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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Die ÄMeMitchM,
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Ick Katechismus bel weiteck mehr bewandert als' unsre Großväter, fassen
wir in der Regel das Glaubenssystem unsrer großen Dichter und Philosophen
scharfer ins Auge, als es ick goldneck Zeitalter geschah: wir entdecken bel
Goethe, bei Lessing, bei' Kant, auch bei Schiller in dieser Beziehung ziemlich
bedeutende Blößen; und wenn wir auch nur selten so weit gehen, wegen starker
Äußerungen gege'ü das Christenthum den Werth dieser Männer geringer an¬
zuschlagen', so Me es doch für ein historisches Moment, das bei ihrer Schätzung
i" Betracht köMmt. das. je nachdeck wir uns selbst gegen die Kirche stellen,
alle Tadel. Bedauern oder Beifall angemerkt wird. Ihnen gegenüber findet
sich dann eine ganze Reihe von Schriftstellern, gewöhnlich die Giaubensphilo-
sophen genannt, die sich des Christenthums gegen sie annahmen und die man
daher ünde'sehens zu Freunden und Vorläufern unserer heutigen Rechtgläubig-
keit" stempeln mischte. Gereift ihnen das bei frommen Seelen zum Ruhm, so
hat es bei den Fortschrittsniünnern großes Aergerniß gegeben, und man hat
Hacöln. Lavater, Heim'cum'. Schlosser. Claudius, Stilling. Stolberg ü. s. w..
ohne zwischen i^ne'n einen großen Unterschied zu machen, als Obscuranten,
als Feinde der Freiheit und Aufklärung geächtet. Auf dieses Urtheil hat be-
söiide'rs Heiire' einen großen Einfluß gehabt, dessen Bilder und Vergleiche sich
dein Gedächtniß rasch einprägen. Bei näherm Zusehen findet man. daß es
sich hier nel Alß'erss verschiedene Physiognomien handelt und daß der Contrast
zrvische'n itzuen urit den heidnischen Pantheisten nicht so groß ist. als es zu¬
erst scheinen will. , Beide gingen keineswegs von einem fertigen Glaubens-
system aM. siel srlchte'n und forschten mit Ernst und Anstrengung, und wenn
ihre Forschung sie' auch auf sehr abweichende Wege lenkte, so kreuzten sich diese
doch oft genug, u'Ub es fand mitunter ein seltsamer Umtausch der Rollen statt.
So hält sich"' Herder ick ganzen als Panthcist und Naturgläubiger zu Goethe
und köickpft rin ihm gemeinsam gegen Jacobi. der von den, Gott Spinozas
nichts wissen' will; d'a'un aber regt sich in ihm zuweilen der an der Bibel aus¬
gewachsene und an Salbung gewöhnte Pfarrer, und er spricht sich bei weitem
Positiver aus als Jacobi. dessen Seynsucht nach dem Glauben ungleich stärker
ist als sein wirklicher Glaube.

ES war mit dem Heidenthum Goethes und Schillers, es war mit dem
Christenthum Lavaters. Jacobis und Hamans nicht so bedenklich. Jeder von
ihnen hat sehr verschieden Stadien durchgemacht und man kann den Lauf
ihres Denkens mit einer mehr oder minder excentrischen Ellipse vergleichen,


Grenzboten I. 1L00. °>
Die ÄMeMitchM,
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Ick Katechismus bel weiteck mehr bewandert als' unsre Großväter, fassen
wir in der Regel das Glaubenssystem unsrer großen Dichter und Philosophen
scharfer ins Auge, als es ick goldneck Zeitalter geschah: wir entdecken bel
Goethe, bei Lessing, bei' Kant, auch bei Schiller in dieser Beziehung ziemlich
bedeutende Blößen; und wenn wir auch nur selten so weit gehen, wegen starker
Äußerungen gege'ü das Christenthum den Werth dieser Männer geringer an¬
zuschlagen', so Me es doch für ein historisches Moment, das bei ihrer Schätzung
i» Betracht köMmt. das. je nachdeck wir uns selbst gegen die Kirche stellen,
alle Tadel. Bedauern oder Beifall angemerkt wird. Ihnen gegenüber findet
sich dann eine ganze Reihe von Schriftstellern, gewöhnlich die Giaubensphilo-
sophen genannt, die sich des Christenthums gegen sie annahmen und die man
daher ünde'sehens zu Freunden und Vorläufern unserer heutigen Rechtgläubig-
keit" stempeln mischte. Gereift ihnen das bei frommen Seelen zum Ruhm, so
hat es bei den Fortschrittsniünnern großes Aergerniß gegeben, und man hat
Hacöln. Lavater, Heim'cum'. Schlosser. Claudius, Stilling. Stolberg ü. s. w..
ohne zwischen i^ne'n einen großen Unterschied zu machen, als Obscuranten,
als Feinde der Freiheit und Aufklärung geächtet. Auf dieses Urtheil hat be-
söiide'rs Heiire' einen großen Einfluß gehabt, dessen Bilder und Vergleiche sich
dein Gedächtniß rasch einprägen. Bei näherm Zusehen findet man. daß es
sich hier nel Alß'erss verschiedene Physiognomien handelt und daß der Contrast
zrvische'n itzuen urit den heidnischen Pantheisten nicht so groß ist. als es zu¬
erst scheinen will. , Beide gingen keineswegs von einem fertigen Glaubens-
system aM. siel srlchte'n und forschten mit Ernst und Anstrengung, und wenn
ihre Forschung sie' auch auf sehr abweichende Wege lenkte, so kreuzten sich diese
doch oft genug, u'Ub es fand mitunter ein seltsamer Umtausch der Rollen statt.
So hält sich"' Herder ick ganzen als Panthcist und Naturgläubiger zu Goethe
und köickpft rin ihm gemeinsam gegen Jacobi. der von den, Gott Spinozas
nichts wissen' will; d'a'un aber regt sich in ihm zuweilen der an der Bibel aus¬
gewachsene und an Salbung gewöhnte Pfarrer, und er spricht sich bei weitem
Positiver aus als Jacobi. dessen Seynsucht nach dem Glauben ungleich stärker
ist als sein wirklicher Glaube.

