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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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hatten bald vom Generalissimus Alles erlangt, was wi.r wollten, ohne den
unangenehmen Zwischenfällen ausgesetzt zu sein, über die man sich sonst häufig
bei Unterhandlungen "ut ihm beklagt hatte. Wir bekamen Vollmacht, sämmt¬
liche New-Uorter Regimenter der Station zu besuchen und uns dabei der Reise¬
gelegenheiten zu bedienen, welche die Regierung zwischen den verschiedenen
Plätzen derselben vermittelte. - Auf Hilton-Head selbst lag von New-York nur
das Serrellschc Jngenieurregiment, während die andern Regimenter sogar
compagnieweise auf den umliegenden Inseln, North-Edisto, Dachuiky, Tybec-
Jsland und Beaufort zerstreut waren. Wir hatten also die angenehme Aussicht,
sämmtliche Arten von Transportmitteln durchzumachen, wenn wir unsern Zweck
erreichen wollten, und fanden die Art und Weise dieses Reifens nachher selbst
beschwerlicher, als wirs uns gedacht hatten.

In Schußweite vom Hauptquartier hatten die Ingenieure auf dem Sande
ihr Lager aufgeschlagen; um die Monotonie des Anblicks einigermaßen zu be¬
leben, waren die Zelte meistens mit Fichtenzweigen umsteckt, und auf denen der
Offiziere flatterten kleine Unionsflaggen, deren Sterne und Streifen jedoch von
den schweren Regentagen hart mitgenommen waren. Im Lager selbst herrschte
jedoch nicht das Leben, welches sich sonst gewöhnlich unter solchen Umständen
entwickelt, und die Kapuzinerrede aus Wallenstein wäre hier keinesweges am
Platze gewesen. Da war keine Gustel aus Blasewitz, kein Würfeln und Trinken,
sondern man stieß nur auf düstre und mißmuthige Gesichter, welche gar nicht
den Eindruck machten, als ob ihre Inhaber mit Freuden Gut und Blut der
Sache opfern würden, deren Zeichen sie trugen. Wir sollten jedoch bald über
diesen Mißmuth aufgeklärt werden und erfuhren eine Geschichte, welche die ver¬
derblichen Folgen des Nekrutirungssystcms, wie es im Anfang des Krieges be¬
folgt wurde, in ein trauriges Licht stellte. Ein paar Worte hierüber dürften
wohl am Platze sein.

Wenn auch wirklich Opfermuth und Enthusiasmus genug im Norden vor¬
handen war, daß Hunderttausende ihre Dienste der Aufrechthaltung der Union
mit Freuden widmeten, so bedürfte es doch natürlich eines bestimmten Ein¬
flusses, diese Massen in bestimmte Truppenkörper zu organisiren; es bedürfte
bekannter Persönlichkeiten, unter deren Namen die Rekruten sich sammelten,
und es entstand daher das System, daß jeder, welcher die Anwerbung einer
bestimmten Anzahl Rekruten unter seinem Namen nachweisen konnte, zu einer
dieser Anzahl entsprechenden Charge berechtigt war. Nun gab es aber in
New-Uork und in den ganzen Vereinigten Staaten zu Anfang des Krieges fast
keine andere Notorietät als eine rein politische, und so siel dem politischen
Einfluß, einerlei auf welche Weise er gewonnen oder behauptet worden war,
ob durch schlechten Whiskey oder durch Talent und Principientreue, zunächst
die Organisation der Red'rutirung anheim. Jeder warb, wo er am meisten


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hatten bald vom Generalissimus Alles erlangt, was wi.r wollten, ohne den
unangenehmen Zwischenfällen ausgesetzt zu sein, über die man sich sonst häufig
bei Unterhandlungen »ut ihm beklagt hatte. Wir bekamen Vollmacht, sämmt¬
liche New-Uorter Regimenter der Station zu besuchen und uns dabei der Reise¬
gelegenheiten zu bedienen, welche die Regierung zwischen den verschiedenen
Plätzen derselben vermittelte. - Auf Hilton-Head selbst lag von New-York nur
das Serrellschc Jngenieurregiment, während die andern Regimenter sogar
compagnieweise auf den umliegenden Inseln, North-Edisto, Dachuiky, Tybec-
Jsland und Beaufort zerstreut waren. Wir hatten also die angenehme Aussicht,
sämmtliche Arten von Transportmitteln durchzumachen, wenn wir unsern Zweck
erreichen wollten, und fanden die Art und Weise dieses Reifens nachher selbst
beschwerlicher, als wirs uns gedacht hatten.

In Schußweite vom Hauptquartier hatten die Ingenieure auf dem Sande
ihr Lager aufgeschlagen; um die Monotonie des Anblicks einigermaßen zu be¬
leben, waren die Zelte meistens mit Fichtenzweigen umsteckt, und auf denen der
Offiziere flatterten kleine Unionsflaggen, deren Sterne und Streifen jedoch von
den schweren Regentagen hart mitgenommen waren. Im Lager selbst herrschte
jedoch nicht das Leben, welches sich sonst gewöhnlich unter solchen Umständen
entwickelt, und die Kapuzinerrede aus Wallenstein wäre hier keinesweges am
Platze gewesen. Da war keine Gustel aus Blasewitz, kein Würfeln und Trinken,
sondern man stieß nur auf düstre und mißmuthige Gesichter, welche gar nicht
den Eindruck machten, als ob ihre Inhaber mit Freuden Gut und Blut der
Sache opfern würden, deren Zeichen sie trugen. Wir sollten jedoch bald über
diesen Mißmuth aufgeklärt werden und erfuhren eine Geschichte, welche die ver¬
derblichen Folgen des Nekrutirungssystcms, wie es im Anfang des Krieges be¬
folgt wurde, in ein trauriges Licht stellte. Ein paar Worte hierüber dürften
wohl am Platze sein.

