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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Anhang zu finden hoffte. So brachte der bekannte "Billie Wilson" sein Spitz¬
bubenregiment zusammen, Kerrigan und Konsorten sammelten die Klopffechter und
Sporter u. s. w. und wenn das Regiment voll war, so suchten sich Offiziere
und Soldaten möglichst auszubilden, oder sich auch das auf den Felddicnst vor¬
bereitende Lagerleben durch anderweitiges Amüsement so angenehm wie möglich
zu machen. Die sogenannten "serrati's Jngeneers", zum großen Theil aus Hand¬
werkern, namentlich Deutschen bestehend, waren von ihrem Obersten durch den
Köder gesammelt worden, daß sie als Ingenieure statt 13 Dollars 17 den
Monat beziehen und auch eine Menge anderer Vortheile genießen sollten, welche
gewöhnlich dieser bevorzugten Truppengattung zufallen. Das Regiment wurde
von der Negierung, deren organisatorisches Talent sich damals auch noch nicht
glänzend bewährt hatte, auf sechs Monate Probe angenommen. Leider hatte
nun aber weder der Oberst Serrell -noch einer seiner Offiziere eine Idee von
den Anforderungen, welche an den Jngenieurdienst im Felde gestellt werden,
was schon aus dem einfachen Grunde hervorgeht, daß er sein Regiment immer
zusammenhalten und nicht compagnieweise einzelnen Truppenkörpern beigegeben
wissen wollte, während es doch nur auf diese Weise von Nutzen sein konnte.
Ais die sechs Monate Probezeit verlaufen waren, während welcher die Ingenieure
Schuppen gebaut, Bäume gefällt und andere Thaten der Art verrichtet
hatten, lehnte die Regierung ihre ferneren Dienste ab und wollte sie als In¬
fanterieregiment registriren. Oberst Serrell hatte nach Art der Wardpolitiker,
welche Candidaturreden halten, seinen Leuten goldne Berge versprochen und
sie auf seine persönliche Verantwortung hin veranlaßt, den Infanteriesold,
welcher ihnen angeboten worden war, auszuschlagen. Die Regierung fand sich
indessen nicht veranlaßt, den Launen eines Drahtziehers, welcher ihr 800 tüch¬
tige Menschen entzogen hatte, um Oberst spielen zu können, nachzugeben,
und stellte einfach alle Soldzahlung ein. Jetzt herrschte natürlich im Lager die
furchtbarste Stimmung ^welche sich bei Einigen mehr gegen die Regierung gel¬
tend machte, bei den Meisten aber die richtige Ableitung auf die Person des
schuldigen Obersten fand; kurz das Regiment war der Meuterei nahe und
drohte jeden Augenblick auseinanderzulaufen*).


Wir hörten mit tiefstem Bedauern die Klagen der Soldaten und sahen




') Die Noth der Soldaten und ihrer Familien, welche in einzelnen Fällen factisch dem
Hungertods Preis gegeben waren, stieg nachher zu einem solchen Grade, daß mehre Familienväter
wahnsinnig wurden und andre in offne Meuterei ausbrachen, 40 Deutsche wurden in Folge
dessen nach deu ungesunden Inseln der "Dry Tortugas" an der Südküste Floridas transportirt,
um daselbst an einem neuen Fort zu bauen, und erst den Bemühungen der Deutschen in New-
Aork und Brooklyu gelang es nach längerer Zeit, als die Unglücklichen schon anfingen, den Wir¬
kungen des Klimas zu erliegen, sie zu befreien.

Anhang zu finden hoffte. So brachte der bekannte „Billie Wilson" sein Spitz¬
bubenregiment zusammen, Kerrigan und Konsorten sammelten die Klopffechter und
Sporter u. s. w. und wenn das Regiment voll war, so suchten sich Offiziere
und Soldaten möglichst auszubilden, oder sich auch das auf den Felddicnst vor¬
bereitende Lagerleben durch anderweitiges Amüsement so angenehm wie möglich
zu machen. Die sogenannten „serrati's Jngeneers", zum großen Theil aus Hand¬
werkern, namentlich Deutschen bestehend, waren von ihrem Obersten durch den
Köder gesammelt worden, daß sie als Ingenieure statt 13 Dollars 17 den
Monat beziehen und auch eine Menge anderer Vortheile genießen sollten, welche
gewöhnlich dieser bevorzugten Truppengattung zufallen. Das Regiment wurde
von der Negierung, deren organisatorisches Talent sich damals auch noch nicht
glänzend bewährt hatte, auf sechs Monate Probe angenommen. Leider hatte
nun aber weder der Oberst Serrell -noch einer seiner Offiziere eine Idee von
den Anforderungen, welche an den Jngenieurdienst im Felde gestellt werden,
was schon aus dem einfachen Grunde hervorgeht, daß er sein Regiment immer
zusammenhalten und nicht compagnieweise einzelnen Truppenkörpern beigegeben
wissen wollte, während es doch nur auf diese Weise von Nutzen sein konnte.
Ais die sechs Monate Probezeit verlaufen waren, während welcher die Ingenieure
Schuppen gebaut, Bäume gefällt und andere Thaten der Art verrichtet
hatten, lehnte die Regierung ihre ferneren Dienste ab und wollte sie als In¬
fanterieregiment registriren. Oberst Serrell hatte nach Art der Wardpolitiker,
welche Candidaturreden halten, seinen Leuten goldne Berge versprochen und
sie auf seine persönliche Verantwortung hin veranlaßt, den Infanteriesold,
welcher ihnen angeboten worden war, auszuschlagen. Die Regierung fand sich
indessen nicht veranlaßt, den Launen eines Drahtziehers, welcher ihr 800 tüch¬
tige Menschen entzogen hatte, um Oberst spielen zu können, nachzugeben,
und stellte einfach alle Soldzahlung ein. Jetzt herrschte natürlich im Lager die
furchtbarste Stimmung ^welche sich bei Einigen mehr gegen die Regierung gel¬
tend machte, bei den Meisten aber die richtige Ableitung auf die Person des
schuldigen Obersten fand; kurz das Regiment war der Meuterei nahe und
drohte jeden Augenblick auseinanderzulaufen*).


