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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Wunsch erregen konnten, sich vor dem Publicum zu rechtfertigen. Allein, wir
wiederholen, es wäre besser für ihren Ruf gewesen, wenn sie diesen Wunsch
unterdrückt hätte. Es gibt namentlich in dem Leben einer Frau viele Fälle,
wo die schlimmste Verleumdung nicht so übel wirkt, als eine Rechtfertigung,
die gegen das Schamgefühl verstößt.




Schlesimg-Holsteinische Briefe.
Sechster Brief..

Die Gelegenheit, Ihnen auf dem Privatwege meine Briefe zukommen
zu lassen, entschlüpft mir nnn schon zum dritten Male unter den Händen,
und ich sehe wohl, ich werde Sie nicht eher in Besitz derselben setzen können,
als bis ich im Stande bin, sie einmal selbst über die Grenze zu bringen.
Es sind dann im Grunde ausgeführte Tagebuchsblättcr, die ich Ihnen sende.
Da jedoch der Name nichts zur Sache thut, so mögen sie den Titel von Briefen
fortführen.

Es war am vorigen Freitage, als wir die Trauerstätte von Jdstedt be¬
suchten. Wir hatten uns als Freunde der Gründlichkeit mit der besten Karte
des Schlachtfeldes, einem guten Fernrohr und zwei von sachverständigen Augen¬
zeugen verfaßten Darstellungen der Schlacht , versehen, und zum Ueberflusse
fuhr uns ein Kutscher, der mit der Brigade v. d. Horst an dem berühmten
Angriffe auf Stoll theilgenommen hatte.

, Wir mußten uns auf eine Besichtigung der Hauptpunkte des Schlacht¬
feldes beschränken. Die von dem Heere Schleswig-Holsteins vertheidigte Stel¬
lung war die günstigste, die man wählen konnte, nachdem Willisen in bekannter
unbegreiflicher Verblendung lediglich aus politischen (in der That aber sehr
unpolitischen) Motiven die noch weit vortheilhaftere Position bei Bau zu be¬
setzen unterlassen hatte. Wenn man die Karte Schleswigs vor sich ausbreitet,
so begegnet man in der Mitte von Süden nach Norden hinausgehend einer
Linie, welche durch den Trecnefluß gebildet wird. Dieser ist seiner ganzen
Länge nach von sumpfgen Stellen umgeben, die mir an einzelnen Punkten
den Uebergang gestatten. Eine Meile nördlich von der Stadt Schleswig läuft
die flensburger Chaussee in der Nähe zweier Seen vorbei, des kleinern id-
stedter Sees und des südöstlich von diesem sich hinziehenden schmalen Lang¬
sees, der von jenem nur durch ein Stück Land von etwa tausend Schritt
Breite getrennt ist. Westlich vom ibstedter See liegt das kleine, aus zer-


Wunsch erregen konnten, sich vor dem Publicum zu rechtfertigen. Allein, wir
wiederholen, es wäre besser für ihren Ruf gewesen, wenn sie diesen Wunsch
unterdrückt hätte. Es gibt namentlich in dem Leben einer Frau viele Fälle,
wo die schlimmste Verleumdung nicht so übel wirkt, als eine Rechtfertigung,
die gegen das Schamgefühl verstößt.




Schlesimg-Holsteinische Briefe.
Sechster Brief..

Die Gelegenheit, Ihnen auf dem Privatwege meine Briefe zukommen
zu lassen, entschlüpft mir nnn schon zum dritten Male unter den Händen,
und ich sehe wohl, ich werde Sie nicht eher in Besitz derselben setzen können,
als bis ich im Stande bin, sie einmal selbst über die Grenze zu bringen.
Es sind dann im Grunde ausgeführte Tagebuchsblättcr, die ich Ihnen sende.
Da jedoch der Name nichts zur Sache thut, so mögen sie den Titel von Briefen
fortführen.

Es war am vorigen Freitage, als wir die Trauerstätte von Jdstedt be¬
suchten. Wir hatten uns als Freunde der Gründlichkeit mit der besten Karte
des Schlachtfeldes, einem guten Fernrohr und zwei von sachverständigen Augen¬
zeugen verfaßten Darstellungen der Schlacht , versehen, und zum Ueberflusse
fuhr uns ein Kutscher, der mit der Brigade v. d. Horst an dem berühmten
Angriffe auf Stoll theilgenommen hatte.

