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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Alle diese Vorgänge aber haben die Nothwendigkeit nahe gelegt, die schwä¬
bische Fortschrittspartei auf Grund des nationalen Programms neu zu organi-
siren und zu diesem Zweck in einiger Zeit eine Landesversammlung zu be¬
rufen, ähnlicher derjenigen, welche im vorigen Jahr für den Beitritt zum
Nationalverein sich ausgesprochen hat. Das würtenbergische Volk wird dann,
wie nicht zu zweifeln ist, seine laute Zustimmung den Männern ertheilen, welche
zu dem Tag in Weimar mitgewirkt und den Zusammenhang Schwabens mit
den nationalen Bestrebungen des Vaterlandes aufs neue dargethan und be¬
festigt haben. >




Nach den Wahlen im GroßherzliaHnm Hessen.

Die zweite Kammer, welche ehestens in Darmstadt zusammentreten wird,
ist berufen, die politische Physiognomie ihres Landes namentlich für Fern¬
stehende vollständig umzuwandeln. Wie nahm sich, vom deutschen Standpunkt
ab betrachtet, das Großherzogthum Hessen bisher aus? Es war eine der todten
Gegenden des Vaterlandes. Ohne daß über ihm, wie über Sachsen, Baden
und der Pfalz, der Wüstenwind einer blutig triumphirenden Reaction dahin-
gesahren wäre, lag es lange Zeit vollkommen so erstarrt da wie Baden, bevor
ein glücklicher Wechsel in den Anschauungen des Herrschers ihm wenigstens auf
der Oberfläche neues gesundes Leben gab, wie Sachsen vor der letzten Session
der Stände und wie die Pfalz vor der jüngst eingetretenen Gefahr für den
Bestand des Zollvereins. Ein einziger Mann, der Advocat Metz, hatte seit
1850 in hervorragender Weise an den Bewegungen der Zeit theilgenommen;
aber während er Deutschland unleugbar große Dienste leistete, schien ihm die
Belebung seines Heimathlandes kaum gelingen zu wollen. Die unabhängige
Bevölkerung verharrte in jener negativen Stimmung, die während der Jahre
1859 und 60 fast in allen deutschen Kleinstaaten grassirte: sie erklärte sich un¬
ter vier Augen für "reif zur Annexion" oder "zur Revolution", aber dachte
nicht daran, daß es ihr beschicken sein könne, für die Verbesserung ihrer und
der allgemeinen vaterländischen Zustände selber den Anstoß zu geben und die


Alle diese Vorgänge aber haben die Nothwendigkeit nahe gelegt, die schwä¬
bische Fortschrittspartei auf Grund des nationalen Programms neu zu organi-
siren und zu diesem Zweck in einiger Zeit eine Landesversammlung zu be¬
rufen, ähnlicher derjenigen, welche im vorigen Jahr für den Beitritt zum
Nationalverein sich ausgesprochen hat. Das würtenbergische Volk wird dann,
wie nicht zu zweifeln ist, seine laute Zustimmung den Männern ertheilen, welche
zu dem Tag in Weimar mitgewirkt und den Zusammenhang Schwabens mit
den nationalen Bestrebungen des Vaterlandes aufs neue dargethan und be¬
festigt haben. >




Nach den Wahlen im GroßherzliaHnm Hessen.

Die zweite Kammer, welche ehestens in Darmstadt zusammentreten wird,
ist berufen, die politische Physiognomie ihres Landes namentlich für Fern¬
stehende vollständig umzuwandeln. Wie nahm sich, vom deutschen Standpunkt
ab betrachtet, das Großherzogthum Hessen bisher aus? Es war eine der todten
Gegenden des Vaterlandes. Ohne daß über ihm, wie über Sachsen, Baden
und der Pfalz, der Wüstenwind einer blutig triumphirenden Reaction dahin-
gesahren wäre, lag es lange Zeit vollkommen so erstarrt da wie Baden, bevor
ein glücklicher Wechsel in den Anschauungen des Herrschers ihm wenigstens auf
der Oberfläche neues gesundes Leben gab, wie Sachsen vor der letzten Session
der Stände und wie die Pfalz vor der jüngst eingetretenen Gefahr für den
Bestand des Zollvereins. Ein einziger Mann, der Advocat Metz, hatte seit
1850 in hervorragender Weise an den Bewegungen der Zeit theilgenommen;
aber während er Deutschland unleugbar große Dienste leistete, schien ihm die
Belebung seines Heimathlandes kaum gelingen zu wollen. Die unabhängige
Bevölkerung verharrte in jener negativen Stimmung, die während der Jahre
1859 und 60 fast in allen deutschen Kleinstaaten grassirte: sie erklärte sich un¬
ter vier Augen für „reif zur Annexion" oder „zur Revolution", aber dachte
nicht daran, daß es ihr beschicken sein könne, für die Verbesserung ihrer und
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[0175] Alle diese Vorgänge aber haben die Nothwendigkeit nahe gelegt, die schwä¬ bische Fortschrittspartei auf Grund des nationalen Programms neu zu organi- siren und zu diesem Zweck in einiger Zeit eine Landesversammlung zu be¬ rufen, ähnlicher derjenigen, welche im vorigen Jahr für den Beitritt zum Nationalverein sich ausgesprochen hat. Das würtenbergische Volk wird dann, wie nicht zu zweifeln ist, seine laute Zustimmung den Männern ertheilen, welche zu dem Tag in Weimar mitgewirkt und den Zusammenhang Schwabens mit den nationalen Bestrebungen des Vaterlandes aufs neue dargethan und be¬ festigt haben. > Nach den Wahlen im GroßherzliaHnm Hessen. Die zweite Kammer, welche ehestens in Darmstadt zusammentreten wird, ist berufen, die politische Physiognomie ihres Landes namentlich für Fern¬ stehende vollständig umzuwandeln. Wie nahm sich, vom deutschen Standpunkt ab betrachtet, das Großherzogthum Hessen bisher aus? Es war eine der todten Gegenden des Vaterlandes. Ohne daß über ihm, wie über Sachsen, Baden und der Pfalz, der Wüstenwind einer blutig triumphirenden Reaction dahin- gesahren wäre, lag es lange Zeit vollkommen so erstarrt da wie Baden, bevor ein glücklicher Wechsel in den Anschauungen des Herrschers ihm wenigstens auf der Oberfläche neues gesundes Leben gab, wie Sachsen vor der letzten Session der Stände und wie die Pfalz vor der jüngst eingetretenen Gefahr für den Bestand des Zollvereins. Ein einziger Mann, der Advocat Metz, hatte seit 1850 in hervorragender Weise an den Bewegungen der Zeit theilgenommen; aber während er Deutschland unleugbar große Dienste leistete, schien ihm die Belebung seines Heimathlandes kaum gelingen zu wollen. Die unabhängige Bevölkerung verharrte in jener negativen Stimmung, die während der Jahre 1859 und 60 fast in allen deutschen Kleinstaaten grassirte: sie erklärte sich un¬ ter vier Augen für „reif zur Annexion" oder „zur Revolution", aber dachte nicht daran, daß es ihr beschicken sein könne, für die Verbesserung ihrer und der allgemeinen vaterländischen Zustände selber den Anstoß zu geben und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/175>, abgerufen am 28.04.2024.