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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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zu einer neuen Bewegung der Geister und ergriff auch Staat und Regierung.
Erst seitdem fing man in Oestreich an zu begreifen, daß wahrhaft erhalten
nur da werde, wo fortwährend geschaffen wird (Is, eonservalion par 1e
prvArss.)




Vom modernen Festungsbau und BelagerunM'leg.
(Eine Abhandlung für NichtMilitärs.)
, 2-

Es kann nicht meine Absicht sein, hier in eine Erörterung der einzelnen
Manieren einzugehen, nach denen verschiedene ausgezeichnete Ingenieure, auf
Grundlage des Bastionärsystems, Befestigungen ausgeführt haben. Nur das
eine sei hier bemerkt, daß die Länge der Linien auf die Tragweite des kleinen
Gewehrs berechnet wurde, mithin die Flanken, von den Endpunkten der Facen,
welche sie zu bestreichen bestimmt sind, nicht über diese Tragweite hinaus ent¬
fernt liegen durften, was für die. ganze Fronte oder für den Raum zwischen
je zwei Bastionsspitzen eine Ausdehnungsweite von 30V Schrill im Mari-
mum ergibt.

Demnach ist man im Stande, mit sechs bastionirten Fronten (falls man
die Bastionen selbst mit einrechnet) einen Kreisraum von gegen 1000 Schritt
Durchmesser zu umfassen. Eine Festung dieser Größe oder ein reguläres
bastionirtes Sechseck, bietet also für den inneren Anbau, für Häuser, Straßen
und Plätze ein kreisförmiges Areal von etwa siebenhundert Schritt Durchmesser
dar, sie hat sechs Bastionen, sechs Courtinen, ebensoviele Naveline und doppelt
soviele Flanken, endlich einen gedeckten Weg von etwa viertausend Schritt
Umfang.

Falls dieser Platz in der offenen, stromlosen Ebene errichtet wird, mag
eine jede seiner Fronten dieselbe Stärke, wie die übrigen besitzen. Dieses
ändert sich nur dann, wenn Verhältnisse des Terrains und der Oertlichkeit
auf die VertheidigungSfähigkeit Einfluß üben, und damit das ursprüngliche
Gleichgewicht aufheben, Umstände, unter welchen die Ingenieure, und zwar
mit Recht, es stets für eine ihrer Hauptaufgaben erkannten: die schwächeren
oder bedrohteren Fronten durch einen Zusatz von fortificatorischen Arbeiten zu
verstärken. Einer Festung von angenommen sechs Fronten würde es nämlich
nicht zu Gute kommen, wenn (von diesen sechs) fünf außerordentlich stark, da¬
gegen die sechste schwach wäre, weil selbstredend der Angriff, falls er rationell
zu Werke ginge, sich auf diese werfen, und hier durchbrechend, die übrigen in


zu einer neuen Bewegung der Geister und ergriff auch Staat und Regierung.
Erst seitdem fing man in Oestreich an zu begreifen, daß wahrhaft erhalten
nur da werde, wo fortwährend geschaffen wird (Is, eonservalion par 1e
prvArss.)




Vom modernen Festungsbau und BelagerunM'leg.
(Eine Abhandlung für NichtMilitärs.)
, 2-

Es kann nicht meine Absicht sein, hier in eine Erörterung der einzelnen
Manieren einzugehen, nach denen verschiedene ausgezeichnete Ingenieure, auf
Grundlage des Bastionärsystems, Befestigungen ausgeführt haben. Nur das
eine sei hier bemerkt, daß die Länge der Linien auf die Tragweite des kleinen
Gewehrs berechnet wurde, mithin die Flanken, von den Endpunkten der Facen,
welche sie zu bestreichen bestimmt sind, nicht über diese Tragweite hinaus ent¬
fernt liegen durften, was für die. ganze Fronte oder für den Raum zwischen
je zwei Bastionsspitzen eine Ausdehnungsweite von 30V Schrill im Mari-
mum ergibt.

