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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Regierung die nachtheiligsten Gerüchte über Bernadotte: er sei Jakobiner und
Demokrat gewesen: Am 6. August ließ der König dem Reichstagsausschuß
den Antrag vorlegen, den Herzog von Augustenburg zu wählen; am 1-1. er¬
theilte der Ausschuß eine zustimmende Antwort. Die Freunde Bcrnadottes mußten
sich beeilen. An demselben Tage, wo der Ausschuß des Reichstages für den
Herzog von Augustenburg votirte, langte bei dem Grafen Engeström ein Agent
Signeuls, Namens Fournier an und erhielt Erlaubniß, in Oerebro zu wohnen,
was allen diplomatischen Agenten während des Reichstages verboten war;
Fournier überbrachte zugleich die Porträts Bcrnadottes, seiner Gemahlin
und seines Sohnes. Ein Bries Signeuls versicherte, daß die Wahl
Bcrnadottes sür Schweden zahlreiche Vortheile haben, namentlich die Zah¬
lung der öffentlichen Schuld mit Hilfe des Privatvcrmögens deS Mar¬
schalls herbeiführen werde; auch würden durch diese Mahl die Handels¬
verbindungen mit England nicht gestört werden. Mörner und Wrede ver¬
breiten den Brief, zeigen die Porträts, lassen ein Gespräch zwischen zwei
Patrioten drucken, in welchem es heißt: "die Russensreunde haben dies Mal
verloren. Der Kaiser Napoleon hat die Partie entschieden, indem er uns
einen seiner besten Marschälle gibt. Die allen Dynastien haben in Trägheit
und Wollust ihr Recht der Erstgeburt verloren und das persönliche Verdienst
nimmt seine Stelle ein." Es folgt das Lob Beruadotteö: er sei die personi-
ficirte Tapferkeit und Tugend. In wenigen Tagen machte die Candidatur
Bernadottes unerhörte Fortschritte. Graf Engeström unterstützte sie, weil er
durch sie eine Allianz mit Frankreich hoffte. Der alte König ließ sich umstimmen,
in dem Reichstage stimmten die Bauern und der militärische Adel mit Be¬
geisterung für einen Marschall Napoleons, die Bürger für einen Sohn der
französischen Revolution. Am längsten unter den Mitgliedern des Ausschusses
widerstand General Adlersparre; mit merkwürdigem Scharfblick sah er voraus,
daß die Wahl Bernadottes zur Allianz mit Frankreich nicht sühren würde. "Na¬
poleon, sagte er, wird niemals vergessen, daß der Prinz von Pontecorvo sein
Untergebener war; er wird von dem Kronprinzen von Schweden denselben Gehor¬
sam verlangen. Dieser, der bereits die schwachen Seiten des von seinem Herrn
errichteten Gebäudes erkannt hat, wird keinen Anstand nehmen, dem Willen
desselben selbst mit Gewalt sich zu widersetzen und das wird das Signal zu
einem europäischen Kriege sein. Was für eine andre Zuflucht wird uns dann
übrig bleiben, als das Bündniß mit den asiatischen Horden?" Dennoch gab
Avlersparre nach, als er einsah, daß die Wahl des Herzogs von Augustenburg
nichr mehr möglich sei. Sein Ansehen entschied den Beschluß des Reichstags-
Am 2-1. August 1810 beschloß der Reichstag durch Acclamation auf Antrag
des Königs die Wahl des Prinzen von Pontecorvo zum Kronprinzen von
Schweden und präsumtiven Thronfolger. Am 3. September empfing Berna-


Regierung die nachtheiligsten Gerüchte über Bernadotte: er sei Jakobiner und
Demokrat gewesen: Am 6. August ließ der König dem Reichstagsausschuß
den Antrag vorlegen, den Herzog von Augustenburg zu wählen; am 1-1. er¬
theilte der Ausschuß eine zustimmende Antwort. Die Freunde Bcrnadottes mußten
sich beeilen. An demselben Tage, wo der Ausschuß des Reichstages für den
Herzog von Augustenburg votirte, langte bei dem Grafen Engeström ein Agent
Signeuls, Namens Fournier an und erhielt Erlaubniß, in Oerebro zu wohnen,
was allen diplomatischen Agenten während des Reichstages verboten war;
Fournier überbrachte zugleich die Porträts Bcrnadottes, seiner Gemahlin
und seines Sohnes. Ein Bries Signeuls versicherte, daß die Wahl
Bcrnadottes sür Schweden zahlreiche Vortheile haben, namentlich die Zah¬
lung der öffentlichen Schuld mit Hilfe des Privatvcrmögens deS Mar¬
schalls herbeiführen werde; auch würden durch diese Mahl die Handels¬
verbindungen mit England nicht gestört werden. Mörner und Wrede ver¬
breiten den Brief, zeigen die Porträts, lassen ein Gespräch zwischen zwei
Patrioten drucken, in welchem es heißt: „die Russensreunde haben dies Mal
verloren. Der Kaiser Napoleon hat die Partie entschieden, indem er uns
einen seiner besten Marschälle gibt. Die allen Dynastien haben in Trägheit
und Wollust ihr Recht der Erstgeburt verloren und das persönliche Verdienst
nimmt seine Stelle ein." Es folgt das Lob Beruadotteö: er sei die personi-
ficirte Tapferkeit und Tugend. In wenigen Tagen machte die Candidatur