Wir hörten mit tiefstem Bedauern die Klagen der Soldaten und sahen




') Die Noth der Soldaten und ihrer Familien, welche in einzelnen Fällen factisch dem
Hungertods Preis gegeben waren, stieg nachher zu einem solchen Grade, daß mehre Familienväter
wahnsinnig wurden und andre in offne Meuterei ausbrachen, 40 Deutsche wurden in Folge
dessen nach deu ungesunden Inseln der „Dry Tortugas" an der Südküste Floridas transportirt,
um daselbst an einem neuen Fort zu bauen, und erst den Bemühungen der Deutschen in New-
Aork und Brooklyu gelang es nach längerer Zeit, als die Unglücklichen schon anfingen, den Wir¬
kungen des Klimas zu erliegen, sie zu befreien.
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[0220] Anhang zu finden hoffte. So brachte der bekannte „Billie Wilson" sein Spitz¬ bubenregiment zusammen, Kerrigan und Konsorten sammelten die Klopffechter und Sporter u. s. w. und wenn das Regiment voll war, so suchten sich Offiziere und Soldaten möglichst auszubilden, oder sich auch das auf den Felddicnst vor¬ bereitende Lagerleben durch anderweitiges Amüsement so angenehm wie möglich zu machen. Die sogenannten „serrati's Jngeneers", zum großen Theil aus Hand¬ werkern, namentlich Deutschen bestehend, waren von ihrem Obersten durch den Köder gesammelt worden, daß sie als Ingenieure statt 13 Dollars 17 den Monat beziehen und auch eine Menge anderer Vortheile genießen sollten, welche gewöhnlich dieser bevorzugten Truppengattung zufallen. Das Regiment wurde von der Negierung, deren organisatorisches Talent sich damals auch noch nicht glänzend bewährt hatte, auf sechs Monate Probe angenommen. Leider hatte nun aber weder der Oberst Serrell -noch einer seiner Offiziere eine Idee von den Anforderungen, welche an den Jngenieurdienst im Felde gestellt werden, was schon aus dem einfachen Grunde hervorgeht, daß er sein Regiment immer zusammenhalten und nicht compagnieweise einzelnen Truppenkörpern beigegeben wissen wollte, während es doch nur auf diese Weise von Nutzen sein konnte. Ais die sechs Monate Probezeit verlaufen waren, während welcher die Ingenieure Schuppen gebaut, Bäume gefällt und andere Thaten der Art verrichtet hatten, lehnte die Regierung ihre ferneren Dienste ab und wollte sie als In¬ fanterieregiment registriren. Oberst Serrell hatte nach Art der Wardpolitiker, welche Candidaturreden halten, seinen Leuten goldne Berge versprochen und sie auf seine persönliche Verantwortung hin veranlaßt, den Infanteriesold, welcher ihnen angeboten worden war, auszuschlagen. Die Regierung fand sich indessen nicht veranlaßt, den Launen eines Drahtziehers, welcher ihr 800 tüch¬ tige Menschen entzogen hatte, um Oberst spielen zu können, nachzugeben, und stellte einfach alle Soldzahlung ein. Jetzt herrschte natürlich im Lager die furchtbarste Stimmung ^welche sich bei Einigen mehr gegen die Regierung gel¬ tend machte, bei den Meisten aber die richtige Ableitung auf die Person des schuldigen Obersten fand; kurz das Regiment war der Meuterei nahe und drohte jeden Augenblick auseinanderzulaufen*). Wir hörten mit tiefstem Bedauern die Klagen der Soldaten und sahen ') Die Noth der Soldaten und ihrer Familien, welche in einzelnen Fällen factisch dem Hungertods Preis gegeben waren, stieg nachher zu einem solchen Grade, daß mehre Familienväter wahnsinnig wurden und andre in offne Meuterei ausbrachen, 40 Deutsche wurden in Folge dessen nach deu ungesunden Inseln der „Dry Tortugas" an der Südküste Floridas transportirt, um daselbst an einem neuen Fort zu bauen, und erst den Bemühungen der Deutschen in New- Aork und Brooklyu gelang es nach längerer Zeit, als die Unglücklichen schon anfingen, den Wir¬ kungen des Klimas zu erliegen, sie zu befreien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/220>, abgerufen am 29.04.2024.