Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Uebersetzung richtig ist, so weit man nur den Begriff im Auge behalt, so
mischt sich dabei doch eine fremdartige Porstellung ein, die wir unsern
modernen Anschauungen entnehmen. Man kann z. B. die herrschende Classe
in Sparta dem Begriff nach ganz wol als einen Adel bezeichnen, allein dann
muß man sich unsere Vorstellung völlig aus dem Sinn schlagen. Wir
können uns einen Adel schlechthin nicht vorstellen ohne stehende Familien¬
namen, und diese kamen in Griechenland nur ausnahmsweise, eigentlich nur
bei den dynastischen Geschlechtern vor. Im Ganzen bewährt sich die Methode
so vortrefflich, daß wir sie nicht wegwünschen, aber vielleicht wird der Versasser
bei einer neuen Ausgabe sich bestimmen lassen, in der Anwendung behutsamer
zu sein, und dem Leser neben der Verwandtschaft zwischen den alten und
modernen Institutionen auch den Contrast gegenwärtig zu halten.

Was dem Buch seine eigenthümliche Bedeutung gibt, ist das konsequent
durchgeführte politische Princip. Es wird nicht blos behauptet, sondern mit
völliger Evidenz erwiesen, daß die Gegensätze zwischen der Aristokratie und
Demokratie, die Beziehungen des Despotismus zum Pöbelregiment und der
Untergang der Staaten durch die Herrschaft eines einseitigen Princips in allen
Perioden der Geschichte einem einheitlichen Gesetz folgen, daß die Natur der
Menschen sich nicht verändert und daß gleiche Ursachen stets gleiche Wir¬
kungen erzeugen. Das Buch enthält also nicht blos eine historische Belehrung,
sondern ein reiches politisches Bildungsmaterial.

Möge es dem Verfasser vergönnt sein, auch in der neuen Heimath für
die sittliche und politische Erhebung des Volks und für die wissenschaftliche
Aufklärung mit demselben Segen zu wirken, der ihm in seiner bisherigen
I. S. Laufbahn in so reichem Maß zu Theil geworden ist.




Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Band II, fünfte
Lieferung. Leipzig, S. Hirzel. 1837.

Die neue Lieferung des großen Nationalwerkes enthält von Der bis
Doch eine nicht gewöhnliche Zahl von Stämmen und merkwürdigen Wörtern.
Nur einige Stammwörter seien angeführt: Dest, Deuchel, Deutsch, Dicht,
Dichter, Dick, Dieb, Diech, Diele, Dienen, Dienst, Dienstag, Dieser, Dict,
Dietrich, Dise, Digen, Dille, Dimper, Ding, Dinte, Dirle, Dirne,
Distel, Döbel. Schon aus den Angeführten wird man merken, wie viele
deutsche Wörter dem Einzelnen, auch bei guter Bildung und erträglichen
Sprachkcnntnissen fremd sind. Und es ist auch von diesem Gesichtspunkt be-


die Uebersetzung richtig ist, so weit man nur den Begriff im Auge behalt, so
mischt sich dabei doch eine fremdartige Porstellung ein, die wir unsern
modernen Anschauungen entnehmen. Man kann z. B. die herrschende Classe
in Sparta dem Begriff nach ganz wol als einen Adel bezeichnen, allein dann
muß man sich unsere Vorstellung völlig aus dem Sinn schlagen. Wir
können uns einen Adel schlechthin nicht vorstellen ohne stehende Familien¬
namen, und diese kamen in Griechenland nur ausnahmsweise, eigentlich nur
bei den dynastischen Geschlechtern vor. Im Ganzen bewährt sich die Methode
so vortrefflich, daß wir sie nicht wegwünschen, aber vielleicht wird der Versasser
bei einer neuen Ausgabe sich bestimmen lassen, in der Anwendung behutsamer
zu sein, und dem Leser neben der Verwandtschaft zwischen den alten und
modernen Institutionen auch den Contrast gegenwärtig zu halten.

