Ihre neuen Inter¬
essen stets übereinstimmen werden mit ihren alten Pflichten. Ihr Herz wird
stets Frankreich angehören." Zu dem jungen Sohne Bernadottes sagte er:
"Mein Sohn, du bist nun bestimmt eine Krone zu tragen. Einst wirst du die
Last derselben fühlen. Solange du glücklich bist, wird es dir an Bewunderern
nicht fehlen. Ich wünsche, daß du niemals das Unglück kennen lernst, damit du
nicht lernst die Menschen zu verachten." Offenbar war Napoleon mit trüben
Ahnungen erfüllt. DasJahr 1812 brachte sie in Erfüllung.




Reiseerinnerungen und Bilder aus der europäischen Türkei.
i.
Risse, (Risch).

Wenn man aus Serbien auf der großen belgrader Straße bei der kleinen
und elenden Ortschaft Draschewatz herausgetreten ist und den eingeschlagenen
Weg weiter verfolgt, ist Rissa (im Türkischen Risch) die erste Stadt, aufweiche
man trifft. Sie besteht aus zwei Theilen, einem befestigten nördlichen oder
der eigentlichen Festung, einem Platze, der bei nicht bedeutendem Umfange
ungeheuer tiefe Gräben und hoch aufgemauerte Escarpen hat und einem süd¬
lichen , der nur von einem an manchen Stellen rasirten Erdwall umgeben ist
und das eigentliche Wohngebiet der nissaer Bevölkerung umschließt. Mitten
zwischen Stadt und Festung hindurch fließt die Nissawa, ein Nebenfluß der
Morawa, in einer Breite von etwa achtzig Schritt, aber so seicht, daß an
mehren Stellen kleine Knaben hindurchlaufen können und ein Reiter sie fast
allenthalben ohne die geringste Unbequemlichkeit zu passiren vermag.

Die Stadt, die noch vollkommen in der Ebene liegt und von der Festung auf
dem höher gelegenen andern Ufer dominirt wird, außerdem im Süden mit ihrer
Erdumsassung an ziemlich schroffe Berghänge anstößt, hat einen Umfang von bei-


Grenzbotcu. IV. -18os. 18

todte in Paris diese Nachricht, als er mit einigen Freunden bei der Mittags¬
tafel war. Er theilte ihnen die Botschaft nicht mit und zeigte eine ernste und
unruhige Miene, während er sonst herzlich und heiter war. Fürchtete er den
Einspruch Napoleons oder die Gefahren seiner künftigen Stellung? Napoleon
schien diese Gefahren vorherzusehen. Er träumte, daß auf dem Meere zwei
Barken fuhren, in der einen er selbst, in der andern Bernadotte. Anfangs
gehen sie nebeneinander , aber plötzlich entfernt sich die Barke Bernadottes und
nimmt eine andere Richtung. Napoleon bleibt allein, den Fluten Preis gegeben.
Drei Tage, bevor Bernadotte Paris null Frankreich verließ, empfing ihn
der Kaiser mit rührender Güte. „Ich hoffe, sagte er, daß Ihre neuen Inter¬
essen stets übereinstimmen werden mit ihren alten Pflichten. Ihr Herz wird
stets Frankreich angehören." Zu dem jungen Sohne Bernadottes sagte er:
„Mein Sohn, du bist nun bestimmt eine Krone zu tragen. Einst wirst du die
Last derselben fühlen. Solange du glücklich bist, wird es dir an Bewunderern
nicht fehlen. Ich wünsche, daß du niemals das Unglück kennen lernst, damit du
nicht lernst die Menschen zu verachten." Offenbar war Napoleon mit trüben
Ahnungen erfüllt. DasJahr 1812 brachte sie in Erfüllung.




Reiseerinnerungen und Bilder aus der europäischen Türkei.
i.
Risse, (Risch).

