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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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die antirUssische Allianz hineinzuziehen, so kann von da ab nicht nur der Drei¬
bund als für alle Zeiten begraben erachtet werden, sondern der Krieg wird
alsdann auch einen Charakter annehmen, welcher der politischen Oberfläche
Europas eine durchaus veränderte Gestaltung geben dürfte.

Aber dieses Gelingen ist äußerst zweifelhaft, und es wird dies mehr und
mehr, jeweiliger Erfolge die englisch-französischen Waffen in der Krim er¬
ringen. Sollte es dennoch geschehen, daß Preußen und Oestreich sich an die
Westmächte anschließen, so könnte es unter Bedingungen stattfinden, welche der
einen deutschen Großmacht ebensoviel am Pontus wie der anderen am balti¬
schen Meere, und zwar sehr Bedeutendes, gewähren würden. Damit sind die
Zielpunkte bezeichnet, welche in diesem Kriege für uns in Aussicht stehen.

Anm. Die weitere Auseinandersetzung der Vortheile, die Deutschland bei
der Modification des europäischen Gleichgewichts in Aussicht stehn, folgt in
den nächsten Heften.




Elmespondenzen.
Aus Konstantinopel,

-- Die Nachrichten aus Frank¬
reich und England, wie alles, was hier vorgeht, stimmen darin überein, daß wir
uns zur Zeit zwar in einer der großen. Kricgspausen befinden, wie sie jeder Feld-
zug aufzuweisen pflegt, -- auch den von 1805, in welchem am meisten die Zeit
ausgenützt wurde, nicht ausgenommen -- daß aber diese Pause sich mit Vorberei¬
tungen zu einem großen Entscheidungsschlage ausfüllt, der die Dinge auf der
Krim zu Ende führen soll.

Als der Plan zur Unternehmung gegen die Krim auftauchte, wurde gleich
anfangs in französischen Militarzirkcln, auch hier in Konstantinopel, von zwei aus-
einandcrlaufenden Projecten geredet, von denen das eine in dem Marschall Se.
Arnaud, das andere in dem Kriegsminister, Marschall Vaillant/ seinen Vertreter
haben sollte. Se. Arnaud, hieß es, betrachtet das ganze Unternehmen nur als
einen Handstreich. Man wird im Norden von Sebastopol sich ausschiffen, um die
Bai hernmmarschiren und sofort von Süden her auf gewaltsamen Wege (im Unter¬
schiede vom langsamen, förmlichen Angriff mit Sappen) sich der Stadt und Arsenale
bemächtigen/ die Flotte wegführen oder verbrennen, die Docks sprengen und die
Forts schleifen. Alles wird in zwei oder drei Wochen abgethan sein und die Armee
wird sich einschiffen, um sofort einen andern Schlag gegen einen exponirten feind¬
lichen Küstenpunkt, gegen Odessa oder Akerman zu führen.

Die hiesigen Freunde des Marschalls Se. Arnaud, und er hat unter seinen
Landsleuten nach seinem Tode viele gewonnen, setzen hinzu, daß dies Verfahren-
das offenbar beste gewesen sei und daß die" Schuld auf Ccmroverts und Raglans
Haupt fa'lie, wenn es vereitelt worden.

General Canrobert, so heißt es hier allgemein, ist ein vortrefflicher Divisions-


Grenzboten. I. 48öL. 5

die antirUssische Allianz hineinzuziehen, so kann von da ab nicht nur der Drei¬
bund als für alle Zeiten begraben erachtet werden, sondern der Krieg wird
alsdann auch einen Charakter annehmen, welcher der politischen Oberfläche
Europas eine durchaus veränderte Gestaltung geben dürfte.

Aber dieses Gelingen ist äußerst zweifelhaft, und es wird dies mehr und
mehr, jeweiliger Erfolge die englisch-französischen Waffen in der Krim er¬
ringen. Sollte es dennoch geschehen, daß Preußen und Oestreich sich an die
Westmächte anschließen, so könnte es unter Bedingungen stattfinden, welche der
einen deutschen Großmacht ebensoviel am Pontus wie der anderen am balti¬
schen Meere, und zwar sehr Bedeutendes, gewähren würden. Damit sind die
Zielpunkte bezeichnet, welche in diesem Kriege für uns in Aussicht stehen.

Anm. Die weitere Auseinandersetzung der Vortheile, die Deutschland bei
der Modification des europäischen Gleichgewichts in Aussicht stehn, folgt in
den nächsten Heften.




Elmespondenzen.
Aus Konstantinopel,

— Die Nachrichten aus Frank¬
reich und England, wie alles, was hier vorgeht, stimmen darin überein, daß wir
uns zur Zeit zwar in einer der großen. Kricgspausen befinden, wie sie jeder Feld-
zug aufzuweisen pflegt, — auch den von 1805, in welchem am meisten die Zeit
ausgenützt wurde, nicht ausgenommen — daß aber diese Pause sich mit Vorberei¬
tungen zu einem großen Entscheidungsschlage ausfüllt, der die Dinge auf der
Krim zu Ende führen soll.

Als der Plan zur Unternehmung gegen die Krim auftauchte, wurde gleich
anfangs in französischen Militarzirkcln, auch hier in Konstantinopel, von zwei aus-
einandcrlaufenden Projecten geredet, von denen das eine in dem Marschall Se.
Arnaud, das andere in dem Kriegsminister, Marschall Vaillant/ seinen Vertreter
haben sollte. Se. Arnaud, hieß es, betrachtet das ganze Unternehmen nur als
einen Handstreich. Man wird im Norden von Sebastopol sich ausschiffen, um die
Bai hernmmarschiren und sofort von Süden her auf gewaltsamen Wege (im Unter¬
schiede vom langsamen, förmlichen Angriff mit Sappen) sich der Stadt und Arsenale
bemächtigen/ die Flotte wegführen oder verbrennen, die Docks sprengen und die
Forts schleifen. Alles wird in zwei oder drei Wochen abgethan sein und die Armee
wird sich einschiffen, um sofort einen andern Schlag gegen einen exponirten feind¬
lichen Küstenpunkt, gegen Odessa oder Akerman zu führen.

Die hiesigen Freunde des Marschalls Se. Arnaud, und er hat unter seinen
Landsleuten nach seinem Tode viele gewonnen, setzen hinzu, daß dies Verfahren-
das offenbar beste gewesen sei und daß die» Schuld auf Ccmroverts und Raglans
Haupt fa'lie, wenn es vereitelt worden.

General Canrobert, so heißt es hier allgemein, ist ein vortrefflicher Divisions-


Grenzboten. I. 48öL. 5
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/41>, abgerufen am 05.05.2024.