Was dem Buch seine eigenthümliche Bedeutung gibt, ist das konsequent
durchgeführte politische Princip. Es wird nicht blos behauptet, sondern mit
völliger Evidenz erwiesen, daß die Gegensätze zwischen der Aristokratie und
Demokratie, die Beziehungen des Despotismus zum Pöbelregiment und der
Untergang der Staaten durch die Herrschaft eines einseitigen Princips in allen
Perioden der Geschichte einem einheitlichen Gesetz folgen, daß die Natur der
Menschen sich nicht verändert und daß gleiche Ursachen stets gleiche Wir¬
kungen erzeugen. Das Buch enthält also nicht blos eine historische Belehrung,
sondern ein reiches politisches Bildungsmaterial.

Möge es dem Verfasser vergönnt sein, auch in der neuen Heimath für
die sittliche und politische Erhebung des Volks und für die wissenschaftliche
Aufklärung mit demselben Segen zu wirken, der ihm in seiner bisherigen
I. S. Laufbahn in so reichem Maß zu Theil geworden ist.




Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Band II, fünfte
Lieferung. Leipzig, S. Hirzel. 1837.

Die neue Lieferung des großen Nationalwerkes enthält von Der bis
Doch eine nicht gewöhnliche Zahl von Stämmen und merkwürdigen Wörtern.
Nur einige Stammwörter seien angeführt: Dest, Deuchel, Deutsch, Dicht,
Dichter, Dick, Dieb, Diech, Diele, Dienen, Dienst, Dienstag, Dieser, Dict,
Dietrich, Dise, Digen, Dille, Dimper, Ding, Dinte, Dirle, Dirne,
Distel, Döbel. Schon aus den Angeführten wird man merken, wie viele
deutsche Wörter dem Einzelnen, auch bei guter Bildung und erträglichen
Sprachkcnntnissen fremd sind. Und es ist auch von diesem Gesichtspunkt be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104981"/>
          <p xml:id="ID_713" prev="#ID_712"> die Uebersetzung richtig ist, so weit man nur den Begriff im Auge behalt, so<lb/>
mischt sich dabei doch eine fremdartige Porstellung ein, die wir unsern<lb/>
modernen Anschauungen entnehmen. Man kann z. B. die herrschende Classe<lb/>
in Sparta dem Begriff nach ganz wol als einen Adel bezeichnen, allein dann<lb/>
muß man sich unsere Vorstellung völlig aus dem Sinn schlagen. Wir<lb/>
können uns einen Adel schlechthin nicht vorstellen ohne stehende Familien¬<lb/>
namen, und diese kamen in Griechenland nur ausnahmsweise, eigentlich nur<lb/>
bei den dynastischen Geschlechtern vor. Im Ganzen bewährt sich die Methode<lb/>
so vortrefflich, daß wir sie nicht wegwünschen, aber vielleicht wird der Versasser<lb/>
bei einer neuen Ausgabe sich bestimmen lassen, in der Anwendung behutsamer<lb/>
zu sein, und dem Leser neben der Verwandtschaft zwischen den alten und<lb/>
modernen Institutionen auch den Contrast gegenwärtig zu halten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_714"> Was dem Buch seine eigenthümliche Bedeutung gibt, ist das konsequent<lb/>
durchgeführte politische Princip. Es wird nicht blos behauptet, sondern mit<lb/>
völliger Evidenz erwiesen, daß die Gegensätze zwischen der Aristokratie und<lb/>
Demokratie, die Beziehungen des Despotismus zum Pöbelregiment und der<lb/>
Untergang der Staaten durch die Herrschaft eines einseitigen Princips in allen<lb/>
Perioden der Geschichte einem einheitlichen Gesetz folgen, daß die Natur der<lb/>
Menschen sich nicht verändert und daß gleiche Ursachen stets gleiche Wir¬<lb/>
kungen erzeugen. Das Buch enthält also nicht blos eine historische Belehrung,<lb/>
sondern ein reiches politisches Bildungsmaterial.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_715"> Möge es dem Verfasser vergönnt sein, auch in der neuen Heimath für<lb/>
die sittliche und politische Erhebung des Volks und für die wissenschaftliche<lb/>