, Wir mußten uns auf eine Besichtigung der Hauptpunkte des Schlacht¬
feldes beschränken. Die von dem Heere Schleswig-Holsteins vertheidigte Stel¬
lung war die günstigste, die man wählen konnte, nachdem Willisen in bekannter
unbegreiflicher Verblendung lediglich aus politischen (in der That aber sehr
unpolitischen) Motiven die noch weit vortheilhaftere Position bei Bau zu be¬
setzen unterlassen hatte. Wenn man die Karte Schleswigs vor sich ausbreitet,
so begegnet man in der Mitte von Süden nach Norden hinausgehend einer
Linie, welche durch den Trecnefluß gebildet wird. Dieser ist seiner ganzen
Länge nach von sumpfgen Stellen umgeben, die mir an einzelnen Punkten
den Uebergang gestatten. Eine Meile nördlich von der Stadt Schleswig läuft
die flensburger Chaussee in der Nähe zweier Seen vorbei, des kleinern id-
stedter Sees und des südöstlich von diesem sich hinziehenden schmalen Lang¬
sees, der von jenem nur durch ein Stück Land von etwa tausend Schritt
Breite getrennt ist. Westlich vom ibstedter See liegt das kleine, aus zer-


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[0498] Wunsch erregen konnten, sich vor dem Publicum zu rechtfertigen. Allein, wir wiederholen, es wäre besser für ihren Ruf gewesen, wenn sie diesen Wunsch unterdrückt hätte. Es gibt namentlich in dem Leben einer Frau viele Fälle, wo die schlimmste Verleumdung nicht so übel wirkt, als eine Rechtfertigung, die gegen das Schamgefühl verstößt. Schlesimg-Holsteinische Briefe. Sechster Brief.. Die Gelegenheit, Ihnen auf dem Privatwege meine Briefe zukommen zu lassen, entschlüpft mir nnn schon zum dritten Male unter den Händen, und ich sehe wohl, ich werde Sie nicht eher in Besitz derselben setzen können, als bis ich im Stande bin, sie einmal selbst über die Grenze zu bringen. Es sind dann im Grunde ausgeführte Tagebuchsblättcr, die ich Ihnen sende. Da jedoch der Name nichts zur Sache thut, so mögen sie den Titel von Briefen fortführen. Es war am vorigen Freitage, als wir die Trauerstätte von Jdstedt be¬ suchten. Wir hatten uns als Freunde der Gründlichkeit mit der besten Karte des Schlachtfeldes, einem guten Fernrohr und zwei von sachverständigen Augen¬ zeugen verfaßten Darstellungen der Schlacht , versehen, und zum Ueberflusse fuhr uns ein Kutscher, der mit der Brigade v. d. Horst an dem berühmten Angriffe auf Stoll theilgenommen hatte. , Wir mußten uns auf eine Besichtigung der Hauptpunkte des Schlacht¬ feldes beschränken. Die von dem Heere Schleswig-Holsteins vertheidigte Stel¬ lung war die günstigste, die man wählen konnte, nachdem Willisen in bekannter unbegreiflicher Verblendung lediglich aus politischen (in der That aber sehr unpolitischen) Motiven die noch weit vortheilhaftere Position bei Bau zu be¬ setzen unterlassen hatte. Wenn man die Karte Schleswigs vor sich ausbreitet, so begegnet man in der Mitte von Süden nach Norden hinausgehend einer Linie, welche durch den Trecnefluß gebildet wird. Dieser ist seiner ganzen Länge nach von sumpfgen Stellen umgeben, die mir an einzelnen Punkten den Uebergang gestatten. Eine Meile nördlich von der Stadt Schleswig läuft die flensburger Chaussee in der Nähe zweier Seen vorbei, des kleinern id- stedter Sees und des südöstlich von diesem sich hinziehenden schmalen Lang¬ sees, der von jenem nur durch ein Stück Land von etwa tausend Schritt Breite getrennt ist. Westlich vom ibstedter See liegt das kleine, aus zer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/498>, abgerufen am 27.04.2024.