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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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an Rechtsstaat, bürgerliche Freiheit. Selbstverwaltung nicht zu denken; die
Herrschaft des Stocks wäre me einzig mögliche und darum unvermeidliche.
So ist es aber nicht. Weder in Baden noch in Preußen hat bei den letzten
Wahlen die Ochlokratie auch nur eine einzige Stimme erhalten. Mag sie
hier und dort ein Schmutzblatt drucken lassen, so gereicht doch höchstens sein
Lob dem Gepriesenen zur Schande, und könnte dem etwa unschuldig Gelob¬
ten Anlaß geben, sich solche Mißhandlung zu verbitten.




Der Tod des Prinz-Gemahls von England.

Im blühenden Alter ist ein Fürst geschieden, von deutschem Blut, Vater
und Ahnherr der künftigen Könige von Preußen und England, er selbst der
Regent Englands in den letzten zwanzig Jahren eines großen . Gedeihens und
großer Gefahren.

Es war ein öffentliches Geheimniß, welches auszusprechen Stolz und
Vorurtheil der Engländer sich sträubte, daß er der Staatsmann war, dessen
Politik die höchsten Geschicke des Staates so weit bestimmte, als das König¬
thum in England dieselben in der Gegenwart überhaupt zu leiten vermag,
d. h. weit mehr, als solche meinen, welche nach den Debatten der Häuser
und den Reden der Parteiführer den Gang der Staatsgeschäfte in dem Insel-
reich beurtheilen. Erst dem Verstorbenen gegenüber findet der rühmende
Nachruf großer englischer Blätter warmen Ausdruck für die Dankbarkeit,
welche ihm ein großes Reich seit zwei Jahrzehnten schuldet; die deutschen
Blätter waren in ihrer Würdigung eines Landsmannes stets ehrlicher und
unbefangener.

Als der Prinz in seiner Jugend aus einem kleinen Herzogthum Deutsch¬
lands nach England übersiedelte, wurde er von den Insulanern, deren Bullis¬
mus damals noch um mehre Grade roher war, als jetzt, mit einer Kälte
aufgenommen, welche an Abneigung grenzte. Endlos waren die Carricaturen,
in denen er als Bruder Studio abgebildet wurde, der eine Bande lang-
mähniger Teutonen mit dicken Meerschaumköpsen in das reiche England führte,
als armer Abenteurer, der guten Engländern das Brod vor dem Munde weg¬
nahm, als deutscher Prinz, der nichts hat und nichts kann, und von dem


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an Rechtsstaat, bürgerliche Freiheit. Selbstverwaltung nicht zu denken; die
Herrschaft des Stocks wäre me einzig mögliche und darum unvermeidliche.
So ist es aber nicht. Weder in Baden noch in Preußen hat bei den letzten
Wahlen die Ochlokratie auch nur eine einzige Stimme erhalten. Mag sie
hier und dort ein Schmutzblatt drucken lassen, so gereicht doch höchstens sein
Lob dem Gepriesenen zur Schande, und könnte dem etwa unschuldig Gelob¬
ten Anlaß geben, sich solche Mißhandlung zu verbitten.




Der Tod des Prinz-Gemahls von England.

Im blühenden Alter ist ein Fürst geschieden, von deutschem Blut, Vater
und Ahnherr der künftigen Könige von Preußen und England, er selbst der
Regent Englands in den letzten zwanzig Jahren eines großen . Gedeihens und
großer Gefahren.

Es war ein öffentliches Geheimniß, welches auszusprechen Stolz und
Vorurtheil der Engländer sich sträubte, daß er der Staatsmann war, dessen
Politik die höchsten Geschicke des Staates so weit bestimmte, als das König¬
thum in England dieselben in der Gegenwart überhaupt zu leiten vermag,
d. h. weit mehr, als solche meinen, welche nach den Debatten der Häuser
und den Reden der Parteiführer den Gang der Staatsgeschäfte in dem Insel-
reich beurtheilen. Erst dem Verstorbenen gegenüber findet der rühmende
Nachruf großer englischer Blätter warmen Ausdruck für die Dankbarkeit,
welche ihm ein großes Reich seit zwei Jahrzehnten schuldet; die deutschen
Blätter waren in ihrer Würdigung eines Landsmannes stets ehrlicher und
unbefangener.

Als der Prinz in seiner Jugend aus einem kleinen Herzogthum Deutsch¬
lands nach England übersiedelte, wurde er von den Insulanern, deren Bullis¬
mus damals noch um mehre Grade roher war, als jetzt, mit einer Kälte
aufgenommen, welche an Abneigung grenzte. Endlos waren die Carricaturen,
in denen er als Bruder Studio abgebildet wurde, der eine Bande lang-
mähniger Teutonen mit dicken Meerschaumköpsen in das reiche England führte,
als armer Abenteurer, der guten Engländern das Brod vor dem Munde weg¬
nahm, als deutscher Prinz, der nichts hat und nichts kann, und von dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/517>, abgerufen am 26.04.2024.