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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Noch in einem dritten Punkte hat der Verein diesmal nicht weniger als früher
Maß bewiesen, indem er nämlich den Weimarer Beschluß, der alle vctroyirten Ver¬
fassungen Deutschlands in Frage stellt, nur in Bezug auf Mecklenburg sich aneig¬
nete, in welchem Bezüge bekanntlich sogar Hr. v. Gagern gegen jenen Beschluß
nichts einzuwenden hatte. Es ist jedenfalls besser, die verfügbaren Kräfte auf
den schwächsten Punkt in der Linie des Feindes zu concentriren, als auf zehn
Punkten gleichzeitig anzugreifen. Allerdings aber ist auch in dem Weimarer
Beschluß im Allgemeinen mehr Drohung und Warnung, als wirklicher Angriff
enthalten, und der Nationalverein hat demselben eine ganz entsprechende An¬
wendung gegeben, indem er den Kampf um die Wiederherstellung des mecklen¬
burgischen Staatsgrundgesetzes für eine nationale und nicht blos parlamen¬
tarische, sondern populäre Angelegenheit erklärte.

In diesem Unterschiede "parlamentarisch" und "populär" ist überhaupt die
Rechtfertigung des Ncbcncinanderfvrtbestehcns von Abgeordnctentag und
Nationalverein enthalten. Bennigsen verglich sie in seiner Eröffnungsrede' dem
Staatenhause und dem Volkshaufe eines Parlaments, und wir denken, die
Vergleichung hinkt nicht übertrieben. Ist dem aber so, so darf das Vvlkshaus
auch als seine Prärogative die erste Ergreifung "euer und kühner Maßregeln
in Anspruch nehmen, zumal wenn es so viel Bürgschaften wie der Nationalverein
gewährt, daß seiner Entschlossenheit die Besonnenheit niemals fehlen werde.


K


General Wilhelm von Willisen.
Nach Auszügen aus den Tagebüchern desselben.
1.

Die nachfolgenden Mittheilungen aus dem Leben eines Mannes, der in
den Jahren der Bewegung von 1848 bis 1850 wiederholt Stellungen bekleidete,
welche für Preußen und Deutschland von nicht gewöhnlicher Bedeutung waren,
beanspruchen um so mehr Beachtung, als sie zwar nicht ihrer Form, aber ihrem
ganzen Inhalt nach den Charakter einer Selbstbiographie tragen. Die
fragmentarischen Aufzeichnungen, denen sie entnommen sind, wurden, ursprünglich
nur als ErinnerungsblSttcr für die Familie des Generals niedergeschrieben,
von uns lediglich gekürzt, verbunden und theilweise in objective Rede, über-


Noch in einem dritten Punkte hat der Verein diesmal nicht weniger als früher
Maß bewiesen, indem er nämlich den Weimarer Beschluß, der alle vctroyirten Ver¬
fassungen Deutschlands in Frage stellt, nur in Bezug auf Mecklenburg sich aneig¬
nete, in welchem Bezüge bekanntlich sogar Hr. v. Gagern gegen jenen Beschluß
nichts einzuwenden hatte. Es ist jedenfalls besser, die verfügbaren Kräfte auf
den schwächsten Punkt in der Linie des Feindes zu concentriren, als auf zehn
Punkten gleichzeitig anzugreifen. Allerdings aber ist auch in dem Weimarer
Beschluß im Allgemeinen mehr Drohung und Warnung, als wirklicher Angriff
enthalten, und der Nationalverein hat demselben eine ganz entsprechende An¬
wendung gegeben, indem er den Kampf um die Wiederherstellung des mecklen¬
burgischen Staatsgrundgesetzes für eine nationale und nicht blos parlamen¬
tarische, sondern populäre Angelegenheit erklärte.

