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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Moritz Mo si gilt seit lange für eins der angesehensten Mitglieder der
demokratischen Partei, obwohl er im Grunde immer seinen eigenen Weg ging
und wenigstens einer Parteidisciplin sich nie unterwarf, er gilt in Volkswirth-
schaftlichen Angelegenheiten für eine der ersten Kapacitäten des Landes, obwohl
er gerade in diesen Fragen zuweilen eine außerordentliche Befangenheit an den Tag
gelegt hat. Seine Unabhängigkeit von der Regierung hat er mehrfach durch^die That
erwiesen, sein aufrichtiges patriotisches Pathos wird ebenso wenig in Zweifel ge¬
zogen als seine erstaunliche Arbeitskraft und sein eiserner Eifer in Verfolgung
seiner Ueberzeugung. Aber mit diesen eminenten Eigenschaften verbindet er zugleich
so obstinate Idiosynkrasien, die er mit demselben Fanatismus versieht wie die
wohlberechtigten Forderungen des Volkes, daß er mehr denn einmal die Ver¬
legenheit der Partei geworden ist, zu der man ihn rechnet. Die hartnäckigste
dieser Idiosynkrasien ist ein leidenschaftlicher Preußenhaß, den man auf persön¬
liche Erfahrungen zurückführt, und den Vor Allem der Abschluß des deutsch¬
französischen Handelsvertrags gegenwärtig zur hell lodernden Flamme angefacht
hat. Wohl war er es hauptsächlich, der durch seine Abmahnungen das Nicht¬
erscheinen der Oestreicher in Weimar veranlaßt hat, er ist es, der nun Arm in
Arm mit seinem Gegner Freiherrn von Varnbühler für die Frankfurter Gegen¬
demonstration aufs eifrigste agitirt. Unabhängig wie >er ist, wird er zwar auch
dort seine eigene Stellung nehmen, und wie man hört, entschieden das Project
der Delegirtenversammlung bekämpfen. Aber die Hauptsache ist ihm die gro߬
deutsche, antipreußische Demonstration, die dort ins Werk gesetzt werden soll,
und für die er eine Anzahl Demokraten, die gleich ihm aus Haß gegen Preußen
nicht nach Weimar gegangen sind, zu gewinnen suchte. Daran lag nun frei¬
lich wenig, daß einige Demokraten nach Frankfurt gingen, und wenn sie mit
dem andern Extrem dort gemeinsame Sache gegen die Nationalpartei machen
wollten, so war das ihre Sache. Aber es entstand die Gefahr, daß im eigenen
Lager der schwäbischen Fortschrittspartei aufs neue ein Zwiespalt ausbrach, der
ihre Kraft schwächen mußte, und dies gerade in einem Augenblick, in welchem
die Mehrheit sich soeben für das nationale Programm entschieden hatte. Nun
kann auch diese Gefahr als beseitigt gelten. Diejenigen, welche theils in eigen¬
sinniger Selbstgefälligkeit, theils auch vielleicht mit dem Hintergedanken, der
großdeutschen Versammlung ein demokratisches Kukuksei in das Nest zu legen,
nach Weimar geschickt hatten, mußten sich überzeugen, daß sie ihre Stellung
in der demokratischen Partei, ja ihre ganze politische Stellung im engeren
Vaterland damit aufs Spiel gesetzt hätten. Außer M. Mohl, den die Partei
übrigens zum längsten als einen der Ihrigen betrachtet haben dürfte, wird
kein populärer Mann aus Schwaben in Frankfurt erscheinen, und Freiherr von
Varnbühler wird sich auf die Mitwirkung der großdeutschen Konservativen, viel¬
leicht der Ultramontanen beschränkt sehen.


Moritz Mo si gilt seit lange für eins der angesehensten Mitglieder der
demokratischen Partei, obwohl er im Grunde immer seinen eigenen Weg ging
und wenigstens einer Parteidisciplin sich nie unterwarf, er gilt in Volkswirth-
schaftlichen Angelegenheiten für eine der ersten Kapacitäten des Landes, obwohl
er gerade in diesen Fragen zuweilen eine außerordentliche Befangenheit an den Tag
gelegt hat. Seine Unabhängigkeit von der Regierung hat er mehrfach durch^die That
erwiesen, sein aufrichtiges patriotisches Pathos wird ebenso wenig in Zweifel ge¬
zogen als seine erstaunliche Arbeitskraft und sein eiserner Eifer in Verfolgung
seiner Ueberzeugung. Aber mit diesen eminenten Eigenschaften verbindet er zugleich
so obstinate Idiosynkrasien, die er mit demselben Fanatismus versieht wie die
wohlberechtigten Forderungen des Volkes, daß er mehr denn einmal die Ver¬
legenheit der Partei geworden ist, zu der man ihn rechnet. Die hartnäckigste
dieser Idiosynkrasien ist ein leidenschaftlicher Preußenhaß, den man auf persön¬
liche Erfahrungen zurückführt, und den Vor Allem der Abschluß des deutsch¬
französischen Handelsvertrags gegenwärtig zur hell lodernden Flamme angefacht
hat. Wohl war er es hauptsächlich, der durch seine Abmahnungen das Nicht¬
erscheinen der Oestreicher in Weimar veranlaßt hat, er ist es, der nun Arm in
Arm mit seinem Gegner Freiherrn von Varnbühler für die Frankfurter Gegen¬
demonstration aufs eifrigste agitirt. Unabhängig wie >er ist, wird er zwar auch
dort seine eigene Stellung nehmen, und wie man hört, entschieden das Project
der Delegirtenversammlung bekämpfen. Aber die Hauptsache ist ihm die gro߬
deutsche, antipreußische Demonstration, die dort ins Werk gesetzt werden soll,
und für die er eine Anzahl Demokraten, die gleich ihm aus Haß gegen Preußen
nicht nach Weimar gegangen sind, zu gewinnen suchte. Daran lag nun frei¬
lich wenig, daß einige Demokraten nach Frankfurt gingen, und wenn sie mit
dem andern Extrem dort gemeinsame Sache gegen die Nationalpartei machen
wollten, so war das ihre Sache. Aber es entstand die Gefahr, daß im eigenen
Lager der schwäbischen Fortschrittspartei aufs neue ein Zwiespalt ausbrach, der
ihre Kraft schwächen mußte, und dies gerade in einem Augenblick, in welchem
die Mehrheit sich soeben für das nationale Programm entschieden hatte. Nun
kann auch diese Gefahr als beseitigt gelten. Diejenigen, welche theils in eigen¬
sinniger Selbstgefälligkeit, theils auch vielleicht mit dem Hintergedanken, der
großdeutschen Versammlung ein demokratisches Kukuksei in das Nest zu legen,
nach Weimar geschickt hatten, mußten sich überzeugen, daß sie ihre Stellung
in der demokratischen Partei, ja ihre ganze politische Stellung im engeren
Vaterland damit aufs Spiel gesetzt hätten. Außer M. Mohl, den die Partei
übrigens zum längsten als einen der Ihrigen betrachtet haben dürfte, wird
kein populärer Mann aus Schwaben in Frankfurt erscheinen, und Freiherr von
Varnbühler wird sich auf die Mitwirkung der großdeutschen Konservativen, viel¬
leicht der Ultramontanen beschränkt sehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/174>, abgerufen am 14.05.2024.