Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.tragen. Wo wir von den darin ausgesprochenen Ansichten abweichen, wurde Wenn es überraschen kann, daß die Veröffentlichung mancher hier behan¬ "Es gibt aber," so fährt das Schreiben, welches die Uebersendung der So viel im Allgemeinen. Einen besondern äußern Grund für uns. jetzt tragen. Wo wir von den darin ausgesprochenen Ansichten abweichen, wurde Wenn es überraschen kann, daß die Veröffentlichung mancher hier behan¬ „Es gibt aber," so fährt das Schreiben, welches die Uebersendung der So viel im Allgemeinen. Einen besondern äußern Grund für uns. jetzt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114989"/> <p xml:id="ID_420" prev="#ID_419"> tragen. Wo wir von den darin ausgesprochenen Ansichten abweichen, wurde<lb/> unser Standpunkt außerhalb des Textes kurz.angedeutet.</p><lb/> <p xml:id="ID_421"> Wenn es überraschen kann, daß die Veröffentlichung mancher hier behan¬<lb/> delten Borfälle schon jetzt erfolgt, so meint der Verfasser der Tagebuchsblättcr<lb/> dem entgegen behaupten zu können, daß sie nichts enthalten, was nicht ohne<lb/> Bedenken schon unter Lebenden gesagt werden dürfte. „In meiner Lage," so<lb/> schreibt er uns mit der Erlaubniß, davon Gebrauch zu machen, „ist ja schon<lb/> jetzt Alles, was ich sage, nur wie eine Art Nachlaß zu betrachten. Es werden<lb/> Dinge besprochen, die, wie die Todten, bereits der Geschichte angehören. Was<lb/> mich zurückhalten könnte, wäre entweder mein Selbstgefühl — es dürfte wie<lb/> ein Wunsch mich zu rechtfertigen gedeutet werden — oder die Besorgnis;, der<lb/> Haß der Partei möchte über den Todtgeglaubten, der wieder ein Lebenszeichen<lb/> von sich gibt> von Neuem entbrennen. Beide Bedenklichkeiten habe ich über¬<lb/> wunden, die erste freilich viel schwerer und zuletzt nur durch den Gedanken,<lb/> daß es Pflicht eines jeden ist, den nun einmal das Glück oder das Unglück<lb/> eine öffentliche Rolle spielen ließ, sich, seine innerste Gesinnung und sein Han¬<lb/> deln so früh offen vor jedermanns Urtheil hinzustellen. daß sich ein falsches<lb/> Bild von ihm nicht erst völlig geschichtlich festsetzen kann."</p><lb/> <p xml:id="ID_422"> „Es gibt aber," so fährt das Schreiben, welches die Uebersendung der<lb/> Tagebuchsblätter begleitete, fort, „noch eine andere Betrachtung, welche jedem,<lb/> der für die Nachwelt ctmaö von und über sich zu sagen hat, die Verpflichtung<lb/> auflegt, dies noch bei Lebzeiten zu sagen. Nirgends so leicht, als wenn 'wir<lb/> nur für die Nachwelt schreiben, tritt der Versucher hinter uns und raunt uns<lb/> ins Ohr: was im Angesicht des Todes geschrieben, müsse wohl jeder glauben.<lb/> Wie man den Lebenden oft hart beurtheile und ungerecht verfolge, so übe<lb/> man gegen den Todten meist großmüthige Billigkeit. Selbstlosigkeit und Wahr¬<lb/> heitsliebe lassen sich von solchen Rücksichten nicht bestimmen. Der Lebende hat<lb/> Widerspruch und Zurechtweisung von den Mitlebenden zu befürchten, und er<lb/> kann darauf antworten. Wer also um der Wahrheit willen schreibt, sollte nur<lb/> bei seinem Leben damit hervortreten."</p><lb/> <p xml:id="ID_423" next="#ID_424"> So viel im Allgemeinen. Einen besondern äußern Grund für uns. jetzt<lb/> schon an die Veröffentlichung dieser Erinnerungen zu gehen, fanden wir in<lb/> verschiedenen neuen literarischen Erscheinungen, in denen der Wirksamkeit des<lb/> Generals v. Willisen in einer Weise gedacht ist, die einer billigen Beurtheilung<lb/> nicht entspricht und im Interesse einer zukünftigen Geschichtschreibung widerlegt<lb/> werden muß. namentlich in dem Baudissinischen Buche über den schleswig¬<lb/> holsteinischen Krieg, welches zwar an sich keine besondere Bedeutung beansprucht<lb/> und schwerlich jemals als Geschichtsquelle benutzt werden wird, aber immerhin<lb/> wegen der Beziehungen, in denen sein Verfasser zu einer gewissen hohen Per¬<lb/> sönlichkeit zu stehen scheint, Einen oder den Andern verleiten kann, mehr grünt-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
tragen. Wo wir von den darin ausgesprochenen Ansichten abweichen, wurde
unser Standpunkt außerhalb des Textes kurz.angedeutet.
