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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Glücke berauscht ist, in einem civilisirten Lande Hausen zu dürfen. Auch
ernstern Geistern gegenüber war seine Stellung eine schwierige, denn Hoch¬
muth und Abneigung der Engländer gegen Alles, was vom Festland kam,
waren damals nach sehr groß. Und sür ihn selbst, der ni immerhin engen
Verhältnissen aufgewachsen war, mochte es nicht leicht werden, dem hochfah¬
renden Adel, ja auch dem imponirenden Leben dieses Weltreichs gegenüber
immer die sichere Haltung zu bewahren.

Es war sein erstes Verdienst, daß er diese Seite seuier neuen Stellung
so gut faßte. Nicht wenig unterstützte ihn dabei seine Persönlichkeit. Er
war von weicher Empfindung und wo er liebte, von großer Herzenswärme, aber
er gehörte zu den Männern, weiche mit einer gewissen Aengstlichkeit, was sie
bewegt und erhebt, der Welt zu verbergen suchen, nur im engen Kreise des
Hauses schloß er sich auf, "ach außen war er von früher Jugend bemüht ge¬
wesen, in Form und Etiquette des Hofes sich gleichmäßig und in sicherer Über¬
legenheit darzustellen. Immer hatte er strenge sich selbst beobachtet, Haltung
und Wort gegen Fremde waren gemessen, langsam, überlegt. Das gab
dem jungen Fürsten, der damals für ein Musterbild männlicher Schönheit
galt, zuweilen etwas Steifes, es brachte ihn leicht in den Ruf des abschlie¬
ßenden Stolzes. Für England paßte solche Anlage vortrefflich. Er hat in
kurzer Zeit verstanden, der hochmüthigsten Anmaßung den Dämpfer kalter
Würde entgegen zu setzen, und bevor noch die Tüchtigkeit seines Wesens sich
Achtung erzwungen hatte, erhielt, wer von Engländern in seine Nähe kam,
Respect vor einer Haltung, welche noch exclusiver aussah, als die des stolzesten der
Briten. Wohl ist es möglich, daß die lange Gewöhnung an diese Form noch
in späteren Jahren dazu beigetragen hat, ihm den Schein kühler Zurückhaltung
auch da zu geben, wo er ein offenes menschliches Empfinden aussprach.

Er war von durchdringendem Scharfsinn und fand als ächter Deutscher
besondere Freude an der Dialektik einer ernsten Debatte und an lehrhafter Unter¬
haltung. Er war ferner von unbestechlicher Wahrheitsliebe und leicht erwärmt
von großen Ideen. So liebte er in der Unterhaltung und in Geschäften von
der Erscheinung aus den Grund der Dinge, von den Thatsachen auf die be¬
lebenden Ideen hinabzusteigen, und ruhig, klar, mit logischer Präcision zu ent¬
wickeln und darzustellen. Häufig war er bei dieser Methode seiner Bildung
den englischen Staatsmännern überlegen, terna es in der Regel auf die Rich¬
tigkeit ihrer Beweise und die Präcision ihrer Folgerungen wenig ankam, wenn
sie nur damit erreichten, was ihnen gerade am Herzen lag. Sie waren bald
gezwungen, die Ueberlegenheit des Prinzen bei allen Erörterungen anzuer¬
kennen, aber sie empfanden ihm gegenüber vielleicht zuweilen ihre größere
Gewandtheit und Energie, den Willen in die That umzusetzen. Dieser Gegen¬
satz, der in der Jugend des Prinzen bemerkbarer gewesen sein muß, auch noch


Glücke berauscht ist, in einem civilisirten Lande Hausen zu dürfen. Auch
ernstern Geistern gegenüber war seine Stellung eine schwierige, denn Hoch¬
muth und Abneigung der Engländer gegen Alles, was vom Festland kam,
waren damals nach sehr groß. Und sür ihn selbst, der ni immerhin engen
Verhältnissen aufgewachsen war, mochte es nicht leicht werden, dem hochfah¬
renden Adel, ja auch dem imponirenden Leben dieses Weltreichs gegenüber
immer die sichere Haltung zu bewahren.

Es war sein erstes Verdienst, daß er diese Seite seuier neuen Stellung
so gut faßte. Nicht wenig unterstützte ihn dabei seine Persönlichkeit. Er
war von weicher Empfindung und wo er liebte, von großer Herzenswärme, aber
er gehörte zu den Männern, weiche mit einer gewissen Aengstlichkeit, was sie
bewegt und erhebt, der Welt zu verbergen suchen, nur im engen Kreise des
Hauses schloß er sich auf, »ach außen war er von früher Jugend bemüht ge¬
wesen, in Form und Etiquette des Hofes sich gleichmäßig und in sicherer Über¬
legenheit darzustellen. Immer hatte er strenge sich selbst beobachtet, Haltung
und Wort gegen Fremde waren gemessen, langsam, überlegt. Das gab
dem jungen Fürsten, der damals für ein Musterbild männlicher Schönheit
galt, zuweilen etwas Steifes, es brachte ihn leicht in den Ruf des abschlie¬
ßenden Stolzes. Für England paßte solche Anlage vortrefflich. Er hat in
kurzer Zeit verstanden, der hochmüthigsten Anmaßung den Dämpfer kalter
Würde entgegen zu setzen, und bevor noch die Tüchtigkeit seines Wesens sich
Achtung erzwungen hatte, erhielt, wer von Engländern in seine Nähe kam,
Respect vor einer Haltung, welche noch exclusiver aussah, als die des stolzesten der
Briten. Wohl ist es möglich, daß die lange Gewöhnung an diese Form noch
in späteren Jahren dazu beigetragen hat, ihm den Schein kühler Zurückhaltung
auch da zu geben, wo er ein offenes menschliches Empfinden aussprach.

Er war von durchdringendem Scharfsinn und fand als ächter Deutscher
besondere Freude an der Dialektik einer ernsten Debatte und an lehrhafter Unter¬
haltung. Er war ferner von unbestechlicher Wahrheitsliebe und leicht erwärmt
von großen Ideen. So liebte er in der Unterhaltung und in Geschäften von
der Erscheinung aus den Grund der Dinge, von den Thatsachen auf die be¬
lebenden Ideen hinabzusteigen, und ruhig, klar, mit logischer Präcision zu ent¬
wickeln und darzustellen. Häufig war er bei dieser Methode seiner Bildung
den englischen Staatsmännern überlegen, terna es in der Regel auf die Rich¬
tigkeit ihrer Beweise und die Präcision ihrer Folgerungen wenig ankam, wenn
sie nur damit erreichten, was ihnen gerade am Herzen lag. Sie waren bald
gezwungen, die Ueberlegenheit des Prinzen bei allen Erörterungen anzuer¬
kennen, aber sie empfanden ihm gegenüber vielleicht zuweilen ihre größere
Gewandtheit und Energie, den Willen in die That umzusetzen. Dieser Gegen¬
satz, der in der Jugend des Prinzen bemerkbarer gewesen sein muß, auch noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/518>, abgerufen am 06.05.2024.