Demnach ist man im Stande, mit sechs bastionirten Fronten (falls man
die Bastionen selbst mit einrechnet) einen Kreisraum von gegen 1000 Schritt
Durchmesser zu umfassen. Eine Festung dieser Größe oder ein reguläres
bastionirtes Sechseck, bietet also für den inneren Anbau, für Häuser, Straßen
und Plätze ein kreisförmiges Areal von etwa siebenhundert Schritt Durchmesser
dar, sie hat sechs Bastionen, sechs Courtinen, ebensoviele Naveline und doppelt
soviele Flanken, endlich einen gedeckten Weg von etwa viertausend Schritt
Umfang.

Falls dieser Platz in der offenen, stromlosen Ebene errichtet wird, mag
eine jede seiner Fronten dieselbe Stärke, wie die übrigen besitzen. Dieses
ändert sich nur dann, wenn Verhältnisse des Terrains und der Oertlichkeit
auf die VertheidigungSfähigkeit Einfluß üben, und damit das ursprüngliche
Gleichgewicht aufheben, Umstände, unter welchen die Ingenieure, und zwar
mit Recht, es stets für eine ihrer Hauptaufgaben erkannten: die schwächeren
oder bedrohteren Fronten durch einen Zusatz von fortificatorischen Arbeiten zu
verstärken. Einer Festung von angenommen sechs Fronten würde es nämlich
nicht zu Gute kommen, wenn (von diesen sechs) fünf außerordentlich stark, da¬
gegen die sechste schwach wäre, weil selbstredend der Angriff, falls er rationell
zu Werke ginge, sich auf diese werfen, und hier durchbrechend, die übrigen in


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[0110] zu einer neuen Bewegung der Geister und ergriff auch Staat und Regierung. Erst seitdem fing man in Oestreich an zu begreifen, daß wahrhaft erhalten nur da werde, wo fortwährend geschaffen wird (Is, eonservalion par 1e prvArss.) Vom modernen Festungsbau und BelagerunM'leg. (Eine Abhandlung für NichtMilitärs.) , 2- Es kann nicht meine Absicht sein, hier in eine Erörterung der einzelnen Manieren einzugehen, nach denen verschiedene ausgezeichnete Ingenieure, auf Grundlage des Bastionärsystems, Befestigungen ausgeführt haben. Nur das eine sei hier bemerkt, daß die Länge der Linien auf die Tragweite des kleinen Gewehrs berechnet wurde, mithin die Flanken, von den Endpunkten der Facen, welche sie zu bestreichen bestimmt sind, nicht über diese Tragweite hinaus ent¬ fernt liegen durften, was für die. ganze Fronte oder für den Raum zwischen je zwei Bastionsspitzen eine Ausdehnungsweite von 30V Schrill im Mari- mum ergibt. Demnach ist man im Stande, mit sechs bastionirten Fronten (falls man die Bastionen selbst mit einrechnet) einen Kreisraum von gegen 1000 Schritt Durchmesser zu umfassen. Eine Festung dieser Größe oder ein reguläres bastionirtes Sechseck, bietet also für den inneren Anbau, für Häuser, Straßen und Plätze ein kreisförmiges Areal von etwa siebenhundert Schritt Durchmesser dar, sie hat sechs Bastionen, sechs Courtinen, ebensoviele Naveline und doppelt soviele Flanken, endlich einen gedeckten Weg von etwa viertausend Schritt Umfang. Falls dieser Platz in der offenen, stromlosen Ebene errichtet wird, mag eine jede seiner Fronten dieselbe Stärke, wie die übrigen besitzen. Dieses ändert sich nur dann, wenn Verhältnisse des Terrains und der Oertlichkeit auf die VertheidigungSfähigkeit Einfluß üben, und damit das ursprüngliche Gleichgewicht aufheben, Umstände, unter welchen die Ingenieure, und zwar mit Recht, es stets für eine ihrer Hauptaufgaben erkannten: die schwächeren oder bedrohteren Fronten durch einen Zusatz von fortificatorischen Arbeiten zu verstärken. Einer Festung von angenommen sechs Fronten würde es nämlich nicht zu Gute kommen, wenn (von diesen sechs) fünf außerordentlich stark, da¬ gegen die sechste schwach wäre, weil selbstredend der Angriff, falls er rationell zu Werke ginge, sich auf diese werfen, und hier durchbrechend, die übrigen in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/110>, abgerufen am 01.05.2024.