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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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des Volkes ihre älteste Tochter dein ^rde" der ersten deutschen Königskrone;
möge das Gestirn, dos dieser glücklichen Verbindung geleuchtet, sich nicht ver¬
dunkeln.




Literatur.
Neue Arbeiten auf dem Gebiet der Geschichte.

-- Von allen Beiträgen über
' die Geschichte der Freiheitskriege, welche uns in der letzten Zeit zu Gesicht gekommen
sind, verdienen das lebhafteste Interesse die Memoiren des ton, prcuß, Generals
der Infanterie o, Reiche, herausgegeben von seinem Neffen, Major v. Weltzin",
2 Bde,, Leipzig, Brockhaus -- Der hochgebildete General, der seit 1783, wo er als
Junker in den Dienst trat, mit seinem Vater in ununterbrochener Korrespondenz stand,
und darin einen Anhalt für seine spätern Erinnerungen besaß, gibt zunächst für
die Kriegsgeschichte die wichtigsten Bereicherungen, Ihn von dieser Seite zu beur¬
theilen, muß den Fachschriftstell.ern überlassen bleiben. Wir machen hier hauptsäch¬
lich auf die menschliche Seite aufmerksam, Die Aufzeichnungen sind nämlich auch
in Bezug auf den Ton von einer seltenen Wahrheitsliebe und Unbefangenheit, Die
Eindrücke sind nicht dnrch die spätern Reflexionen des Alters abgeschwächt, sonder".
in ihrer ganzen Frische wiedergegeben. Durch und durch Militär und ohne be¬
sondere Hochachtung für den Civilisten ist Gi, v, Reiche doch nichts weniger als ein
Gamaschcnhcld. er hat ein warmes Herz für die Geschickt seines Vaterlandes und
für die Ehre und Sittlichkeit in den öffentlichen Handlungen einen richtigen Jnstinct,
Die Charakteristik der hauptsächlichen Führer in den großen Actioncn von 18V6
ist musterhaft, und er versteht auch die kleinen Aeußerlichkeiten sehr licbcnsmürdig
hervortreten zu lassen. So hat es uns namentlich gefreut, daß er auch König Fried¬
rich Wilhelm III., den er übrigens hochverehrt, immer in der Redeweise auftreten
läßt, die diesem eigenthümlich war, Die kleinen persönlichen Abenteuer sind nicht
blos^ anschaulich, sondern selbst mit einem gewissen Humor geschildert, und wir wer-
den lebhaft alt die Scenen erinnert, die uus durch Goethes Campagne in Frankreich
so gegenwärtig geworden sind, Mitunter ist von paradoxen Geschichtschreibern ans
die Anekdote ein zu großer Werth, gelegt worden, aber sic gehört doch auch wesent-
lich zur Geschichte und grade die vielen lebendigen Einzelheiten dieses Buchs zeige"
uns deutlicher die Stimmung der Zeit als so manche allgemeine Darstellung, die
aus rhetorischen Gründen die Localfarbc verwischt, -- Als weitere Beiträge für die
große Periode unsers Freiheitskampfs erwähnen wir noch- Die Geschichte der
Jnsurrectio n en wider das westphälische Gouv erneuert, von K, Lynkcr
(Kassel. Bertram), und Die .KurHessen im Feldzug von 1811, nach hand-
schriftlichen Originalien und andern Quellen bearbeitet von Hauptmann Rcnouard
(Gotha, Schande). --'

Dec christlichen Sekten der verschiedensten Art erregen jetzt, wo auch nachdie¬
ser Seite hin die productive Kraft ausgestorben scheint, ebenso das Interesse, der
Kulturgeschichte, wie aus einem ähnlichen Grund die in Stagnation begriffene Dich¬
tung. Ein mit vieler Liebe geschriebenes, unterrichtendes Buch ist! Der Gras
Zinzcn dors und Herrnhut, oder Geschichte derBrüdcrunität bis auf die neueste


des Volkes ihre älteste Tochter dein ^rde» der ersten deutschen Königskrone;
möge das Gestirn, dos dieser glücklichen Verbindung geleuchtet, sich nicht ver¬
dunkeln.