Wenn auch wirklich Opfermuth und Enthusiasmus genug im Norden vor¬
handen war, daß Hunderttausende ihre Dienste der Aufrechthaltung der Union
mit Freuden widmeten, so bedürfte es doch natürlich eines bestimmten Ein¬
flusses, diese Massen in bestimmte Truppenkörper zu organisiren; es bedürfte
bekannter Persönlichkeiten, unter deren Namen die Rekruten sich sammelten,
und es entstand daher das System, daß jeder, welcher die Anwerbung einer
bestimmten Anzahl Rekruten unter seinem Namen nachweisen konnte, zu einer
dieser Anzahl entsprechenden Charge berechtigt war. Nun gab es aber in
New-Uork und in den ganzen Vereinigten Staaten zu Anfang des Krieges fast
keine andere Notorietät als eine rein politische, und so siel dem politischen
Einfluß, einerlei auf welche Weise er gewonnen oder behauptet worden war,
ob durch schlechten Whiskey oder durch Talent und Principientreue, zunächst
die Organisation der Red'rutirung anheim. Jeder warb, wo er am meisten


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[0219] hatten bald vom Generalissimus Alles erlangt, was wi.r wollten, ohne den unangenehmen Zwischenfällen ausgesetzt zu sein, über die man sich sonst häufig bei Unterhandlungen »ut ihm beklagt hatte. Wir bekamen Vollmacht, sämmt¬ liche New-Uorter Regimenter der Station zu besuchen und uns dabei der Reise¬ gelegenheiten zu bedienen, welche die Regierung zwischen den verschiedenen Plätzen derselben vermittelte. - Auf Hilton-Head selbst lag von New-York nur das Serrellschc Jngenieurregiment, während die andern Regimenter sogar compagnieweise auf den umliegenden Inseln, North-Edisto, Dachuiky, Tybec- Jsland und Beaufort zerstreut waren. Wir hatten also die angenehme Aussicht, sämmtliche Arten von Transportmitteln durchzumachen, wenn wir unsern Zweck erreichen wollten, und fanden die Art und Weise dieses Reifens nachher selbst beschwerlicher, als wirs uns gedacht hatten. In Schußweite vom Hauptquartier hatten die Ingenieure auf dem Sande ihr Lager aufgeschlagen; um die Monotonie des Anblicks einigermaßen zu be¬ leben, waren die Zelte meistens mit Fichtenzweigen umsteckt, und auf denen der Offiziere flatterten kleine Unionsflaggen, deren Sterne und Streifen jedoch von den schweren Regentagen hart mitgenommen waren. Im Lager selbst herrschte jedoch nicht das Leben, welches sich sonst gewöhnlich unter solchen Umständen entwickelt, und die Kapuzinerrede aus Wallenstein wäre hier keinesweges am Platze gewesen. Da war keine Gustel aus Blasewitz, kein Würfeln und Trinken, sondern man stieß nur auf düstre und mißmuthige Gesichter, welche gar nicht den Eindruck machten, als ob ihre Inhaber mit Freuden Gut und Blut der Sache opfern würden, deren Zeichen sie trugen. Wir sollten jedoch bald über diesen Mißmuth aufgeklärt werden und erfuhren eine Geschichte, welche die ver¬ derblichen Folgen des Nekrutirungssystcms, wie es im Anfang des Krieges be¬ folgt wurde, in ein trauriges Licht stellte. Ein paar Worte hierüber dürften wohl am Platze sein. Wenn auch wirklich Opfermuth und Enthusiasmus genug im Norden vor¬ handen war, daß Hunderttausende ihre Dienste der Aufrechthaltung der Union mit Freuden widmeten, so bedürfte es doch natürlich eines bestimmten Ein¬ flusses, diese Massen in bestimmte Truppenkörper zu organisiren; es bedürfte bekannter Persönlichkeiten, unter deren Namen die Rekruten sich sammelten, und es entstand daher das System, daß jeder, welcher die Anwerbung einer bestimmten Anzahl Rekruten unter seinem Namen nachweisen konnte, zu einer dieser Anzahl entsprechenden Charge berechtigt war. Nun gab es aber in New-Uork und in den ganzen Vereinigten Staaten zu Anfang des Krieges fast keine andere Notorietät als eine rein politische, und so siel dem politischen Einfluß, einerlei auf welche Weise er gewonnen oder behauptet worden war, ob durch schlechten Whiskey oder durch Talent und Principientreue, zunächst die Organisation der Red'rutirung anheim. Jeder warb, wo er am meisten 27 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/219>, abgerufen am 15.05.2024.