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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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welcher eine wohlwollende Förderung der Einheit Italiens ausdrückt, jeden
Act aber mit Trauer und Mißtrauen betrachten, welcher solche Einigung auf¬
zuhalten bestimmt ist.

Allerdings ist der Kampf, welcher jetzt in Italien geführt wird, erst der
Anfang einer schweren Zeit für die Halbinsel. Selbst wenn eine Einigung
unter Victor Emanuel gegen alle innern und nußern Gegner durchgesetzt
wird, ist schwer abzusehen, woher Piemont den großen Ueberschuß von intel-
lectueller und administrativer Kraft nehmen soll, um den ungeheuern Zuwachs
zu regieren, der sich seiner größeren Hälfte nach in einem Zustande der äußersten
politischen Demoralisation befindet. Und dieser Kampf selbst! Im günstigsten
Fall wird sein Schluß ein erbitterter Krieg zwischen dem neuen Italien und
Oestreich sein, und Oestreich ist trotz allem der militärisch überlegene Gegner. Aber
ein Volk, welches einig und frei werden will, bedarf, so scheint es uns. eine
Heidenzeit patriotischer Kämpfe, welche auch die schwache und indolente Ma¬
jorität heftig aufrütteln und an die Stelle des Enthusiasmus eine härtere,
dauerhafte Kraft setzen. Eine solche Periode des kriegerischen Hcraufarbeitens
und AbHärtens haben auch Völker vom germanischen Stamm durchmachen
müssen, die Schweizer, die Niederländer, die Preußen Friedrich des Großen
-- alle gegen das Haus Habsburg!

Jene furchtbare, entscheidende Probe sür die italienische Tüchtigkeit steht
noch bevor, wir Deutsche werden dabei nicht ihre Bundesgenossen sein, denn
wir haben auch alte Pflichten gegen die Deutschen Oestreichs, welche dem Prin¬
cip ihrer Negierung folgend gegen die Italiener in Waffen stehn. Aber wir
werden mit bangem Antheil auf einen Kampf blicken, bei welchem unsere
Sympathien getheilt sein müssen, und wir werden, wenn wir weise handeln,
jede Gelegenheit benutzen, vermittelnd und versöhnend einen solchen Kampf
zu dem Ende zu führen, welches den höchsten Interessen Deutschlands und
H Preußens entspricht.




Ein Bild aus dem deutschen Hofleben.
1680.

In der Zeit nach dem westfälischen Frieden fand allmälig eine völlige
Umgestaltung des Lebens und der Sitte an den deutschen Höhen statt, die bis


welcher eine wohlwollende Förderung der Einheit Italiens ausdrückt, jeden
Act aber mit Trauer und Mißtrauen betrachten, welcher solche Einigung auf¬
zuhalten bestimmt ist.

Allerdings ist der Kampf, welcher jetzt in Italien geführt wird, erst der
Anfang einer schweren Zeit für die Halbinsel. Selbst wenn eine Einigung
unter Victor Emanuel gegen alle innern und nußern Gegner durchgesetzt
wird, ist schwer abzusehen, woher Piemont den großen Ueberschuß von intel-
lectueller und administrativer Kraft nehmen soll, um den ungeheuern Zuwachs
zu regieren, der sich seiner größeren Hälfte nach in einem Zustande der äußersten
politischen Demoralisation befindet. Und dieser Kampf selbst! Im günstigsten
Fall wird sein Schluß ein erbitterter Krieg zwischen dem neuen Italien und
Oestreich sein, und Oestreich ist trotz allem der militärisch überlegene Gegner. Aber
ein Volk, welches einig und frei werden will, bedarf, so scheint es uns. eine
Heidenzeit patriotischer Kämpfe, welche auch die schwache und indolente Ma¬
jorität heftig aufrütteln und an die Stelle des Enthusiasmus eine härtere,
dauerhafte Kraft setzen. Eine solche Periode des kriegerischen Hcraufarbeitens
und AbHärtens haben auch Völker vom germanischen Stamm durchmachen
müssen, die Schweizer, die Niederländer, die Preußen Friedrich des Großen
— alle gegen das Haus Habsburg!

Jene furchtbare, entscheidende Probe sür die italienische Tüchtigkeit steht
noch bevor, wir Deutsche werden dabei nicht ihre Bundesgenossen sein, denn
wir haben auch alte Pflichten gegen die Deutschen Oestreichs, welche dem Prin¬
cip ihrer Negierung folgend gegen die Italiener in Waffen stehn. Aber wir
werden mit bangem Antheil auf einen Kampf blicken, bei welchem unsere
Sympathien getheilt sein müssen, und wir werden, wenn wir weise handeln,
jede Gelegenheit benutzen, vermittelnd und versöhnend einen solchen Kampf
zu dem Ende zu führen, welches den höchsten Interessen Deutschlands und
H Preußens entspricht.




Ein Bild aus dem deutschen Hofleben.
1680.

In der Zeit nach dem westfälischen Frieden fand allmälig eine völlige
Umgestaltung des Lebens und der Sitte an den deutschen Höhen statt, die bis


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[0342] welcher eine wohlwollende Förderung der Einheit Italiens ausdrückt, jeden Act aber mit Trauer und Mißtrauen betrachten, welcher solche Einigung auf¬ zuhalten bestimmt ist. Allerdings ist der Kampf, welcher jetzt in Italien geführt wird, erst der Anfang einer schweren Zeit für die Halbinsel. Selbst wenn eine Einigung unter Victor Emanuel gegen alle innern und nußern Gegner durchgesetzt wird, ist schwer abzusehen, woher Piemont den großen Ueberschuß von intel- lectueller und administrativer Kraft nehmen soll, um den ungeheuern Zuwachs zu regieren, der sich seiner größeren Hälfte nach in einem Zustande der äußersten politischen Demoralisation befindet. Und dieser Kampf selbst! Im günstigsten Fall wird sein Schluß ein erbitterter Krieg zwischen dem neuen Italien und Oestreich sein, und Oestreich ist trotz allem der militärisch überlegene Gegner. Aber ein Volk, welches einig und frei werden will, bedarf, so scheint es uns. eine Heidenzeit patriotischer Kämpfe, welche auch die schwache und indolente Ma¬ jorität heftig aufrütteln und an die Stelle des Enthusiasmus eine härtere, dauerhafte Kraft setzen. Eine solche Periode des kriegerischen Hcraufarbeitens und AbHärtens haben auch Völker vom germanischen Stamm durchmachen müssen, die Schweizer, die Niederländer, die Preußen Friedrich des Großen — alle gegen das Haus Habsburg! Jene furchtbare, entscheidende Probe sür die italienische Tüchtigkeit steht noch bevor, wir Deutsche werden dabei nicht ihre Bundesgenossen sein, denn wir haben auch alte Pflichten gegen die Deutschen Oestreichs, welche dem Prin¬ cip ihrer Negierung folgend gegen die Italiener in Waffen stehn. Aber wir werden mit bangem Antheil auf einen Kampf blicken, bei welchem unsere Sympathien getheilt sein müssen, und wir werden, wenn wir weise handeln, jede Gelegenheit benutzen, vermittelnd und versöhnend einen solchen Kampf zu dem Ende zu führen, welches den höchsten Interessen Deutschlands und H Preußens entspricht. Ein Bild aus dem deutschen Hofleben. 1680. In der Zeit nach dem westfälischen Frieden fand allmälig eine völlige Umgestaltung des Lebens und der Sitte an den deutschen Höhen statt, die bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/342>, abgerufen am 01.05.2024.