Literatur.
Neue Arbeiten auf dem Gebiet der Geschichte.

— Von allen Beiträgen über
' die Geschichte der Freiheitskriege, welche uns in der letzten Zeit zu Gesicht gekommen
sind, verdienen das lebhafteste Interesse die Memoiren des ton, prcuß, Generals
der Infanterie o, Reiche, herausgegeben von seinem Neffen, Major v. Weltzin»,
2 Bde,, Leipzig, Brockhaus — Der hochgebildete General, der seit 1783, wo er als
Junker in den Dienst trat, mit seinem Vater in ununterbrochener Korrespondenz stand,
und darin einen Anhalt für seine spätern Erinnerungen besaß, gibt zunächst für
die Kriegsgeschichte die wichtigsten Bereicherungen, Ihn von dieser Seite zu beur¬
theilen, muß den Fachschriftstell.ern überlassen bleiben. Wir machen hier hauptsäch¬
lich auf die menschliche Seite aufmerksam, Die Aufzeichnungen sind nämlich auch
in Bezug auf den Ton von einer seltenen Wahrheitsliebe und Unbefangenheit, Die
Eindrücke sind nicht dnrch die spätern Reflexionen des Alters abgeschwächt, sonder».
in ihrer ganzen Frische wiedergegeben. Durch und durch Militär und ohne be¬
sondere Hochachtung für den Civilisten ist Gi, v, Reiche doch nichts weniger als ein
Gamaschcnhcld. er hat ein warmes Herz für die Geschickt seines Vaterlandes und
für die Ehre und Sittlichkeit in den öffentlichen Handlungen einen richtigen Jnstinct,
Die Charakteristik der hauptsächlichen Führer in den großen Actioncn von 18V6
ist musterhaft, und er versteht auch die kleinen Aeußerlichkeiten sehr licbcnsmürdig
hervortreten zu lassen. So hat es uns namentlich gefreut, daß er auch König Fried¬
rich Wilhelm III., den er übrigens hochverehrt, immer in der Redeweise auftreten
läßt, die diesem eigenthümlich war, Die kleinen persönlichen Abenteuer sind nicht
blos^ anschaulich, sondern selbst mit einem gewissen Humor geschildert, und wir wer-
den lebhaft alt die Scenen erinnert, die uus durch Goethes Campagne in Frankreich
so gegenwärtig geworden sind, Mitunter ist von paradoxen Geschichtschreibern ans
die Anekdote ein zu großer Werth, gelegt worden, aber sic gehört doch auch wesent-
lich zur Geschichte und grade die vielen lebendigen Einzelheiten dieses Buchs zeige»
uns deutlicher die Stimmung der Zeit als so manche allgemeine Darstellung, die
aus rhetorischen Gründen die Localfarbc verwischt, — Als weitere Beiträge für die
große Periode unsers Freiheitskampfs erwähnen wir noch- Die Geschichte der
Jnsurrectio n en wider das westphälische Gouv erneuert, von K, Lynkcr
(Kassel. Bertram), und Die .KurHessen im Feldzug von 1811, nach hand-
schriftlichen Originalien und andern Quellen bearbeitet von Hauptmann Rcnouard
(Gotha, Schande). —'

Dec christlichen Sekten der verschiedensten Art erregen jetzt, wo auch nachdie¬
ser Seite hin die productive Kraft ausgestorben scheint, ebenso das Interesse, der
Kulturgeschichte, wie aus einem ähnlichen Grund die in Stagnation begriffene Dich¬
tung. Ein mit vieler Liebe geschriebenes, unterrichtendes Buch ist! Der Gras
Zinzcn dors und Herrnhut, oder Geschichte derBrüdcrunität bis auf die neueste