In diesem Unterschiede „parlamentarisch" und „populär" ist überhaupt die
Rechtfertigung des Ncbcncinanderfvrtbestehcns von Abgeordnctentag und
Nationalverein enthalten. Bennigsen verglich sie in seiner Eröffnungsrede' dem
Staatenhause und dem Volkshaufe eines Parlaments, und wir denken, die
Vergleichung hinkt nicht übertrieben. Ist dem aber so, so darf das Vvlkshaus
auch als seine Prärogative die erste Ergreifung »euer und kühner Maßregeln
in Anspruch nehmen, zumal wenn es so viel Bürgschaften wie der Nationalverein
gewährt, daß seiner Entschlossenheit die Besonnenheit niemals fehlen werde.


K


General Wilhelm von Willisen.
Nach Auszügen aus den Tagebüchern desselben.
1.

Die nachfolgenden Mittheilungen aus dem Leben eines Mannes, der in
den Jahren der Bewegung von 1848 bis 1850 wiederholt Stellungen bekleidete,
welche für Preußen und Deutschland von nicht gewöhnlicher Bedeutung waren,
beanspruchen um so mehr Beachtung, als sie zwar nicht ihrer Form, aber ihrem
ganzen Inhalt nach den Charakter einer Selbstbiographie tragen. Die
fragmentarischen Aufzeichnungen, denen sie entnommen sind, wurden, ursprünglich
nur als ErinnerungsblSttcr für die Familie des Generals niedergeschrieben,
von uns lediglich gekürzt, verbunden und theilweise in objective Rede, über-


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[0132] Noch in einem dritten Punkte hat der Verein diesmal nicht weniger als früher Maß bewiesen, indem er nämlich den Weimarer Beschluß, der alle vctroyirten Ver¬ fassungen Deutschlands in Frage stellt, nur in Bezug auf Mecklenburg sich aneig¬ nete, in welchem Bezüge bekanntlich sogar Hr. v. Gagern gegen jenen Beschluß nichts einzuwenden hatte. Es ist jedenfalls besser, die verfügbaren Kräfte auf den schwächsten Punkt in der Linie des Feindes zu concentriren, als auf zehn Punkten gleichzeitig anzugreifen. Allerdings aber ist auch in dem Weimarer Beschluß im Allgemeinen mehr Drohung und Warnung, als wirklicher Angriff enthalten, und der Nationalverein hat demselben eine ganz entsprechende An¬ wendung gegeben, indem er den Kampf um die Wiederherstellung des mecklen¬ burgischen Staatsgrundgesetzes für eine nationale und nicht blos parlamen¬ tarische, sondern populäre Angelegenheit erklärte. In diesem Unterschiede „parlamentarisch" und „populär" ist überhaupt die Rechtfertigung des Ncbcncinanderfvrtbestehcns von Abgeordnctentag und Nationalverein enthalten. Bennigsen verglich sie in seiner Eröffnungsrede' dem Staatenhause und dem Volkshaufe eines Parlaments, und wir denken, die Vergleichung hinkt nicht übertrieben. Ist dem aber so, so darf das Vvlkshaus auch als seine Prärogative die erste Ergreifung »euer und kühner Maßregeln in Anspruch nehmen, zumal wenn es so viel Bürgschaften wie der Nationalverein gewährt, daß seiner Entschlossenheit die Besonnenheit niemals fehlen werde. K General Wilhelm von Willisen. Nach Auszügen aus den Tagebüchern desselben. 1. Die nachfolgenden Mittheilungen aus dem Leben eines Mannes, der in den Jahren der Bewegung von 1848 bis 1850 wiederholt Stellungen bekleidete, welche für Preußen und Deutschland von nicht gewöhnlicher Bedeutung waren, beanspruchen um so mehr Beachtung, als sie zwar nicht ihrer Form, aber ihrem ganzen Inhalt nach den Charakter einer Selbstbiographie tragen. Die fragmentarischen Aufzeichnungen, denen sie entnommen sind, wurden, ursprünglich nur als ErinnerungsblSttcr für die Familie des Generals niedergeschrieben, von uns lediglich gekürzt, verbunden und theilweise in objective Rede, über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/132>, abgerufen am 28.04.2024.