Wenn es überraschen kann, daß die Veröffentlichung mancher hier behan¬
delten Borfälle schon jetzt erfolgt, so meint der Verfasser der Tagebuchsblättcr
dem entgegen behaupten zu können, daß sie nichts enthalten, was nicht ohne
Bedenken schon unter Lebenden gesagt werden dürfte. „In meiner Lage," so
schreibt er uns mit der Erlaubniß, davon Gebrauch zu machen, „ist ja schon
jetzt Alles, was ich sage, nur wie eine Art Nachlaß zu betrachten. Es werden
Dinge besprochen, die, wie die Todten, bereits der Geschichte angehören. Was
mich zurückhalten könnte, wäre entweder mein Selbstgefühl — es dürfte wie
ein Wunsch mich zu rechtfertigen gedeutet werden — oder die Besorgnis;, der
Haß der Partei möchte über den Todtgeglaubten, der wieder ein Lebenszeichen
von sich gibt> von Neuem entbrennen. Beide Bedenklichkeiten habe ich über¬
wunden, die erste freilich viel schwerer und zuletzt nur durch den Gedanken,
daß es Pflicht eines jeden ist, den nun einmal das Glück oder das Unglück
eine öffentliche Rolle spielen ließ, sich, seine innerste Gesinnung und sein Han¬
deln so früh offen vor jedermanns Urtheil hinzustellen. daß sich ein falsches
Bild von ihm nicht erst völlig geschichtlich festsetzen kann."
„Es gibt aber," so fährt das Schreiben, welches die Uebersendung der
Tagebuchsblätter begleitete, fort, „noch eine andere Betrachtung, welche jedem,
der für die Nachwelt ctmaö von und über sich zu sagen hat, die Verpflichtung
auflegt, dies noch bei Lebzeiten zu sagen. Nirgends so leicht, als wenn 'wir
nur für die Nachwelt schreiben, tritt der Versucher hinter uns und raunt uns
ins Ohr: was im Angesicht des Todes geschrieben, müsse wohl jeder glauben.
Wie man den Lebenden oft hart beurtheile und ungerecht verfolge, so übe
man gegen den Todten meist großmüthige Billigkeit. Selbstlosigkeit und Wahr¬
heitsliebe lassen sich von solchen Rücksichten nicht bestimmen. Der Lebende hat
Widerspruch und Zurechtweisung von den Mitlebenden zu befürchten, und er
kann darauf antworten. Wer also um der Wahrheit willen schreibt, sollte nur
bei seinem Leben damit hervortreten."
So viel im Allgemeinen. Einen besondern äußern Grund für uns. jetzt
schon an die Veröffentlichung dieser Erinnerungen zu gehen, fanden wir in
verschiedenen neuen literarischen Erscheinungen, in denen der Wirksamkeit des
Generals v. Willisen in einer Weise gedacht ist, die einer billigen Beurtheilung
nicht entspricht und im Interesse einer zukünftigen Geschichtschreibung widerlegt
werden muß. namentlich in dem Baudissinischen Buche über den schleswig¬
holsteinischen Krieg, welches zwar an sich keine besondere Bedeutung beansprucht
und schwerlich jemals als Geschichtsquelle benutzt werden wird, aber immerhin
wegen der Beziehungen, in denen sein Verfasser zu einer gewissen hohen Per¬
sönlichkeit zu stehen scheint, Einen oder den Andern verleiten kann, mehr grünt-
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