Aufklärung mit demselben Segen zu wirken, der ihm in seiner bisherigen<lb/><note type="byline"> I. S.</note> Laufbahn in so reichem Maß zu Theil geworden ist. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_716"> Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.  Band II, fünfte<lb/>
Lieferung.  Leipzig, S. Hirzel. 1837.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_717" next="#ID_718"> Die neue Lieferung des großen Nationalwerkes enthält von Der bis<lb/>
Doch eine nicht gewöhnliche Zahl von Stämmen und merkwürdigen Wörtern.<lb/>
Nur einige Stammwörter seien angeführt: Dest, Deuchel, Deutsch, Dicht,<lb/>
Dichter, Dick, Dieb, Diech, Diele, Dienen, Dienst, Dienstag, Dieser, Dict,<lb/>
Dietrich, Dise, Digen, Dille, Dimper, Ding, Dinte, Dirle, Dirne,<lb/>
Distel, Döbel. Schon aus den Angeführten wird man merken, wie viele<lb/>
deutsche Wörter dem Einzelnen, auch bei guter Bildung und erträglichen<lb/>
Sprachkcnntnissen fremd sind. Und es ist auch von diesem Gesichtspunkt be-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0246] die Uebersetzung richtig ist, so weit man nur den Begriff im Auge behalt, so mischt sich dabei doch eine fremdartige Porstellung ein, die wir unsern modernen Anschauungen entnehmen. Man kann z. B. die herrschende Classe in Sparta dem Begriff nach ganz wol als einen Adel bezeichnen, allein dann muß man sich unsere Vorstellung völlig aus dem Sinn schlagen. Wir können uns einen Adel schlechthin nicht vorstellen ohne stehende Familien¬ namen, und diese kamen in Griechenland nur ausnahmsweise, eigentlich nur bei den dynastischen Geschlechtern vor. Im Ganzen bewährt sich die Methode so vortrefflich, daß wir sie nicht wegwünschen, aber vielleicht wird der Versasser bei einer neuen Ausgabe sich bestimmen lassen, in der Anwendung behutsamer zu sein, und dem Leser neben der Verwandtschaft zwischen den alten und modernen Institutionen auch den Contrast gegenwärtig zu halten. Was dem Buch seine eigenthümliche Bedeutung gibt, ist das konsequent durchgeführte politische Princip. Es wird nicht blos behauptet, sondern mit völliger Evidenz erwiesen, daß die Gegensätze zwischen der Aristokratie und Demokratie, die Beziehungen des Despotismus zum Pöbelregiment und der Untergang der Staaten durch die Herrschaft eines einseitigen Princips in allen Perioden der Geschichte einem einheitlichen Gesetz folgen, daß die Natur der Menschen sich nicht verändert und daß gleiche Ursachen stets gleiche Wir¬ kungen erzeugen. Das Buch enthält also nicht blos eine historische Belehrung, sondern ein reiches politisches Bildungsmaterial. Möge es dem Verfasser vergönnt sein, auch in der neuen Heimath für die sittliche und politische Erhebung des Volks und für die wissenschaftliche Aufklärung mit demselben Segen zu wirken, der ihm in seiner bisherigen I. S. Laufbahn in so reichem Maß zu Theil geworden ist. Deutsches Wörterbuch der Brüder Grimm. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Band II, fünfte Lieferung. Leipzig, S. Hirzel. 1837. Die neue Lieferung des großen Nationalwerkes enthält von Der bis Doch eine nicht gewöhnliche Zahl von Stämmen und merkwürdigen Wörtern. Nur einige Stammwörter seien angeführt: Dest, Deuchel, Deutsch, Dicht, Dichter, Dick, Dieb, Diech, Diele, Dienen, Dienst, Dienstag, Dieser, Dict, Dietrich, Dise, Digen, Dille, Dimper, Ding, Dinte, Dirle, Dirne, Distel, Döbel. Schon aus den Angeführten wird man merken, wie viele deutsche Wörter dem Einzelnen, auch bei guter Bildung und erträglichen Sprachkcnntnissen fremd sind. Und es ist auch von diesem Gesichtspunkt be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/246
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/246>, abgerufen am 30.04.2024.