ES war mit dem Heidenthum Goethes und Schillers, es war mit dem
Christenthum Lavaters. Jacobis und Hamans nicht so bedenklich. Jeder von
ihnen hat sehr verschieden Stadien durchgemacht und man kann den Lauf
ihres Denkens mit einer mehr oder minder excentrischen Ellipse vergleichen,


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[0021] Die ÄMeMitchM, !ii1a7i-!et t.' Ick Katechismus bel weiteck mehr bewandert als' unsre Großväter, fassen wir in der Regel das Glaubenssystem unsrer großen Dichter und Philosophen scharfer ins Auge, als es ick goldneck Zeitalter geschah: wir entdecken bel Goethe, bei Lessing, bei' Kant, auch bei Schiller in dieser Beziehung ziemlich bedeutende Blößen; und wenn wir auch nur selten so weit gehen, wegen starker Äußerungen gege'ü das Christenthum den Werth dieser Männer geringer an¬ zuschlagen', so Me es doch für ein historisches Moment, das bei ihrer Schätzung i» Betracht köMmt. das. je nachdeck wir uns selbst gegen die Kirche stellen, alle Tadel. Bedauern oder Beifall angemerkt wird. Ihnen gegenüber findet sich dann eine ganze Reihe von Schriftstellern, gewöhnlich die Giaubensphilo- sophen genannt, die sich des Christenthums gegen sie annahmen und die man daher ünde'sehens zu Freunden und Vorläufern unserer heutigen Rechtgläubig- keit" stempeln mischte. Gereift ihnen das bei frommen Seelen zum Ruhm, so hat es bei den Fortschrittsniünnern großes Aergerniß gegeben, und man hat Hacöln. Lavater, Heim'cum'. Schlosser. Claudius, Stilling. Stolberg ü. s. w.. ohne zwischen i^ne'n einen großen Unterschied zu machen, als Obscuranten, als Feinde der Freiheit und Aufklärung geächtet. Auf dieses Urtheil hat be- söiide'rs Heiire' einen großen Einfluß gehabt, dessen Bilder und Vergleiche sich dein Gedächtniß rasch einprägen. Bei näherm Zusehen findet man. daß es sich hier nel Alß'erss verschiedene Physiognomien handelt und daß der Contrast zrvische'n itzuen urit den heidnischen Pantheisten nicht so groß ist. als es zu¬ erst scheinen will. , Beide gingen keineswegs von einem fertigen Glaubens- system aM. siel srlchte'n und forschten mit Ernst und Anstrengung, und wenn ihre Forschung sie' auch auf sehr abweichende Wege lenkte, so kreuzten sich diese doch oft genug, u'Ub es fand mitunter ein seltsamer Umtausch der Rollen statt. So hält sich"' Herder ick ganzen als Panthcist und Naturgläubiger zu Goethe und köickpft rin ihm gemeinsam gegen Jacobi. der von den, Gott Spinozas nichts wissen' will; d'a'un aber regt sich in ihm zuweilen der an der Bibel aus¬ gewachsene und an Salbung gewöhnte Pfarrer, und er spricht sich bei weitem Positiver aus als Jacobi. dessen Seynsucht nach dem Glauben ungleich stärker ist als sein wirklicher Glaube. ES war mit dem Heidenthum Goethes und Schillers, es war mit dem Christenthum Lavaters. Jacobis und Hamans nicht so bedenklich. Jeder von ihnen hat sehr verschieden Stadien durchgemacht und man kann den Lauf ihres Denkens mit einer mehr oder minder excentrischen Ellipse vergleichen, Grenzboten I. 1L00. °>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/21>, abgerufen am 28.04.2024.