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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Die deutsche Presse.

Eine große Zahl neuer Zeitschriften, hauptsächlich literarisch-kritischen
Inhalts, ist mit dem Anfang dieses Jahres ins Leben getreten. So erscheint
in Leipzig ein Jahrbuch der Literatur und Kunst, herausgegeben von Mar-
bach und Schmiedt, in Jena hat die früher so bedeutende Minerva,
redigirt von Bran, in ihrem 202. Band neben dem bisherigen historisch¬
politischer Inhalt auch der Aesthetik und Literaturgeschichte Raum gegeben,
ebendaselbst erscheint eine Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie, heraus¬
gegeben, von Hilgenfeld, welche der freisinnigen Richtung Bahn zu brechen
sucht. Aus diese und andere Zeitschriften werden wir vielleicht später Ge¬
legenheit haben einzugehen, sür heute begnügen wir uns, ein Unternehmen
hervorzuheben, aus welches wir die Aufmerksamkeit aller unserer Leser hinzu¬
lenken wünschen. Es sind die Preußischen Jahrbücher, herausgegeben
von Haym (Berlin, Georg Reimer).

Schon lauge hatte man es als einen Uebelstand empfunden, daß die
konstitutionelle Partei Preußens in der Presse kein eigentliches Organ besaß,
und es tauchte von Zeit zu Zeit die Idee auf, eine neue constitutionelle
Zeitung zu begründen, die an das-früher voreilig aufgegebene Blatt wieder
anknüpfen sollte. Die alten Blätter, die früher für die gute Sache mit so
viel Eifer gekämpft, darunter vorzüglich die Kölnische Zeitung, waren durch
locale Verhältnisse schwer bedrückt und konnten außerdem ihrer Lage wegen
zur Centralisation ihrer Partei nicht dienen, denn eine große politische Zeitung,
die sich als Parteiorgan darstellen will, gehört an den Mittelpunkt des po¬
litischen Lebens. Indessen macht sich im gegenwärtigen Augenblick das Be¬
dürfniß weniger fühlbar, da für alle besonnenen und einsichtsvollen Freunde
einer freisinnigen preußischen Entwickelung die Nationalzeitung mehr und
mehr die Dienste leistet, die man lieber von einem specifisch constitutionellen
Blatt erwartet hätte. Wir sind ihr diese Anerkennung schuldig, da wir früher
öfters in der Lage waren, gegen sie zu polcmisiren. Freilich kann man über
die Zukunft nicht urtheilen, da die Nationalzeitung auf wesentlich andern
historischen Voraussetzungen beruht als wir; sür jetzt wüßten wir aber kaum
irgend eine Frage von größerem Belang, in der wir von ihr abwichen. Es


Grenzboten 1. 1SS8. 31
Die deutsche Presse.

Eine große Zahl neuer Zeitschriften, hauptsächlich literarisch-kritischen
Inhalts, ist mit dem Anfang dieses Jahres ins Leben getreten. So erscheint
in Leipzig ein Jahrbuch der Literatur und Kunst, herausgegeben von Mar-
bach und Schmiedt, in Jena hat die früher so bedeutende Minerva,
redigirt von Bran, in ihrem 202. Band neben dem bisherigen historisch¬
politischer Inhalt auch der Aesthetik und Literaturgeschichte Raum gegeben,
ebendaselbst erscheint eine Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie, heraus¬
gegeben, von Hilgenfeld, welche der freisinnigen Richtung Bahn zu brechen
sucht. Aus diese und andere Zeitschriften werden wir vielleicht später Ge¬
legenheit haben einzugehen, sür heute begnügen wir uns, ein Unternehmen
hervorzuheben, aus welches wir die Aufmerksamkeit aller unserer Leser hinzu¬
lenken wünschen. Es sind die Preußischen Jahrbücher, herausgegeben
von Haym (Berlin, Georg Reimer).

