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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Hieran knüpfen sich zunächst die Hoffnungen der nationalen Partei. Auf
dieses Ziel wird auch in der nächsten Zeit vorzugsweise ihre Thätigkeit gerichtet
s 7 ein müssen.




Eine Episode aus dem nordamerikanischen Kriege.
C. M. Reiseskizzen von
(Fortsetzung.)

Die Grabesruhe eines Kirchhofes läßt den Uebergang zum Leben doppelt
frisch empfinden, wie ja überhaupt der Gegensatz der Eindrücke ihre Wirkung
bedingt. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist bekanntlich nur ein Schritt, und
so hatte denn auch der Zufall auf jener öden Insel Südcarolinas diese beiden
Gegensätze zu einem Bilde vereinigt, das trotz, seines ernsten Grundtones von
sehr komischer Wirkung war. Der Ort nämlich, welcher in uns durch seine
eigenthümliche Verlassenheit eine wehmüthig schauerliche Stimmung angeregt
hatte, diente zugleich einem überraschend praktischen Zwecke, der das ästhetische
Bewußtsein seines Urhebers keineswegs als exaltirt erscheinen ließ: die Palmettos
und Pinien, welche die traurigen Gräber der gefallenen Krieger dürstig be¬
schatteten, trugen zugleich Wäsche aller Art, und zu meinem größten Erstaunen
sahen wir sogar einen Unterrock sich melancholisch an dem schlanken Blatte
einer Palme wiegen. Der dunkle Rauch, welcher hinter den Bäumen aufstieg,
zeigte uns die Stelle an, wo wir den Mulus loci zu suchen hätten; ein schmaler
Fußpfad führte uns an der entgegengesetzten Seite, von wo wir eingetreten
waren, wieder ins Freie, und hier bot sich unsern Augen ein Stillleben, das
allerdings seltsam genug mit dem Eindruck des Ortes, welchen wir soeben ver¬
lassen hatten, contrastirte. -- Die Rauchsäule stieg aus einer Hütte empor, die
von Bretern und Zweigen leicht zusammengeflochten war und ungefähr L -- 8
Fuß im Geviert messen mochte. An der einen Seite stand ein richtiger Voll¬
blutnigger Vor einem Waschtroge und arbeitete im Schweiß seines Angesichts
auf die unglücklichen Fabrikate los, die er unter den Händen hatte, während seine
Frau, eine hübsche Mulattin und rechtmäßige Besitzerin des vorerwähnten Unter¬
rocks, aus der Schwelle saß und mit einem^ niedlichen Pudel spielte. Erstaunt
über d"s Geräusch, welches unsere Annäherung verursacht hatte, sahen sie beide


Grrnzl'oder IV. 1862. , 27

Hieran knüpfen sich zunächst die Hoffnungen der nationalen Partei. Auf
dieses Ziel wird auch in der nächsten Zeit vorzugsweise ihre Thätigkeit gerichtet
s 7 ein müssen.




Eine Episode aus dem nordamerikanischen Kriege.
C. M. Reiseskizzen von
(Fortsetzung.)

