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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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welche lustig von den Häusern flatterten, zeigten selbst schon in der stillen
Morgenstunde an, daß der Stolz Juda's in die Hände der Philister gefallen war.

(Fortsetzung folgt.)




General Wilhelm von Willisen.
Aus den Tagebüchern desselben.

--
Als Willisen nach Oestreich kam, fand er, daß das, worauf er sich am
meisten gefreut, bereits vorüber war. Die Würfel auf dem italienischen Kriegs¬
schauplatz waren gefallen, Karl Albert schmählich zurückgeworfen, Radetzsy wie¬
der in Mailand. Dagegen bereitete sich in Ungarn Bedeutendes vor, und so
wendete er sich von Wien zunächst nach Pesth. Hier verkehrte er mit allen Häup¬
tern der Bewegung, Mezaros, Szecheny, Bathiany, Kossuth, und fand überall
Unklarheit über das, was als letztes Ziel zu erstreben. Am einsichtigsten äußerte
sich noch der junge Erzherzog Paladin (Stephan) über die Verhältnisse. Nachdem
Willisen sich hier nach Möglichkeit informire, beschloß er nach Kroatien zu gehen,
um auch die Gegenpartei kennen zu lernen. "Wie deutlich ich auch wußte,
daß man mich nur weggeschickt, um mich auf anständige Art los zu werden,
wollte ich mich doch nach Kräften nützlich machen und vor Allem Materialien
zur Antwort auf die große Frage sammeln, ob Oestreich sortexistiren könne,
und wenn nicht, wie Preußen sich hier zu verhalten habe." -- "Ich hielt da¬
mals eine Zerstörung des Kaiserstaats für möglich und würde mit aller Energie
daran gegangen sein, hätte ich die preußischen Verhältnisse in der Hand gehabt.
Ein großes Deutschland mit Preußen als Hauptkern war zu schaffen, die öst¬
reichischen Zustände zeigten deutlich den Weg. auf dem dahin zu gelangen;
aber in Berlin fehlte sowohl der rechte Blick, als der rechte Muth, ihn zu be¬
treten."

Willisen ging von Pesth zunächst an den Plattensee, besuchte an dessen
südwestlichem Ufer in Kestehely den Grasen Festetic und fuhr von dyrt,in dessen
Equipage weiter gegen die Drau, an deren jenseitigen Ufer sich die Schaaren
des Barus sammelten. In Warasdi^ wurde er von General Neustädter mit
liebenswürdigster Artigkeit empfangen, die sich verdoppelte, als dieser erfuhr,


welche lustig von den Häusern flatterten, zeigten selbst schon in der stillen
Morgenstunde an, daß der Stolz Juda's in die Hände der Philister gefallen war.

(Fortsetzung folgt.)




General Wilhelm von Willisen.
Aus den Tagebüchern desselben.

--
Als Willisen nach Oestreich kam, fand er, daß das, worauf er sich am
meisten gefreut, bereits vorüber war. