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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Napoleon und Victor Emanuel.

Ein vielgenanntes östreichisches Blatt gab sich jüngst das Ansehen, als
betrachte es das. was sich jetzt in Mittelitalien vollziehen zu wollen scheint,
die Erstarkung Sardiniens durch Einverleibung der vier mittclitalienischen Län¬
der, als ein Unglück und eine Strafe Napoleons, der nicht mehr hindern könne,
was er hindern wolle, im Interesse Frankreichs hindern müsse. Wir erlauben
uns. dieser Ansicht, welche kaum ernst gemeint sein möchte, im Nachstehenden
eine andere entgegenzustellen, die, wenn sie nicht in allen Einzelnheiten das
Rechte treffen, der Berechnung zu viel, dem Zufall zu wenig zuschreiben sollte,
auf alle Fälle mehr Berechtigung hat, als jene, die doch gar zu sehr wie ein
schlecht erfundener Trost aussieht.

Der Verfasser hat dieselbe der Bequemlichkeit wegen in die Form eines
Gesprächs gekleidet, welches er zwei Tage vor dem Waffenstillstand von Villa-
franca zwischen den beiden gegen Oestreich verbündeten Fürsten stattfinden läßt.
Wir erhielten über die geheimnißvolle Zusammenkunft zwischen den Kaisern
von Oestreich und Frankreich verschiedene Horcherberichte, die von manchem
geglaubt wurden. Das folgende Gespräch mag als glaubwürdigeres Seiten¬
stück zu diesen Mittheilungen gelten können. Es darf sich aus guter Quelle
geschöpft nennen. Es könnte in seinen Hauptzügen wirklich stattgefunden ha¬
ben. Der Verfasser macht keinen Anspruch darauf, hinter dem Vorhang gestan¬
den oder durch das Schlüsselloch geblickt zu haben, als Napoleon und Victor
Emanuel die letzte Zusammenkunft vor dem Tage von Villafranca hatten.
Aber die Ereignisse seitdem reden lauter als damals die beiden Fürsten.

Wir haben nicht nöthig daraus aufmerksam zu machen, daß der Verfasser
nicht in allen Beziehungen die Ueberzeugung haben kann, das, was er Na¬
poleon sagen läßt, drücke dessen volle und letzte Meinung aus.---

Kaiser Napoleon.

Willk
ommen in meinem Hauptquartier! Ich freue
mich um so mehr. Ew. Maj. zu sehen, da ich Sie nicht so früh erwartete.
Aber Sie scheinen etwas erhitzt und nicht heiter?


König Victor Emanuel.

Ich gestehe, daß Ihre Mittheilung mich
aufgeregt und zur Eile getrieben hat. Ew. Maj. wollen einen Waffenstillstand
schließen, um Friedensunterhandlungen anzuknüpfen. Wie können wir


Gre"zi>oder I. 1660. ZI
Napoleon und Victor Emanuel.

Ein vielgenanntes östreichisches Blatt gab sich jüngst das Ansehen, als
betrachte es das. was sich jetzt in Mittelitalien vollziehen zu wollen scheint,
die Erstarkung Sardiniens durch Einverleibung der vier mittclitalienischen Län¬
der, als ein Unglück und eine Strafe Napoleons, der nicht mehr hindern könne,
was er hindern wolle, im Interesse Frankreichs hindern müsse. Wir erlauben
uns. dieser Ansicht, welche kaum ernst gemeint sein möchte, im Nachstehenden
eine andere entgegenzustellen, die, wenn sie nicht in allen Einzelnheiten das
Rechte treffen, der Berechnung zu viel, dem Zufall zu wenig zuschreiben sollte,
auf alle Fälle mehr Berechtigung hat, als jene, die doch gar zu sehr wie ein
schlecht erfundener Trost aussieht.

