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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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immer drohender kommen sieht, ist vielleicht das wunderbarste Zeugniß für seine
Verblendung. Möge es in Zeiten zu der Erkenntniß kommen, daß es sich um
Sein und Nichtsein handelt, und daß kein Opfer zu groß ist, wenn es gilt,
sich Preußen und Deutschland zum treuen Bundesgenossen zu machen. -- Die
Kriegsverfassung, wie Preußen sie beansprucht, hat es abgelehnt; Preußen
wird auch nicht darauf bestehn, es wird und muß mehr fordern: eine Ein¬
richtung nämlich, wie sie in der Mitte des vorigen Jahres als provisorisch
beantragt war, bis der östreichische Antrag ihr entgegentrat, permanent zu
machen. Eine ernste Verständigung mit Bayern aber müßte diesem Antrag
1-1- vorausgchn.




Reuchlin's Geschichte Italiens.
, ^i^'^

Der Einfluß der Julirevolution, der sich in Belgien und Polen so mäch¬
tig kund gab, mußte auf einem so unterhöhlten Boden wie Italien tiefgreifende
Wirkung äußern, um so mehr als die französischen Liberalen die Befreiung
der unterdrückten Nationen verkündeten und die eine Regierung wenigstens
das Princip der Nichtintervention aussprach, welches den Metternichschen
Grundsätzen gegenüber den Staaten das Recht zusicherte, ihre innern An¬
gelegenheiten selbständig zu entscheiden. Es war diesmal der Kirchenstaat,
welcher der Schauplatz der Bewegung ward, indem Verschworn? den Tod
Pius des Achten (30. Nov. 1830) zu benutzen suchten, um sich der Engels¬
burg zu bemächtigen. Der Handstreich scheiterte aber an dem Mangel eines
festen Planes, es fehlte jede nationale Ausfassung, die napoleonische Färbung,
welche die Sache durch die Betheiligung von Napoleon und Ludwig Bona¬
parte erhielt, machte jedes Gelingen unmöglich. Ernsthafter ward der Auf¬
stand in den Legationen und Marken, der sich von Bologna reißend schnell
verbreitete, in 14 Tagen waren vier Fünftheile des Kirchenstaates abgefallen
und erklärten durch Abgeordnete ihre vollständige Befreiung von der welt¬
lichen Herrschaft der Päpste. Parma und Modena folgten der Bewegung.
Aber was vermochte die begeistertste Erhebung eines Landstriches gegen ein
östreichisches Heer? Frankreich hatte das Princip der Nichtintervention aufgc-


immer drohender kommen sieht, ist vielleicht das wunderbarste Zeugniß für seine
Verblendung. Möge es in Zeiten zu der Erkenntniß kommen, daß es sich um
Sein und Nichtsein handelt, und daß kein Opfer zu groß ist, wenn es gilt,
sich Preußen und Deutschland zum treuen Bundesgenossen zu machen. — Die
Kriegsverfassung, wie Preußen sie beansprucht, hat es abgelehnt; Preußen
wird auch nicht darauf bestehn, es wird und muß mehr fordern: eine Ein¬
richtung nämlich, wie sie in der Mitte des vorigen Jahres als provisorisch
beantragt war, bis der östreichische Antrag ihr entgegentrat, permanent zu
machen. Eine ernste Verständigung mit Bayern aber müßte diesem Antrag
1-1- vorausgchn.




Reuchlin's Geschichte Italiens.
, ^i^'^

Der Einfluß der Julirevolution, der sich in Belgien und Polen so mäch¬
tig kund gab, mußte auf einem so unterhöhlten Boden wie Italien tiefgreifende
Wirkung äußern, um so mehr als die französischen Liberalen die Befreiung
der unterdrückten Nationen verkündeten und die eine Regierung wenigstens
das Princip der Nichtintervention aussprach, welches den Metternichschen
Grundsätzen gegenüber den Staaten das Recht zusicherte, ihre innern An¬
gelegenheiten selbständig zu entscheiden. Es war diesmal der Kirchenstaat,
welcher der Schauplatz der Bewegung ward, indem Verschworn? den Tod
Pius des Achten (30. Nov. 1830) zu benutzen suchten, um sich der Engels¬
burg zu bemächtigen. Der Handstreich scheiterte aber an dem Mangel eines
festen Planes, es fehlte jede nationale Ausfassung, die napoleonische Färbung,
welche die Sache durch die Betheiligung von Napoleon und Ludwig Bona¬
parte erhielt, machte jedes Gelingen unmöglich. Ernsthafter ward der Auf¬
stand in den Legationen und Marken, der sich von Bologna reißend schnell
verbreitete, in 14 Tagen waren vier Fünftheile des Kirchenstaates abgefallen
und erklärten durch Abgeordnete ihre vollständige Befreiung von der welt¬
lichen Herrschaft der Päpste. Parma und Modena folgten der Bewegung.
Aber was vermochte die begeistertste Erhebung eines Landstriches gegen ein
östreichisches Heer? Frankreich hatte das Princip der Nichtintervention aufgc-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/140>, abgerufen am 30.04.2024.