Wenn man aus Serbien auf der großen belgrader Straße bei der kleinen
und elenden Ortschaft Draschewatz herausgetreten ist und den eingeschlagenen
Weg weiter verfolgt, ist Rissa (im Türkischen Risch) die erste Stadt, aufweiche
man trifft. Sie besteht aus zwei Theilen, einem befestigten nördlichen oder
der eigentlichen Festung, einem Platze, der bei nicht bedeutendem Umfange
ungeheuer tiefe Gräben und hoch aufgemauerte Escarpen hat und einem süd¬
lichen , der nur von einem an manchen Stellen rasirten Erdwall umgeben ist
und das eigentliche Wohngebiet der nissaer Bevölkerung umschließt. Mitten
zwischen Stadt und Festung hindurch fließt die Nissawa, ein Nebenfluß der
Morawa, in einer Breite von etwa achtzig Schritt, aber so seicht, daß an
mehren Stellen kleine Knaben hindurchlaufen können und ein Reiter sie fast
allenthalben ohne die geringste Unbequemlichkeit zu passiren vermag.

Die Stadt, die noch vollkommen in der Ebene liegt und von der Festung auf
dem höher gelegenen andern Ufer dominirt wird, außerdem im Süden mit ihrer
Erdumsassung an ziemlich schroffe Berghänge anstößt, hat einen Umfang von bei-