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[0247] des Volkes ihre älteste Tochter dein ^rde» der ersten deutschen Königskrone; möge das Gestirn, dos dieser glücklichen Verbindung geleuchtet, sich nicht ver¬ dunkeln. Literatur. Neue Arbeiten auf dem Gebiet der Geschichte. — Von allen Beiträgen über ' die Geschichte der Freiheitskriege, welche uns in der letzten Zeit zu Gesicht gekommen sind, verdienen das lebhafteste Interesse die Memoiren des ton, prcuß, Generals der Infanterie o, Reiche, herausgegeben von seinem Neffen, Major v. Weltzin», 2 Bde,, Leipzig, Brockhaus — Der hochgebildete General, der seit 1783, wo er als Junker in den Dienst trat, mit seinem Vater in ununterbrochener Korrespondenz stand, und darin einen Anhalt für seine spätern Erinnerungen besaß, gibt zunächst für die Kriegsgeschichte die wichtigsten Bereicherungen, Ihn von dieser Seite zu beur¬ theilen, muß den Fachschriftstell.ern überlassen bleiben. Wir machen hier hauptsäch¬ lich auf die menschliche Seite aufmerksam, Die Aufzeichnungen sind nämlich auch in Bezug auf den Ton von einer seltenen Wahrheitsliebe und Unbefangenheit, Die Eindrücke sind nicht dnrch die spätern Reflexionen des Alters abgeschwächt, sonder». in ihrer ganzen Frische wiedergegeben. Durch und durch Militär und ohne be¬ sondere Hochachtung für den Civilisten ist Gi, v, Reiche doch nichts weniger als ein Gamaschcnhcld. er hat ein warmes Herz für die Geschickt seines Vaterlandes und für die Ehre und Sittlichkeit in den öffentlichen Handlungen einen richtigen Jnstinct, Die Charakteristik der hauptsächlichen Führer in den großen Actioncn von 18V6 ist musterhaft, und er versteht auch die kleinen Aeußerlichkeiten sehr licbcnsmürdig hervortreten zu lassen. So hat es uns namentlich gefreut, daß er auch König Fried¬ rich Wilhelm III., den er übrigens hochverehrt, immer in der Redeweise auftreten läßt, die diesem eigenthümlich war, Die kleinen persönlichen Abenteuer sind nicht blos^ anschaulich, sondern selbst mit einem gewissen Humor geschildert, und wir wer- den lebhaft alt die Scenen erinnert, die uus durch Goethes Campagne in Frankreich so gegenwärtig geworden sind, Mitunter ist von paradoxen Geschichtschreibern ans die Anekdote ein zu großer Werth, gelegt worden, aber sic gehört doch auch wesent- lich zur Geschichte und grade die vielen lebendigen Einzelheiten dieses Buchs zeige» uns deutlicher die Stimmung der Zeit als so manche allgemeine Darstellung, die aus rhetorischen Gründen die Localfarbc verwischt, — Als weitere Beiträge für die große Periode unsers Freiheitskampfs erwähnen wir noch- Die Geschichte der Jnsurrectio n en wider das westphälische Gouv erneuert, von K, Lynkcr (Kassel. Bertram), und Die .KurHessen im Feldzug von 1811, nach hand- schriftlichen Originalien und andern Quellen bearbeitet von Hauptmann Rcnouard (Gotha, Schande). —' Dec christlichen Sekten der verschiedensten Art erregen jetzt, wo auch nachdie¬ ser Seite hin die productive Kraft ausgestorben scheint, ebenso das Interesse, der Kulturgeschichte, wie aus einem ähnlichen Grund die in Stagnation begriffene Dich¬ tung. Ein mit vieler Liebe geschriebenes, unterrichtendes Buch ist! Der Gras Zinzcn dors und Herrnhut, oder Geschichte derBrüdcrunität bis auf die neueste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/247>, abgerufen am 28.04.2024.