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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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als es sich von selbst versteht, daß bei nicht zu erlangender Verständigung in
der Bundesversammlung über die Bundeswidrigkeit einer Bestimmung, dies'
der letzteren zu Gute kommen muh.

Kehrt der Bundestag auf diese Weise um und bricht mit der von ihm
selbst herausgeführten Revolution, alsdann, aber auch nur alsdann kann ihm
die Befugniß eingeräumt werden, zu prüfen, ob die neueren verfassungsän'
dernden Gesetze von 1848 und 1849 auf eine dem Art, 56 der W. sah. A.
und §. 153 der V>-U. von 1831 entsprechende Weise zu Stande gekommen
seien. Denn so lange er selbst den Art. 56 der W. sah. A. verletzt und bei¬
seite wirft, kann er unmöglich ihn gegen Andere zur Anwendung bringen.




Das tiroler Landesstatut.
Ans Tirol,

8. Februar. Als im Lenze des Jahres 1843 sich auch in Oestreich
das Bedürfniß einer Volksvertretung regte, sandte die Landesschutzdcputation in Inns¬
bruck zwei ihrer Mitglieder nach Wien mit der bescheidenes Bitte um Waffen, Geld
und Getreide. Sie versicherten, Tirol wünsche nichts anderes als die Gewährung
seiner alten Privilegien, die Wiedereinsetzung der Stände in ihre früheren Rechte,
und selbst damit wollten sie die Regierung nicht drängen. Einer dieser Abgeordneten,
Dr. Schuler aus Innsbruck, der im Vormärz als Liberaler verschrieen war, trat
kurz nachher als Kandidat für das frankfurter Parlament auf, und als er öffent¬
lich in der Versammlung der Wahlmänner vom innsbrucker Decan ins Eramen ge¬
nommen wurde, wie er wol bei der Frage über die Ansiedelung der Protestanten
und die Erbauung ihrer "Tempel" in Tirol .abstimmen werde, gelobte er feierlichen
Protest dagegen einzulegen, worauf der Decan mancher Bedenken ohngeachtet seine
katholische Gesinnung so weit erprobt fand, als noth that. Der Doctor hielt in
Frankfurt getreulich Wort, er stimmte nicht nur stets mit den geistlichen Herren aus
Tirol, sondern theilte mit ihnen sogar Tisch und Wohnung. Ueber die geringe Be¬
achtung, die seine Worte bei den deutschen Männern fanden, mißlaunig, kehrte er
im Herbst in seine Heimat zurück, wo er den im October einberufenen Landtag als
dessen Biccpräsidcnt leitete. Zweifelsohne war er hier wehr an seinem Platze als in
Frankfurt, sein Eifer für die Sonderstellung Tirols gewann ihm namentlich unter
dem Clerus viele Herzen. Die rechte Zeit für ihn war aber erst dann gekommen,
als die kaiserlichen Erlasse vom 31. December 1351 das Interim des constitutionellen
Regiments aufhoben, da legte er in die "tiroler Schützenzcitung", ein vom Clerus
besonders hochgehaltenes Blatt, seine "tirolischen Gedanken", nieder, welche die Poli-


Grenzboten I. 1860. 45

als es sich von selbst versteht, daß bei nicht zu erlangender Verständigung in
der Bundesversammlung über die Bundeswidrigkeit einer Bestimmung, dies'
der letzteren zu Gute kommen muh.

Kehrt der Bundestag auf diese Weise um und bricht mit der von ihm
selbst herausgeführten Revolution, alsdann, aber auch nur alsdann kann ihm
die Befugniß eingeräumt werden, zu prüfen, ob die neueren verfassungsän'
dernden Gesetze von 1848 und 1849 auf eine dem Art, 56 der W. sah. A.
und §. 153 der V>-U. von 1831 entsprechende Weise zu Stande gekommen
seien. Denn so lange er selbst den Art. 56 der W. sah. A. verletzt und bei¬
seite wirft, kann er unmöglich ihn gegen Andere zur Anwendung bringen.




Das tiroler Landesstatut.
Ans Tirol,

8. Februar. Als im Lenze des Jahres 1843 sich auch in Oestreich
das Bedürfniß einer Volksvertretung regte, sandte die Landesschutzdcputation in Inns¬
bruck zwei ihrer Mitglieder nach Wien mit der bescheidenes Bitte um Waffen, Geld
und Getreide. Sie versicherten, Tirol wünsche nichts anderes als die Gewährung
seiner alten Privilegien, die Wiedereinsetzung der Stände in ihre früheren Rechte,
und selbst damit wollten sie die Regierung nicht drängen. Einer dieser Abgeordneten,
Dr. Schuler aus Innsbruck, der im Vormärz als Liberaler verschrieen war, trat
kurz nachher als Kandidat für das frankfurter Parlament auf, und als er öffent¬
lich in der Versammlung der Wahlmänner vom innsbrucker Decan ins Eramen ge¬
nommen wurde, wie er wol bei der Frage über die Ansiedelung der Protestanten
und die Erbauung ihrer „Tempel" in Tirol .abstimmen werde, gelobte er feierlichen
Protest dagegen einzulegen, worauf der Decan mancher Bedenken ohngeachtet seine
katholische Gesinnung so weit erprobt fand, als noth that. Der Doctor hielt in
Frankfurt getreulich Wort, er stimmte nicht nur stets mit den geistlichen Herren aus
Tirol, sondern theilte mit ihnen sogar Tisch und Wohnung. Ueber die geringe Be¬
achtung, die seine Worte bei den deutschen Männern fanden, mißlaunig, kehrte er
im Herbst in seine Heimat zurück, wo er den im October einberufenen Landtag als
dessen Biccpräsidcnt leitete. Zweifelsohne war er hier wehr an seinem Platze als in
Frankfurt, sein Eifer für die Sonderstellung Tirols gewann ihm namentlich unter
dem Clerus viele Herzen. Die rechte Zeit für ihn war aber erst dann gekommen,
als die kaiserlichen Erlasse vom 31. December 1351 das Interim des constitutionellen
Regiments aufhoben, da legte er in die „tiroler Schützenzcitung", ein vom Clerus
besonders hochgehaltenes Blatt, seine „tirolischen Gedanken", nieder, welche die Poli-


Grenzboten I. 1860. 45
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/365>, abgerufen am 29.04.2024.