Bernadottes unerhörte Fortschritte. Graf Engeström unterstützte sie, weil er
durch sie eine Allianz mit Frankreich hoffte. Der alte König ließ sich umstimmen,
in dem Reichstage stimmten die Bauern und der militärische Adel mit Be¬
geisterung für einen Marschall Napoleons, die Bürger für einen Sohn der
französischen Revolution. Am längsten unter den Mitgliedern des Ausschusses
widerstand General Adlersparre; mit merkwürdigem Scharfblick sah er voraus,
daß die Wahl Bernadottes zur Allianz mit Frankreich nicht sühren würde. „Na¬
poleon, sagte er, wird niemals vergessen, daß der Prinz von Pontecorvo sein
Untergebener war; er wird von dem Kronprinzen von Schweden denselben Gehor¬
sam verlangen. Dieser, der bereits die schwachen Seiten des von seinem Herrn
errichteten Gebäudes erkannt hat, wird keinen Anstand nehmen, dem Willen
desselben selbst mit Gewalt sich zu widersetzen und das wird das Signal zu
einem europäischen Kriege sein. Was für eine andre Zuflucht wird uns dann
übrig bleiben, als das Bündniß mit den asiatischen Horden?" Dennoch gab
Avlersparre nach, als er einsah, daß die Wahl des Herzogs von Augustenburg
nichr mehr möglich sei. Sein Ansehen entschied den Beschluß des Reichstags-
Am 2-1. August 1810 beschloß der Reichstag durch Acclamation auf Antrag
des Königs die Wahl des Prinzen von Pontecorvo zum Kronprinzen von
Schweden und präsumtiven Thronfolger. Am 3. September empfing Berna-


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[0144] Regierung die nachtheiligsten Gerüchte über Bernadotte: er sei Jakobiner und Demokrat gewesen: Am 6. August ließ der König dem Reichstagsausschuß den Antrag vorlegen, den Herzog von Augustenburg zu wählen; am 1-1. er¬ theilte der Ausschuß eine zustimmende Antwort. Die Freunde Bcrnadottes mußten sich beeilen. An demselben Tage, wo der Ausschuß des Reichstages für den Herzog von Augustenburg votirte, langte bei dem Grafen Engeström ein Agent Signeuls, Namens Fournier an und erhielt Erlaubniß, in Oerebro zu wohnen, was allen diplomatischen Agenten während des Reichstages verboten war; Fournier überbrachte zugleich die Porträts Bcrnadottes, seiner Gemahlin und seines Sohnes. Ein Bries Signeuls versicherte, daß die Wahl Bcrnadottes sür Schweden zahlreiche Vortheile haben, namentlich die Zah¬ lung der öffentlichen Schuld mit Hilfe des Privatvcrmögens deS Mar¬ schalls herbeiführen werde; auch würden durch diese Mahl die Handels¬ verbindungen mit England nicht gestört werden. Mörner und Wrede ver¬ breiten den Brief, zeigen die Porträts, lassen ein Gespräch zwischen zwei Patrioten drucken, in welchem es heißt: „die Russensreunde haben dies Mal verloren. Der Kaiser Napoleon hat die Partie entschieden, indem er uns einen seiner besten Marschälle gibt. Die allen Dynastien haben in Trägheit und Wollust ihr Recht der Erstgeburt verloren und das persönliche Verdienst nimmt seine Stelle ein." Es folgt das Lob Beruadotteö: er sei die personi- ficirte Tapferkeit und Tugend. In wenigen Tagen machte die Candidatur Bernadottes unerhörte Fortschritte. Graf Engeström unterstützte sie, weil er durch sie eine Allianz mit Frankreich hoffte. Der alte König ließ sich umstimmen, in dem Reichstage stimmten die Bauern und der militärische Adel mit Be¬ geisterung für einen Marschall Napoleons, die Bürger für einen Sohn der französischen Revolution. Am längsten unter den Mitgliedern des Ausschusses widerstand General Adlersparre; mit merkwürdigem Scharfblick sah er voraus, daß die Wahl Bernadottes zur Allianz mit Frankreich nicht sühren würde. „Na¬ poleon, sagte er, wird niemals vergessen, daß der Prinz von Pontecorvo sein Untergebener war; er wird von dem Kronprinzen von Schweden denselben Gehor¬ sam verlangen. Dieser, der bereits die schwachen Seiten des von seinem Herrn errichteten Gebäudes erkannt hat, wird keinen Anstand nehmen, dem Willen desselben selbst mit Gewalt sich zu widersetzen und das wird das Signal zu einem europäischen Kriege sein. Was für eine andre Zuflucht wird uns dann übrig bleiben, als das Bündniß mit den asiatischen Horden?" Dennoch gab Avlersparre nach, als er einsah, daß die Wahl des Herzogs von Augustenburg nichr mehr möglich sei. Sein Ansehen entschied den Beschluß des Reichstags- Am 2-1. August 1810 beschloß der Reichstag durch Acclamation auf Antrag des Königs die Wahl des Prinzen von Pontecorvo zum Kronprinzen von Schweden und präsumtiven Thronfolger. Am 3. September empfing Berna-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/144>, abgerufen am 13.05.2024.