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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band.

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Hoffens und stiller Verzweiflung ohne Mühe ausmalen können. Die böse Zeit! sie
G. C, wirft um, die im Wege stehen, und vergessen sind sie.




Literatur.

Vom Musikalisch S chönen. Ein Beitrag zur Revision der Aesthetik der Ton¬
künste. Von Eduard Hanslick. Zweite verbesserte Auflage. -- Leipzig, N. Weigel. --
Ueber den Inhalt und die Bedeutung dieser kleinen geistvollen Schrift haben wir uns
bereits bei Gelegenheit der ersten Auflage eingehend ausgesprochen. Der Verfasser
hat an der zweiten nichts Wesentliches geändert. "Die Hinzufügung mancher erläu¬
ternder, die Abänderung einiger mißverständlicher Sätze war das Einzige, was ich
an dem Büchlein vornehmen konnte, sollte es nicht eben ein ganz anderes werden . . .
Dergleichen gcdnnkcnmäßigc Entwicklungen, welche organisch aus der Ueberzeugung
ihres Verfassers herauswuchsen, lassen sich späterhin äußerst schwer umarbeiten." --
Demnach bleibt auch unser Urtheil dasselbe: im Einzelnen ist die Aesthetik durch dies
Büchlein wesentlich gefördert, in Bezug auf die Polemik gegen eine Schule, welche
die Musik zum Mittel anderweitiger Zwecke herabsetzen will, treten wir ihm unbe¬
dingt bei; das Princip aber, in natürlicher Reaction gegen diesen schreienden Mi߬
brauch, ist in Paradoxie verfallen. Die Stimmung, die Empfindung ist bei der
Musik nicht blos etwas Accidcntelles, sie ist die Substanz der Kunst. Der Einwand,
daß man aus diesem Satz keine Regeln für die Kunst herleiten kann, ist nicht stich¬
haltig, die Regeln werden bei aller Kunst nicht nach der Substanz, sondern nach
dem Material (hier der Ton, in der Malerei die Farbe u. s. w.) gemessen, aber des¬
halb ist die Musik ebensowenig eine Arabeske aus Tönen, wie die Malerei eine Ara¬
beske aus Farben ist. --

Historische Literatur.

-- Kenner und Freunde der Geschichte werden den soeben
erschienenen vierten Band vonPalackys Geschichte von Böhmen (größtentheils
nach Urkunden und Handschriften, Prag, Tempsku) mit Freude begrüßen. Die zu¬
nächst vorliegende erste Abtheilung desselben umfaßt die Jahre 1439 bis 1457, das
-Zeitalter des großen Podicbrad bis zum Tode Königs Ladiölav,: eine Periode, die
von den meisten Historikern sehr stiefmütterlich behandelt ist, und auf welche durch
die gelehrten Forschungen des berühmten Erneuerers der czcchischen Literatur ein
neues Licht fällt. Für Böhmen war dieser Zeitraum einer, der wichtigsten; er um¬
saßt den letzten bedeutenden Versuch, ein eignes nationales Leben herzustellen. Palackh
hat zwischen dem 3. Bd., der 1845 erschien, und dem 4. eine lange Pause eintreten
lassen; seine vielfachen Nebenbeschäftigungen haben ihn aber nicht abgehalten, dem Haupt¬
werk seines Lebens, welches in den Vorbereitungen schon 1823, in der Ausarbeitung
1836 begonnen wurde, seine besten Kräfte zu widmen und so seinem Volk ein un¬
vergängliches Denkmal zu stiften. Daß man in manchen Punkten von seinen An-


Hoffens und stiller Verzweiflung ohne Mühe ausmalen können. Die böse Zeit! sie
G. C, wirft um, die im Wege stehen, und vergessen sind sie.




Literatur.

Vom Musikalisch S chönen. Ein Beitrag zur Revision der Aesthetik der Ton¬
künste. Von Eduard Hanslick. Zweite verbesserte Auflage. — Leipzig, N. Weigel. —
Ueber den Inhalt und die Bedeutung dieser kleinen geistvollen Schrift haben wir uns
bereits bei Gelegenheit der ersten Auflage eingehend ausgesprochen. Der Verfasser
hat an der zweiten nichts Wesentliches geändert. „Die Hinzufügung mancher erläu¬
ternder, die Abänderung einiger mißverständlicher Sätze war das Einzige, was ich
an dem Büchlein vornehmen konnte, sollte es nicht eben ein ganz anderes werden . . .
Dergleichen gcdnnkcnmäßigc Entwicklungen, welche organisch aus der Ueberzeugung
ihres Verfassers herauswuchsen, lassen sich späterhin äußerst schwer umarbeiten." —
Demnach bleibt auch unser Urtheil dasselbe: im Einzelnen ist die Aesthetik durch dies
Büchlein wesentlich gefördert, in Bezug auf die Polemik gegen eine Schule, welche
die Musik zum Mittel anderweitiger Zwecke herabsetzen will, treten wir ihm unbe¬
dingt bei; das Princip aber, in natürlicher Reaction gegen diesen schreienden Mi߬
brauch, ist in Paradoxie verfallen. Die Stimmung, die Empfindung ist bei der
Musik nicht blos etwas Accidcntelles, sie ist die Substanz der Kunst. Der Einwand,
daß man aus diesem Satz keine Regeln für die Kunst herleiten kann, ist nicht stich¬
haltig, die Regeln werden bei aller Kunst nicht nach der Substanz, sondern nach
dem Material (hier der Ton, in der Malerei die Farbe u. s. w.) gemessen, aber des¬
halb ist die Musik ebensowenig eine Arabeske aus Tönen, wie die Malerei eine Ara¬
beske aus Farben ist. —

Historische Literatur.

