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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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nen. Wie ist aber die Elisabeth, die wir hier sehen, von der verschieden,
die uns Prof. Ranke malt!

Wir müssen hier abbrechen. Der Leser wird wahrscheinlich glauben, daß
wir Professor R. großer Parteilichkeit beschuldigen. Wir thun das nicht
Wir glauben überhaupt nicht so leicht an Parteilichkeit der Historiker. Wer
eine Wahrheit gefunden hat, in welcher Wissenschaft es auch sei, hat eine
solche Freude daran, daß es mehr als menschliche Selbstüberwindung wäre,
wenn er sie wieder zerstörte. Was Parteilichkeit genannt wird, ist gewöhnlich
unvollkommncs Wissen. Seine frühern Studien befähigten den Versasser mit
wenig frischer Mühe eine interessante und höchst lehrreiche historische Skizze
über die Verhältnisse Englands zu den kontinentalen Staaten zu schreiben.
Statt dessen hat er eine englische Geschichte verfaßt, wozu er erst nach lang¬
jährigen, sehr ernsten Studien befähigt sein würde.

"Hu in^ et en tous g.utres xrinees, yue oomru et hero^,
eoimu an bien et an mal: car ils sont dommss eomms nous." Das
schrieb Lommines von seinen Prinzen, eben weil er sie gekannt und weil er
ihnen gedient hatte. Prof. R. hat aus den Tudors kolossalere Gestalten als
Menschen gemacht, weil er sie nicht gekannt und weil er ihnen mehr ge¬
G. Bergenroth. dient hat. '''




,
Die Ereignisse in Mittelitnlien seit dem Frieden von
Villlifranca.
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Mittelitalien, nach dem Frieden von Villafranca sich vorläufig mindestens
äußerlich selbst überlassen und ungewiß, ob es nicht seine zufällig, ohne gro¬
ßes Zuthun seinerseits errungene Unabhängigkeit bald würde mit Waffenge¬
walt zu vertheidigen haben, fühlte vor allen Dingen das Bedürfniß einer
militärischen Einigung. Von woher sollte der Angriff kommen, wenn die
Mittelitalicner ihn nicht selbst begannen? Die Ueberzeugung schien sich im¬
mer fester zu stellen, daß Napoleon keine bewaffnete Intervention unternehmen
werde, um die Fürsten zurückzuführen, die vor ihm selbst geflohen waren, und
die Italiener zu entwaffnen, die sich eben auf seinen Ruf gewaffnet hatten;


Grexzbotcn I. 1860 18

nen. Wie ist aber die Elisabeth, die wir hier sehen, von der verschieden,
die uns Prof. Ranke malt!

Wir müssen hier abbrechen. Der Leser wird wahrscheinlich glauben, daß
wir Professor R. großer Parteilichkeit beschuldigen. Wir thun das nicht
Wir glauben überhaupt nicht so leicht an Parteilichkeit der Historiker. Wer
eine Wahrheit gefunden hat, in welcher Wissenschaft es auch sei, hat eine
solche Freude daran, daß es mehr als menschliche Selbstüberwindung wäre,
wenn er sie wieder zerstörte. Was Parteilichkeit genannt wird, ist gewöhnlich
unvollkommncs Wissen. Seine frühern Studien befähigten den Versasser mit
wenig frischer Mühe eine interessante und höchst lehrreiche historische Skizze
über die Verhältnisse Englands zu den kontinentalen Staaten zu schreiben.
Statt dessen hat er eine englische Geschichte verfaßt, wozu er erst nach lang¬
jährigen, sehr ernsten Studien befähigt sein würde.

„Hu in^ et en tous g.utres xrinees, yue oomru et hero^,
eoimu an bien et an mal: car ils sont dommss eomms nous." Das
schrieb Lommines von seinen Prinzen, eben weil er sie gekannt und weil er
ihnen gedient hatte. Prof. R. hat aus den Tudors kolossalere Gestalten als
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äußerlich selbst überlassen und ungewiß, ob es nicht seine zufällig, ohne gro¬
ßes Zuthun seinerseits errungene Unabhängigkeit bald würde mit Waffenge¬
walt zu vertheidigen haben, fühlte vor allen Dingen das Bedürfniß einer
militärischen Einigung. Von woher sollte der Angriff kommen, wenn die
Mittelitalicner ihn nicht selbst begannen? Die Ueberzeugung schien sich im¬
mer fester zu stellen, daß Napoleon keine bewaffnete Intervention unternehmen
werde, um die Fürsten zurückzuführen, die vor ihm selbst geflohen waren, und
die Italiener zu entwaffnen, die sich eben auf seinen Ruf gewaffnet hatten;


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[0149] nen. Wie ist aber die Elisabeth, die wir hier sehen, von der verschieden, die uns Prof. Ranke malt! Wir müssen hier abbrechen. Der Leser wird wahrscheinlich glauben, daß wir Professor R. großer Parteilichkeit beschuldigen. Wir thun das nicht Wir glauben überhaupt nicht so leicht an Parteilichkeit der Historiker. Wer eine Wahrheit gefunden hat, in welcher Wissenschaft es auch sei, hat eine solche Freude daran, daß es mehr als menschliche Selbstüberwindung wäre, wenn er sie wieder zerstörte. Was Parteilichkeit genannt wird, ist gewöhnlich unvollkommncs Wissen. Seine frühern Studien befähigten den Versasser mit wenig frischer Mühe eine interessante und höchst lehrreiche historische Skizze über die Verhältnisse Englands zu den kontinentalen Staaten zu schreiben. Statt dessen hat er eine englische Geschichte verfaßt, wozu er erst nach lang¬ jährigen, sehr ernsten Studien befähigt sein würde. „Hu in^ et en tous g.utres xrinees, yue oomru et hero^, eoimu an bien et an mal: car ils sont dommss eomms nous." Das schrieb Lommines von seinen Prinzen, eben weil er sie gekannt und weil er ihnen gedient hatte. Prof. R. hat aus den Tudors kolossalere Gestalten als Menschen gemacht, weil er sie nicht gekannt und weil er ihnen mehr ge¬ G. Bergenroth. dient hat. ''' , Die Ereignisse in Mittelitnlien seit dem Frieden von Villlifranca. -Und!'?NK!!7>«!' '7)j ' WjAl/M !!i ^ .'Xj^-'.-s. ikbi:s>«ji>L Alt77i7! S'^In 2. Mittelitalien, nach dem Frieden von Villafranca sich vorläufig mindestens äußerlich selbst überlassen und ungewiß, ob es nicht seine zufällig, ohne gro¬ ßes Zuthun seinerseits errungene Unabhängigkeit bald würde mit Waffenge¬ walt zu vertheidigen haben, fühlte vor allen Dingen das Bedürfniß einer militärischen Einigung. Von woher sollte der Angriff kommen, wenn die Mittelitalicner ihn nicht selbst begannen? Die Ueberzeugung schien sich im¬ mer fester zu stellen, daß Napoleon keine bewaffnete Intervention unternehmen werde, um die Fürsten zurückzuführen, die vor ihm selbst geflohen waren, und die Italiener zu entwaffnen, die sich eben auf seinen Ruf gewaffnet hatten; Grexzbotcn I. 1860 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/149>, abgerufen am 28.04.2024.