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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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gab oder sich durch ein paar feurige Reden hinreißen ließ, als sie die Adoption
der Reichsverfassung so eindellig votirte, zeigen zur Genüge ihre sonstigen Be¬
schlüsse. Wir wollen es ihr nicht zu einem besonderen Verdienst anrechnen, daß
sie den frivolen Antrag von Wex aus Hamburg und Genossen auf Zurückforde-
rung der nach Berlin gesandten Flottengelder in eine Art Von verächtlicher
Abwendung begrub. Aber es ist immerhin etwas, wenn sie durch ihren Bei¬
fall Miauöls (des Berichterstatters) muthige Meinung adoptirte, daß man zwar
die Sendungen nach Berlin auch ferner unterlassen, die Sammlungen aber fort¬
setzen müsse, um ihren Ertrag demnächst einer liberalen preußischen Regierung
von Neuem zuzuweisen. Weiter ließ sich gewiß nicht gehen. Der National¬
verein konnte seine freiwilligen Beiträge nicht einem Ministerium ausliefern, dem
seine eignen Genossen im Lande selbst sogar jeden Theil von den Steuern für
den in Rede stehenden Zweck verweigerten. Ob das preußische Abgeordneten¬
haus damit recht gehandelt, ist eine Frage, welche der hier gefaßte Beschluß
nicht im Entferntesten entschieden hat. Die Meisten werden wohl verneinender
Ansicht gewesen sein.

Ein nicht geringeres Zeugniß von Mäßigung und politischer Vernunft
legte die Behandlung der Militärfrage ab. Der Ausschuß hatte einen Antrag
entworfen, der noch Innrer den entsprechenden Beschlüssen verschiedener volks-
wirthschaftlicher Congresse zurückblieb und in' der That unter liberalen Leuten
an sich kaum einen Gegner finden wird. Mit seinem Inhalt war denn auch
Niemand sei es im Ausschuß, sei es in der Versammlung sonderlich unzufrieden.
Wohl aber meinten Politiker, wie v. Bennigsen, Brater, v. Nochau, Planck,
Miquöl und Adolf Seeger, es sei verkehrt, die Thätigkeit des Vereins zu zer¬
splittern, seine Feinde zu vermehren und seine Freunde vielleicht zu mindern
durch die Theilnahme an einer bis jetzt vorwiegend theoretischen Agitation, deren
praktisches Interesse für den Verein obendrein begrenzt und bedingt ist. Als daher
der Literat Bürgers aus Köln (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen
Landgerichtsrath) seine revolutionären Hintergedanken halb enthüllt und wohl¬
meinend gewarnt hatte, man möge nicht durch Beseitigung dieses Antrags im
Volke Zweifel an der Art der dereinst beabsichtigten "Action" erwecken, sondern
dreist zugestehen, daß die Abschaffung der stehenden Heere eine Vorbedingung für
die Ausführung der Reichsverfassung sei, da griff der Ausschuß ein und legte
sein Gewicht für eine motivirte Tagesordnung in die Wagschale. Das Ergeb¬
niß war, daß Hr. Bürgers mit einer kleinen Schaar von Anhängern allein blieb.
Seine leidenschaftliche und wohlklingende Beredtsamkeit hatte, wie verdient, eine
gewisse Anzahl der Hörer zu schallendem Beifall hingerissen; aber es war hin¬
länglich charakteristisch, daß die Ausschußwahleu den bisherigen Stamm ein¬
stimmig wiederherstellten und auf den radicalen Rheinländer nur zwei oder
drei Stimmen sielen.


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gab oder sich durch ein paar feurige Reden hinreißen ließ, als sie die Adoption
der Reichsverfassung so eindellig votirte, zeigen zur Genüge ihre sonstigen Be¬
schlüsse. Wir wollen es ihr nicht zu einem besonderen Verdienst anrechnen, daß
sie den frivolen Antrag von Wex aus Hamburg und Genossen auf Zurückforde-
rung der nach Berlin gesandten Flottengelder in eine Art Von verächtlicher
Abwendung begrub. Aber es ist immerhin etwas, wenn sie durch ihren Bei¬
fall Miauöls (des Berichterstatters) muthige Meinung adoptirte, daß man zwar
die Sendungen nach Berlin auch ferner unterlassen, die Sammlungen aber fort¬
setzen müsse, um ihren Ertrag demnächst einer liberalen preußischen Regierung
von Neuem zuzuweisen. Weiter ließ sich gewiß nicht gehen. Der National¬
verein konnte seine freiwilligen Beiträge nicht einem Ministerium ausliefern, dem
seine eignen Genossen im Lande selbst sogar jeden Theil von den Steuern für
den in Rede stehenden Zweck verweigerten. Ob das preußische Abgeordneten¬
haus damit recht gehandelt, ist eine Frage, welche der hier gefaßte Beschluß
nicht im Entferntesten entschieden hat. Die Meisten werden wohl verneinender
Ansicht gewesen sein.

Ein nicht geringeres Zeugniß von Mäßigung und politischer Vernunft
legte die Behandlung der Militärfrage ab. Der Ausschuß hatte einen Antrag
entworfen, der noch Innrer den entsprechenden Beschlüssen verschiedener volks-
wirthschaftlicher Congresse zurückblieb und in' der That unter liberalen Leuten
an sich kaum einen Gegner finden wird. Mit seinem Inhalt war denn auch
Niemand sei es im Ausschuß, sei es in der Versammlung sonderlich unzufrieden.
Wohl aber meinten Politiker, wie v. Bennigsen, Brater, v. Nochau, Planck,
Miquöl und Adolf Seeger, es sei verkehrt, die Thätigkeit des Vereins zu zer¬
splittern, seine Feinde zu vermehren und seine Freunde vielleicht zu mindern
durch die Theilnahme an einer bis jetzt vorwiegend theoretischen Agitation, deren
praktisches Interesse für den Verein obendrein begrenzt und bedingt ist. Als daher
der Literat Bürgers aus Köln (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen
Landgerichtsrath) seine revolutionären Hintergedanken halb enthüllt und wohl¬
meinend gewarnt hatte, man möge nicht durch Beseitigung dieses Antrags im
Volke Zweifel an der Art der dereinst beabsichtigten „Action" erwecken, sondern
dreist zugestehen, daß die Abschaffung der stehenden Heere eine Vorbedingung für
die Ausführung der Reichsverfassung sei, da griff der Ausschuß ein und legte
sein Gewicht für eine motivirte Tagesordnung in die Wagschale. Das Ergeb¬
niß war, daß Hr. Bürgers mit einer kleinen Schaar von Anhängern allein blieb.
Seine leidenschaftliche und wohlklingende Beredtsamkeit hatte, wie verdient, eine
gewisse Anzahl der Hörer zu schallendem Beifall hingerissen; aber es war hin¬
länglich charakteristisch, daß die Ausschußwahleu den bisherigen Stamm ein¬
stimmig wiederherstellten und auf den radicalen Rheinländer nur zwei oder
drei Stimmen sielen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/131>, abgerufen am 14.05.2024.