Grenzbotcu. IV. -18os. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100599"/>
          <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> todte in Paris diese Nachricht, als er mit einigen Freunden bei der Mittags¬<lb/>
tafel war. Er theilte ihnen die Botschaft nicht mit und zeigte eine ernste und<lb/>
unruhige Miene, während er sonst herzlich und heiter war. Fürchtete er den<lb/>
Einspruch Napoleons oder die Gefahren seiner künftigen Stellung? Napoleon<lb/>
schien diese Gefahren vorherzusehen. Er träumte, daß auf dem Meere zwei<lb/>
Barken fuhren, in der einen er selbst, in der andern Bernadotte. Anfangs<lb/>
gehen sie nebeneinander , aber plötzlich entfernt sich die Barke Bernadottes und<lb/>
nimmt eine andere Richtung. Napoleon bleibt allein, den Fluten Preis gegeben.<lb/>
Drei Tage, bevor Bernadotte Paris null Frankreich verließ, empfing ihn<lb/>
der Kaiser mit rührender Güte. &#x201E;Ich hoffe, sagte er, daß Ihre neuen Inter¬<lb/>
essen stets übereinstimmen werden mit ihren alten Pflichten. Ihr Herz wird<lb/>
stets Frankreich angehören." Zu dem jungen Sohne Bernadottes sagte er:<lb/>
&#x201E;Mein Sohn, du bist nun bestimmt eine Krone zu tragen. Einst wirst du die<lb/>
Last derselben fühlen. Solange du glücklich bist, wird es dir an Bewunderern<lb/>
nicht fehlen. Ich wünsche, daß du niemals das Unglück kennen lernst, damit du<lb/>
nicht lernst die Menschen zu verachten." Offenbar war Napoleon mit trüben<lb/>
Ahnungen erfüllt.  DasJahr 1812 brachte sie in Erfüllung.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Reiseerinnerungen und Bilder aus der europäischen Türkei.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.</head><lb/>
            <div n="3">
              <head> Risse, (Risch).</head><lb/>
              <p xml:id="ID_419"> Wenn man aus Serbien auf der großen belgrader Straße bei der kleinen<lb/>
und elenden Ortschaft Draschewatz herausgetreten ist und den eingeschlagenen<lb/>
Weg weiter verfolgt, ist Rissa (im Türkischen Risch) die erste Stadt, aufweiche<lb/>
man trifft. Sie besteht aus zwei Theilen, einem befestigten nördlichen oder<lb/>
der eigentlichen Festung, einem Platze, der bei nicht bedeutendem Umfange<lb/>
ungeheuer tiefe Gräben und hoch aufgemauerte Escarpen hat und einem süd¬<lb/>
lichen , der nur von einem an manchen Stellen rasirten Erdwall umgeben ist<lb/>
und das eigentliche Wohngebiet der nissaer Bevölkerung umschließt. Mitten<lb/>
zwischen Stadt und Festung hindurch fließt die Nissawa, ein Nebenfluß der<lb/>
Morawa, in einer Breite von etwa achtzig Schritt, aber so seicht, daß an<lb/>
mehren Stellen kleine Knaben hindurchlaufen können und ein Reiter sie fast<lb/>
allenthalben ohne die geringste Unbequemlichkeit zu passiren vermag.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_420" next="#ID_421"> Die Stadt, die noch vollkommen in der Ebene liegt und von der Festung auf<lb/>
dem höher gelegenen andern Ufer dominirt wird, außerdem im Süden mit ihrer<lb/>
Erdumsassung an ziemlich schroffe Berghänge anstößt, hat einen Umfang von bei-</p><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotcu. IV. -18os. 18</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0145] todte in Paris diese Nachricht, als er mit einigen Freunden bei der Mittags¬ tafel war. Er theilte ihnen die Botschaft nicht mit und zeigte eine ernste und unruhige Miene, während er sonst herzlich und heiter war. Fürchtete er den Einspruch Napoleons oder die Gefahren seiner künftigen Stellung? Napoleon schien diese Gefahren vorherzusehen. Er träumte, daß auf dem Meere zwei Barken fuhren, in der einen er selbst, in der andern Bernadotte. Anfangs gehen sie nebeneinander , aber plötzlich entfernt sich die Barke Bernadottes und nimmt eine andere Richtung. Napoleon bleibt allein, den Fluten Preis gegeben. Drei Tage, bevor Bernadotte Paris null Frankreich verließ, empfing ihn der Kaiser mit rührender Güte. „Ich hoffe, sagte er, daß Ihre neuen Inter¬ essen stets übereinstimmen werden mit ihren alten Pflichten. Ihr Herz wird stets Frankreich angehören." Zu dem jungen Sohne Bernadottes sagte er: „Mein Sohn, du bist nun bestimmt eine Krone zu tragen. Einst wirst du die Last derselben fühlen. Solange du glücklich bist, wird es dir an Bewunderern nicht fehlen. Ich wünsche, daß du niemals das Unglück kennen lernst, damit du nicht lernst die Menschen zu verachten." Offenbar war Napoleon mit trüben Ahnungen erfüllt. DasJahr 1812 brachte sie in Erfüllung. Reiseerinnerungen und Bilder aus der europäischen Türkei. i. Risse, (Risch). Wenn man aus Serbien auf der großen belgrader Straße bei der kleinen und elenden Ortschaft Draschewatz herausgetreten ist und den eingeschlagenen Weg weiter verfolgt, ist Rissa (im Türkischen Risch) die erste Stadt, aufweiche man trifft. Sie besteht aus zwei Theilen, einem befestigten nördlichen oder der eigentlichen Festung, einem Platze, der bei nicht bedeutendem Umfange ungeheuer tiefe Gräben und hoch aufgemauerte Escarpen hat und einem süd¬ lichen , der nur von einem an manchen Stellen rasirten Erdwall umgeben ist und das eigentliche Wohngebiet der nissaer Bevölkerung umschließt. Mitten zwischen Stadt und Festung hindurch fließt die Nissawa, ein Nebenfluß der Morawa, in einer Breite von etwa achtzig Schritt, aber so seicht, daß an mehren Stellen kleine Knaben hindurchlaufen können und ein Reiter sie fast allenthalben ohne die geringste Unbequemlichkeit zu passiren vermag. Die Stadt, die noch vollkommen in der Ebene liegt und von der Festung auf dem höher gelegenen andern Ufer dominirt wird, außerdem im Süden mit ihrer Erdumsassung an ziemlich schroffe Berghänge anstößt, hat einen Umfang von bei- Grenzbotcu. IV. -18os. 18

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/145
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/145>, abgerufen am 28.04.2024.