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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Die Handelsfreiheit in England.

Herr Tote, einer der bedeutendsten Nationalökonomen Englands, Hut unter dem
Titel Ilistorx ok priees guck ok tus stats ok elf circulation eine Geschichte
der bedeutendsten industriellen und commerciellen Thatsachen in England ver¬
öffentlicht, in welchen die Veränderungen, welche in den Preisen der Haupt¬
waaren, namentlich des Getreides, eingetreten sind, und die Entwicklung der
Banken dargestellt werden. Die beiden letztem Bände dieses Werkes, welche
jetzt erschienen sind, umfassen die Ereignisse seit dem Jahre 1848: die Ent¬
deckung und Ausbeutung der Goldminen Kaliforniens und Australiens, die
zahlreichen Eisenbahnen, von denen Großbritannien durchschnitten wird, die
Bankgesetze von 1844 und 184S, insbesondere aber die große Handclöreform
Sir Robert Peels und ihre Consequenzen.

Der Ursprung dieser Handclsreform fällt in das Jahr 1815, als England
seinen furchtbaren Kampf mit der Republik und dem Kaiserreich Frankreich
beendigt hatte. Sie fand anfangs den hartnäckigsten Widerstand bei der
Majorität des Parlaments, das dnrch die Theorie des Schutzzolls sich täusche"
und durch das Privatinteresse des Grundbesitzes und durch die verblendete"
Ansprüche einer großen Anzahl von Manufacturisten sich beherrschen ließ-
Eben Tote war es, der die berühmte Petition verfaßte, welche am 8. M""
1820 dem Parlament überreicht wurde und die den Grundsatz verfocht, daß
die Handelsfreiheit an sich ein großes Gut und daß es vortheilhaft sei, die¬
selbe, ohne die Reciprocität der andern Nationen abzuwarten, ins Werk zu
setzen. Diese Petition übte zwar keinen unmittelbaren Einfluß auf die Ge¬
setzgebung, hinterließ aber in der öffentlichen Meinung einen tiefen El"'
druck.

Erst der Minister Huskisson gab dem Princip der Handelsfreiheit eine
praktische Anwendung. In den Jahren 1824, 2-i und 26 bewirkte er, daß
das, Parlament bedeutende Zollermäßigungen polirte und mehre Einfuhr
Verbote, namentlich das Verbot der Seidencinfuhr, aufhob. Die englische"
Seidenfabrikanten kämpften damals ebenso heftig für die Aufrechterhaltung
des Einfuhrverbotes wie heutzutage die französische". Sie beriefen sich
die nationale Ungeschicklichkeit, welche die Concurrenz mit dem Auslande,
selbst wenn Schutzzölle eingeführt würden, unheilvoll mache, gleichwie heut¬
zutage die auf den Industrieausstellungen gekrönten französischen Fabrikanten
erklären, daß sie unfähig sind, mit dem Auslande zu concurriren und deshalb
die unbedingte Prohibition verlangen und wirklich die französische Regierung
dazu gebracht haben, den Gesetzentwurf über die Aufhebung der Einfuhrver¬
bote zurückzuziehen. Das englische Parlament war jedoch im Jahre 182


Die Handelsfreiheit in England.

Herr Tote, einer der bedeutendsten Nationalökonomen Englands, Hut unter dem
Titel Ilistorx ok priees guck ok tus stats ok elf circulation eine Geschichte
der bedeutendsten industriellen und commerciellen Thatsachen in England ver¬
öffentlicht, in welchen die Veränderungen, welche in den Preisen der Haupt¬
waaren, namentlich des Getreides, eingetreten sind, und die Entwicklung der
Banken dargestellt werden. Die beiden letztem Bände dieses Werkes, welche
jetzt erschienen sind, umfassen die Ereignisse seit dem Jahre 1848: die Ent¬
deckung und Ausbeutung der Goldminen Kaliforniens und Australiens, die
zahlreichen Eisenbahnen, von denen Großbritannien durchschnitten wird, die
Bankgesetze von 1844 und 184S, insbesondere aber die große Handclöreform
Sir Robert Peels und ihre Consequenzen.

Der Ursprung dieser Handclsreform fällt in das Jahr 1815, als England
seinen furchtbaren Kampf mit der Republik und dem Kaiserreich Frankreich
beendigt hatte. Sie fand anfangs den hartnäckigsten Widerstand bei der
Majorität des Parlaments, das dnrch die Theorie des Schutzzolls sich täusche»
und durch das Privatinteresse des Grundbesitzes und durch die verblendete»
Ansprüche einer großen Anzahl von Manufacturisten sich beherrschen ließ-
Eben Tote war es, der die berühmte Petition verfaßte, welche am 8. M«"
1820 dem Parlament überreicht wurde und die den Grundsatz verfocht, daß
die Handelsfreiheit an sich ein großes Gut und daß es vortheilhaft sei, die¬
selbe, ohne die Reciprocität der andern Nationen abzuwarten, ins Werk zu
setzen. Diese Petition übte zwar keinen unmittelbaren Einfluß auf die Ge¬
setzgebung, hinterließ aber in der öffentlichen Meinung einen tiefen El»'
druck.