Die Grabesruhe eines Kirchhofes läßt den Uebergang zum Leben doppelt
frisch empfinden, wie ja überhaupt der Gegensatz der Eindrücke ihre Wirkung
bedingt. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist bekanntlich nur ein Schritt, und
so hatte denn auch der Zufall auf jener öden Insel Südcarolinas diese beiden
Gegensätze zu einem Bilde vereinigt, das trotz, seines ernsten Grundtones von
sehr komischer Wirkung war. Der Ort nämlich, welcher in uns durch seine
eigenthümliche Verlassenheit eine wehmüthig schauerliche Stimmung angeregt
hatte, diente zugleich einem überraschend praktischen Zwecke, der das ästhetische
Bewußtsein seines Urhebers keineswegs als exaltirt erscheinen ließ: die Palmettos
und Pinien, welche die traurigen Gräber der gefallenen Krieger dürstig be¬
schatteten, trugen zugleich Wäsche aller Art, und zu meinem größten Erstaunen
sahen wir sogar einen Unterrock sich melancholisch an dem schlanken Blatte
einer Palme wiegen. Der dunkle Rauch, welcher hinter den Bäumen aufstieg,
zeigte uns die Stelle an, wo wir den Mulus loci zu suchen hätten; ein schmaler
Fußpfad führte uns an der entgegengesetzten Seite, von wo wir eingetreten
waren, wieder ins Freie, und hier bot sich unsern Augen ein Stillleben, das
allerdings seltsam genug mit dem Eindruck des Ortes, welchen wir soeben ver¬
lassen hatten, contrastirte. — Die Rauchsäule stieg aus einer Hütte empor, die
von Bretern und Zweigen leicht zusammengeflochten war und ungefähr L — 8
Fuß im Geviert messen mochte. An der einen Seite stand ein richtiger Voll¬
blutnigger Vor einem Waschtroge und arbeitete im Schweiß seines Angesichts
auf die unglücklichen Fabrikate los, die er unter den Händen hatte, während seine
Frau, eine hübsche Mulattin und rechtmäßige Besitzerin des vorerwähnten Unter¬
rocks, aus der Schwelle saß und mit einem^ niedlichen Pudel spielte. Erstaunt
über d«s Geräusch, welches unsere Annäherung verursacht hatte, sahen sie beide


Grrnzl'oder IV. 1862. , 27
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[0217] Hieran knüpfen sich zunächst die Hoffnungen der nationalen Partei. Auf dieses Ziel wird auch in der nächsten Zeit vorzugsweise ihre Thätigkeit gerichtet s 7 ein müssen. Eine Episode aus dem nordamerikanischen Kriege. C. M. Reiseskizzen von (Fortsetzung.) Die Grabesruhe eines Kirchhofes läßt den Uebergang zum Leben doppelt frisch empfinden, wie ja überhaupt der Gegensatz der Eindrücke ihre Wirkung bedingt. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist bekanntlich nur ein Schritt, und so hatte denn auch der Zufall auf jener öden Insel Südcarolinas diese beiden Gegensätze zu einem Bilde vereinigt, das trotz, seines ernsten Grundtones von sehr komischer Wirkung war. Der Ort nämlich, welcher in uns durch seine eigenthümliche Verlassenheit eine wehmüthig schauerliche Stimmung angeregt hatte, diente zugleich einem überraschend praktischen Zwecke, der das ästhetische Bewußtsein seines Urhebers keineswegs als exaltirt erscheinen ließ: die Palmettos und Pinien, welche die traurigen Gräber der gefallenen Krieger dürstig be¬ schatteten, trugen zugleich Wäsche aller Art, und zu meinem größten Erstaunen sahen wir sogar einen Unterrock sich melancholisch an dem schlanken Blatte einer Palme wiegen. Der dunkle Rauch, welcher hinter den Bäumen aufstieg, zeigte uns die Stelle an, wo wir den Mulus loci zu suchen hätten; ein schmaler Fußpfad führte uns an der entgegengesetzten Seite, von wo wir eingetreten waren, wieder ins Freie, und hier bot sich unsern Augen ein Stillleben, das allerdings seltsam genug mit dem Eindruck des Ortes, welchen wir soeben ver¬ lassen hatten, contrastirte. — Die Rauchsäule stieg aus einer Hütte empor, die von Bretern und Zweigen leicht zusammengeflochten war und ungefähr L — 8 Fuß im Geviert messen mochte. An der einen Seite stand ein richtiger Voll¬ blutnigger Vor einem Waschtroge und arbeitete im Schweiß seines Angesichts auf die unglücklichen Fabrikate los, die er unter den Händen hatte, während seine Frau, eine hübsche Mulattin und rechtmäßige Besitzerin des vorerwähnten Unter¬ rocks, aus der Schwelle saß und mit einem^ niedlichen Pudel spielte. Erstaunt über d«s Geräusch, welches unsere Annäherung verursacht hatte, sahen sie beide Grrnzl'oder IV. 1862. , 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/217>, abgerufen am 29.04.2024.