Schon lauge hatte man es als einen Uebelstand empfunden, daß die
konstitutionelle Partei Preußens in der Presse kein eigentliches Organ besaß,
und es tauchte von Zeit zu Zeit die Idee auf, eine neue constitutionelle
Zeitung zu begründen, die an das-früher voreilig aufgegebene Blatt wieder
anknüpfen sollte. Die alten Blätter, die früher für die gute Sache mit so
viel Eifer gekämpft, darunter vorzüglich die Kölnische Zeitung, waren durch
locale Verhältnisse schwer bedrückt und konnten außerdem ihrer Lage wegen
zur Centralisation ihrer Partei nicht dienen, denn eine große politische Zeitung,
die sich als Parteiorgan darstellen will, gehört an den Mittelpunkt des po¬
litischen Lebens. Indessen macht sich im gegenwärtigen Augenblick das Be¬
dürfniß weniger fühlbar, da für alle besonnenen und einsichtsvollen Freunde
einer freisinnigen preußischen Entwickelung die Nationalzeitung mehr und
mehr die Dienste leistet, die man lieber von einem specifisch constitutionellen
Blatt erwartet hätte. Wir sind ihr diese Anerkennung schuldig, da wir früher
öfters in der Lage waren, gegen sie zu polcmisiren. Freilich kann man über
die Zukunft nicht urtheilen, da die Nationalzeitung auf wesentlich andern
historischen Voraussetzungen beruht als wir; sür jetzt wüßten wir aber kaum
irgend eine Frage von größerem Belang, in der wir von ihr abwichen. Es


Grenzboten 1. 1SS8. 31
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[0249] Die deutsche Presse. Eine große Zahl neuer Zeitschriften, hauptsächlich literarisch-kritischen Inhalts, ist mit dem Anfang dieses Jahres ins Leben getreten. So erscheint in Leipzig ein Jahrbuch der Literatur und Kunst, herausgegeben von Mar- bach und Schmiedt, in Jena hat die früher so bedeutende Minerva, redigirt von Bran, in ihrem 202. Band neben dem bisherigen historisch¬ politischer Inhalt auch der Aesthetik und Literaturgeschichte Raum gegeben, ebendaselbst erscheint eine Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie, heraus¬ gegeben, von Hilgenfeld, welche der freisinnigen Richtung Bahn zu brechen sucht. Aus diese und andere Zeitschriften werden wir vielleicht später Ge¬ legenheit haben einzugehen, sür heute begnügen wir uns, ein Unternehmen hervorzuheben, aus welches wir die Aufmerksamkeit aller unserer Leser hinzu¬ lenken wünschen. Es sind die Preußischen Jahrbücher, herausgegeben von Haym (Berlin, Georg Reimer). Schon lauge hatte man es als einen Uebelstand empfunden, daß die konstitutionelle Partei Preußens in der Presse kein eigentliches Organ besaß, und es tauchte von Zeit zu Zeit die Idee auf, eine neue constitutionelle Zeitung zu begründen, die an das-früher voreilig aufgegebene Blatt wieder anknüpfen sollte. Die alten Blätter, die früher für die gute Sache mit so viel Eifer gekämpft, darunter vorzüglich die Kölnische Zeitung, waren durch locale Verhältnisse schwer bedrückt und konnten außerdem ihrer Lage wegen zur Centralisation ihrer Partei nicht dienen, denn eine große politische Zeitung, die sich als Parteiorgan darstellen will, gehört an den Mittelpunkt des po¬ litischen Lebens. Indessen macht sich im gegenwärtigen Augenblick das Be¬ dürfniß weniger fühlbar, da für alle besonnenen und einsichtsvollen Freunde einer freisinnigen preußischen Entwickelung die Nationalzeitung mehr und mehr die Dienste leistet, die man lieber von einem specifisch constitutionellen Blatt erwartet hätte. Wir sind ihr diese Anerkennung schuldig, da wir früher öfters in der Lage waren, gegen sie zu polcmisiren. Freilich kann man über die Zukunft nicht urtheilen, da die Nationalzeitung auf wesentlich andern historischen Voraussetzungen beruht als wir; sür jetzt wüßten wir aber kaum irgend eine Frage von größerem Belang, in der wir von ihr abwichen. Es Grenzboten 1. 1SS8. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/249>, abgerufen am 29.04.2024.