Erst der Minister Huskisson gab dem Princip der Handelsfreiheit eine
praktische Anwendung. In den Jahren 1824, 2-i und 26 bewirkte er, daß
das, Parlament bedeutende Zollermäßigungen polirte und mehre Einfuhr
Verbote, namentlich das Verbot der Seidencinfuhr, aufhob. Die englische"
Seidenfabrikanten kämpften damals ebenso heftig für die Aufrechterhaltung
des Einfuhrverbotes wie heutzutage die französische». Sie beriefen sich
die nationale Ungeschicklichkeit, welche die Concurrenz mit dem Auslande,
selbst wenn Schutzzölle eingeführt würden, unheilvoll mache, gleichwie heut¬
zutage die auf den Industrieausstellungen gekrönten französischen Fabrikanten
erklären, daß sie unfähig sind, mit dem Auslande zu concurriren und deshalb
die unbedingte Prohibition verlangen und wirklich die französische Regierung
dazu gebracht haben, den Gesetzentwurf über die Aufhebung der Einfuhrver¬
bote zurückzuziehen. Das englische Parlament war jedoch im Jahre 182


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[0314] Die Handelsfreiheit in England. Herr Tote, einer der bedeutendsten Nationalökonomen Englands, Hut unter dem Titel Ilistorx ok priees guck ok tus stats ok elf circulation eine Geschichte der bedeutendsten industriellen und commerciellen Thatsachen in England ver¬ öffentlicht, in welchen die Veränderungen, welche in den Preisen der Haupt¬ waaren, namentlich des Getreides, eingetreten sind, und die Entwicklung der Banken dargestellt werden. Die beiden letztem Bände dieses Werkes, welche jetzt erschienen sind, umfassen die Ereignisse seit dem Jahre 1848: die Ent¬ deckung und Ausbeutung der Goldminen Kaliforniens und Australiens, die zahlreichen Eisenbahnen, von denen Großbritannien durchschnitten wird, die Bankgesetze von 1844 und 184S, insbesondere aber die große Handclöreform Sir Robert Peels und ihre Consequenzen. Der Ursprung dieser Handclsreform fällt in das Jahr 1815, als England seinen furchtbaren Kampf mit der Republik und dem Kaiserreich Frankreich beendigt hatte. Sie fand anfangs den hartnäckigsten Widerstand bei der Majorität des Parlaments, das dnrch die Theorie des Schutzzolls sich täusche» und durch das Privatinteresse des Grundbesitzes und durch die verblendete» Ansprüche einer großen Anzahl von Manufacturisten sich beherrschen ließ- Eben Tote war es, der die berühmte Petition verfaßte, welche am 8. M«" 1820 dem Parlament überreicht wurde und die den Grundsatz verfocht, daß die Handelsfreiheit an sich ein großes Gut und daß es vortheilhaft sei, die¬ selbe, ohne die Reciprocität der andern Nationen abzuwarten, ins Werk zu setzen. Diese Petition übte zwar keinen unmittelbaren Einfluß auf die Ge¬ setzgebung, hinterließ aber in der öffentlichen Meinung einen tiefen El»' druck. Erst der Minister Huskisson gab dem Princip der Handelsfreiheit eine praktische Anwendung. In den Jahren 1824, 2-i und 26 bewirkte er, daß das, Parlament bedeutende Zollermäßigungen polirte und mehre Einfuhr Verbote, namentlich das Verbot der Seidencinfuhr, aufhob. Die englische" Seidenfabrikanten kämpften damals ebenso heftig für die Aufrechterhaltung des Einfuhrverbotes wie heutzutage die französische». Sie beriefen sich die nationale Ungeschicklichkeit, welche die Concurrenz mit dem Auslande, selbst wenn Schutzzölle eingeführt würden, unheilvoll mache, gleichwie heut¬ zutage die auf den Industrieausstellungen gekrönten französischen Fabrikanten erklären, daß sie unfähig sind, mit dem Auslande zu concurriren und deshalb die unbedingte Prohibition verlangen und wirklich die französische Regierung dazu gebracht haben, den Gesetzentwurf über die Aufhebung der Einfuhrver¬ bote zurückzuziehen. Das englische Parlament war jedoch im Jahre 182

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/314>, abgerufen am 30.04.2024.