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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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mitzutheilen, das dieser 1801 an F. H. Jacobi richtete. "Es war acht Jahre
lang hier alles drunter und drüber gegangen wie in einer Bauernschenke, einem
Saufgelage, wo einer den andern überschreit, eine Prügelei die andere ablöst.
Da trat Bonaparte mit seinein Holla! aus. Holla! rief er, und nur ein Holla
machte er. Sein erstes war, alle Lichter aufzublasen. Er brachte keine Ent¬
scheidung, sondern nur ein Ende aller Fragen. Gleichviel, schrie er, Freiheit
oder keine Freiheit! Religion oder keine Religion! Moral oder keine Moral!
es ist alles einerlei; libsrte <ZgMt^! Dabei bleibt es, und daß jetzt nur keiner
mehr das Maul darüber aufthue und sich anders rühre, als man ihn heißt;
denn wie es nun ist, so sollte es werden und so muß es bleiben!" -- So ist
es immer gewesen, so wird es immer sein; darum ist es zweckmäßiger, nicht
gleich zu dem verzweifelten Mittel der Revolution zu greifen, damit es den
"guten Bürgern" nicht wie Goethes Zauberlehrling gehe, der den Besen nicht
I. S. wieder los werden kann. --




Von der preußischen Grenze.

"Ein ganzes Jahr lang warm Winde und Wolken gekommen und gegangen
das unaufhörliche Wirten der Zeit war in Sturm und Sonnenschein sichtbar ge¬
wesen. Ein ganzes Jahr lang hatte die Fluth irdischen Wechsels die vorgeschriebene
Richtung verfolgt. Ein ganzes Jahr lang hatte das berühmte Haus Dom bey u.
Sohn um sein Bestehen gekämpft gegen widrige Zufälle, böse Gerüchte, erfolglose
Speculationen, schlechte Zeiten und hauptsächlich gegen die Verblendung seines Haupts,
das die Unternehmungen nicht um ein Haar breit einschränken, auf
kein Wort der Warnung hören wollte, daß das Schiff, mit dem es, dem Sturm
trotzte, gebrechlich sei."

"Das Jahr war vorüber und das große Hau,s war gefallen. An einem Sommcr-
nachmittag steckten die Leute auf der Börse die Köpfe zusammen und sprachen von
einem großen Bankerott." --

Wie kommt dieses Citat aus einem Roman von Dickens in eine politische Be¬
trachtung? --

Vor einem Jahr hatte der nun verstorbene Freiherr von Andrian eine Denk¬
schrift über die Verfassungs- und Verwältungsfrage in Oestreich verfaßt, die nun
aus seinem Nachlaß abgedruckt worden ist (Leipzig, Hasset). Die Schrift wendet
sehr starke Farben an, aber sie gibt viel zu denken. Andrian beschreibt die Schwierig¬
keit oder Unmöglichkeit, auf dem am 14. März 1849 eingeschlagenen Wege zu regie¬
ren. "Erst wenn alle diese Schwierigkeiten überwunden sind, wird an die Lösung
der Finanzfrage gedacht werden können, mag diese "auch noch so dringend, noch so
unaufschiebbar sein. Bis dahin ist alles, was von der Negierung zu diesem Ende


mitzutheilen, das dieser 1801 an F. H. Jacobi richtete. „Es war acht Jahre
lang hier alles drunter und drüber gegangen wie in einer Bauernschenke, einem
Saufgelage, wo einer den andern überschreit, eine Prügelei die andere ablöst.
Da trat Bonaparte mit seinein Holla! aus. Holla! rief er, und nur ein Holla
machte er. Sein erstes war, alle Lichter aufzublasen. Er brachte keine Ent¬
scheidung, sondern nur ein Ende aller Fragen. Gleichviel, schrie er, Freiheit
oder keine Freiheit! Religion oder keine Religion! Moral oder keine Moral!
es ist alles einerlei; libsrte <ZgMt^! Dabei bleibt es, und daß jetzt nur keiner
mehr das Maul darüber aufthue und sich anders rühre, als man ihn heißt;
denn wie es nun ist, so sollte es werden und so muß es bleiben!" — So ist
es immer gewesen, so wird es immer sein; darum ist es zweckmäßiger, nicht
gleich zu dem verzweifelten Mittel der Revolution zu greifen, damit es den
„guten Bürgern" nicht wie Goethes Zauberlehrling gehe, der den Besen nicht
I. S. wieder los werden kann. —




Von der preußischen Grenze.

„Ein ganzes Jahr lang warm Winde und Wolken gekommen und gegangen
das unaufhörliche Wirten der Zeit war in Sturm und Sonnenschein sichtbar ge¬
wesen. Ein ganzes Jahr lang hatte die Fluth irdischen Wechsels die vorgeschriebene
Richtung verfolgt. Ein ganzes Jahr lang hatte das berühmte Haus Dom bey u.
Sohn um sein Bestehen gekämpft gegen widrige Zufälle, böse Gerüchte, erfolglose
Speculationen, schlechte Zeiten und hauptsächlich gegen die Verblendung seines Haupts,
das die Unternehmungen nicht um ein Haar breit einschränken, auf
kein Wort der Warnung hören wollte, daß das Schiff, mit dem es, dem Sturm
trotzte, gebrechlich sei."

„Das Jahr war vorüber und das große Hau,s war gefallen. An einem Sommcr-
nachmittag steckten die Leute auf der Börse die Köpfe zusammen und sprachen von
einem großen Bankerott." —

Wie kommt dieses Citat aus einem Roman von Dickens in eine politische Be¬
trachtung? —

Vor einem Jahr hatte der nun verstorbene Freiherr von Andrian eine Denk¬
schrift über die Verfassungs- und Verwältungsfrage in Oestreich verfaßt, die nun
aus seinem Nachlaß abgedruckt worden ist (Leipzig, Hasset). Die Schrift wendet
sehr starke Farben an, aber sie gibt viel zu denken. Andrian beschreibt die Schwierig¬
keit oder Unmöglichkeit, auf dem am 14. März 1849 eingeschlagenen Wege zu regie¬
ren. „Erst wenn alle diese Schwierigkeiten überwunden sind, wird an die Lösung
der Finanzfrage gedacht werden können, mag diese "auch noch so dringend, noch so
unaufschiebbar sein. Bis dahin ist alles, was von der Negierung zu diesem Ende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/88>, abgerufen am 28.04.2024.