— Kenner und Freunde der Geschichte werden den soeben
erschienenen vierten Band vonPalackys Geschichte von Böhmen (größtentheils
nach Urkunden und Handschriften, Prag, Tempsku) mit Freude begrüßen. Die zu¬
nächst vorliegende erste Abtheilung desselben umfaßt die Jahre 1439 bis 1457, das
-Zeitalter des großen Podicbrad bis zum Tode Königs Ladiölav,: eine Periode, die
von den meisten Historikern sehr stiefmütterlich behandelt ist, und auf welche durch
die gelehrten Forschungen des berühmten Erneuerers der czcchischen Literatur ein
neues Licht fällt. Für Böhmen war dieser Zeitraum einer, der wichtigsten; er um¬
saßt den letzten bedeutenden Versuch, ein eignes nationales Leben herzustellen. Palackh
hat zwischen dem 3. Bd., der 1845 erschien, und dem 4. eine lange Pause eintreten
lassen; seine vielfachen Nebenbeschäftigungen haben ihn aber nicht abgehalten, dem Haupt¬
werk seines Lebens, welches in den Vorbereitungen schon 1823, in der Ausarbeitung
1836 begonnen wurde, seine besten Kräfte zu widmen und so seinem Volk ein un¬
vergängliches Denkmal zu stiften. Daß man in manchen Punkten von seinen An-


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[0287] Hoffens und stiller Verzweiflung ohne Mühe ausmalen können. Die böse Zeit! sie G. C, wirft um, die im Wege stehen, und vergessen sind sie. Literatur. Vom Musikalisch S chönen. Ein Beitrag zur Revision der Aesthetik der Ton¬ künste. Von Eduard Hanslick. Zweite verbesserte Auflage. — Leipzig, N. Weigel. — Ueber den Inhalt und die Bedeutung dieser kleinen geistvollen Schrift haben wir uns bereits bei Gelegenheit der ersten Auflage eingehend ausgesprochen. Der Verfasser hat an der zweiten nichts Wesentliches geändert. „Die Hinzufügung mancher erläu¬ ternder, die Abänderung einiger mißverständlicher Sätze war das Einzige, was ich an dem Büchlein vornehmen konnte, sollte es nicht eben ein ganz anderes werden . . . Dergleichen gcdnnkcnmäßigc Entwicklungen, welche organisch aus der Ueberzeugung ihres Verfassers herauswuchsen, lassen sich späterhin äußerst schwer umarbeiten." — Demnach bleibt auch unser Urtheil dasselbe: im Einzelnen ist die Aesthetik durch dies Büchlein wesentlich gefördert, in Bezug auf die Polemik gegen eine Schule, welche die Musik zum Mittel anderweitiger Zwecke herabsetzen will, treten wir ihm unbe¬ dingt bei; das Princip aber, in natürlicher Reaction gegen diesen schreienden Mi߬ brauch, ist in Paradoxie verfallen. Die Stimmung, die Empfindung ist bei der Musik nicht blos etwas Accidcntelles, sie ist die Substanz der Kunst. Der Einwand, daß man aus diesem Satz keine Regeln für die Kunst herleiten kann, ist nicht stich¬ haltig, die Regeln werden bei aller Kunst nicht nach der Substanz, sondern nach dem Material (hier der Ton, in der Malerei die Farbe u. s. w.) gemessen, aber des¬ halb ist die Musik ebensowenig eine Arabeske aus Tönen, wie die Malerei eine Ara¬ beske aus Farben ist. — Historische Literatur. — Kenner und Freunde der Geschichte werden den soeben erschienenen vierten Band vonPalackys Geschichte von Böhmen (größtentheils nach Urkunden und Handschriften, Prag, Tempsku) mit Freude begrüßen. Die zu¬ nächst vorliegende erste Abtheilung desselben umfaßt die Jahre 1439 bis 1457, das -Zeitalter des großen Podicbrad bis zum Tode Königs Ladiölav,: eine Periode, die von den meisten Historikern sehr stiefmütterlich behandelt ist, und auf welche durch die gelehrten Forschungen des berühmten Erneuerers der czcchischen Literatur ein neues Licht fällt. Für Böhmen war dieser Zeitraum einer, der wichtigsten; er um¬ saßt den letzten bedeutenden Versuch, ein eignes nationales Leben herzustellen. Palackh hat zwischen dem 3. Bd., der 1845 erschien, und dem 4. eine lange Pause eintreten lassen; seine vielfachen Nebenbeschäftigungen haben ihn aber nicht abgehalten, dem Haupt¬ werk seines Lebens, welches in den Vorbereitungen schon 1823, in der Ausarbeitung 1836 begonnen wurde, seine besten Kräfte zu widmen und so seinem Volk ein un¬ vergängliches Denkmal zu stiften. Daß man in manchen Punkten von seinen An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105276/287>, abgerufen am 29.04.2024.