Der Verfasser hat dieselbe der Bequemlichkeit wegen in die Form eines
Gesprächs gekleidet, welches er zwei Tage vor dem Waffenstillstand von Villa-
franca zwischen den beiden gegen Oestreich verbündeten Fürsten stattfinden läßt.
Wir erhielten über die geheimnißvolle Zusammenkunft zwischen den Kaisern
von Oestreich und Frankreich verschiedene Horcherberichte, die von manchem
geglaubt wurden. Das folgende Gespräch mag als glaubwürdigeres Seiten¬
stück zu diesen Mittheilungen gelten können. Es darf sich aus guter Quelle
geschöpft nennen. Es könnte in seinen Hauptzügen wirklich stattgefunden ha¬
ben. Der Verfasser macht keinen Anspruch darauf, hinter dem Vorhang gestan¬
den oder durch das Schlüsselloch geblickt zu haben, als Napoleon und Victor
Emanuel die letzte Zusammenkunft vor dem Tage von Villafranca hatten.
Aber die Ereignisse seitdem reden lauter als damals die beiden Fürsten.

Wir haben nicht nöthig daraus aufmerksam zu machen, daß der Verfasser
nicht in allen Beziehungen die Ueberzeugung haben kann, das, was er Na¬
poleon sagen läßt, drücke dessen volle und letzte Meinung aus.---

Kaiser Napoleon.

Willk
ommen in meinem Hauptquartier! Ich freue
mich um so mehr. Ew. Maj. zu sehen, da ich Sie nicht so früh erwartete.
Aber Sie scheinen etwas erhitzt und nicht heiter?


König Victor Emanuel.

Ich gestehe, daß Ihre Mittheilung mich
aufgeregt und zur Eile getrieben hat. Ew. Maj. wollen einen Waffenstillstand
schließen, um Friedensunterhandlungen anzuknüpfen. Wie können wir


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[0253] Napoleon und Victor Emanuel. Ein vielgenanntes östreichisches Blatt gab sich jüngst das Ansehen, als betrachte es das. was sich jetzt in Mittelitalien vollziehen zu wollen scheint, die Erstarkung Sardiniens durch Einverleibung der vier mittclitalienischen Län¬ der, als ein Unglück und eine Strafe Napoleons, der nicht mehr hindern könne, was er hindern wolle, im Interesse Frankreichs hindern müsse. Wir erlauben uns. dieser Ansicht, welche kaum ernst gemeint sein möchte, im Nachstehenden eine andere entgegenzustellen, die, wenn sie nicht in allen Einzelnheiten das Rechte treffen, der Berechnung zu viel, dem Zufall zu wenig zuschreiben sollte, auf alle Fälle mehr Berechtigung hat, als jene, die doch gar zu sehr wie ein schlecht erfundener Trost aussieht. Der Verfasser hat dieselbe der Bequemlichkeit wegen in die Form eines Gesprächs gekleidet, welches er zwei Tage vor dem Waffenstillstand von Villa- franca zwischen den beiden gegen Oestreich verbündeten Fürsten stattfinden läßt. Wir erhielten über die geheimnißvolle Zusammenkunft zwischen den Kaisern von Oestreich und Frankreich verschiedene Horcherberichte, die von manchem geglaubt wurden. Das folgende Gespräch mag als glaubwürdigeres Seiten¬ stück zu diesen Mittheilungen gelten können. Es darf sich aus guter Quelle geschöpft nennen. Es könnte in seinen Hauptzügen wirklich stattgefunden ha¬ ben. Der Verfasser macht keinen Anspruch darauf, hinter dem Vorhang gestan¬ den oder durch das Schlüsselloch geblickt zu haben, als Napoleon und Victor Emanuel die letzte Zusammenkunft vor dem Tage von Villafranca hatten. Aber die Ereignisse seitdem reden lauter als damals die beiden Fürsten. Wir haben nicht nöthig daraus aufmerksam zu machen, daß der Verfasser nicht in allen Beziehungen die Ueberzeugung haben kann, das, was er Na¬ poleon sagen läßt, drücke dessen volle und letzte Meinung aus.--- Kaiser Napoleon. Willk ommen in meinem Hauptquartier! Ich freue mich um so mehr. Ew. Maj. zu sehen, da ich Sie nicht so früh erwartete. Aber Sie scheinen etwas erhitzt und nicht heiter? König Victor Emanuel. Ich gestehe, daß Ihre Mittheilung mich aufgeregt und zur Eile getrieben hat. Ew. Maj. wollen einen Waffenstillstand schließen, um Friedensunterhandlungen anzuknüpfen. Wie können wir Gre»zi>oder I. 1660. ZI

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/253>, abgerufen am 29.04.2024.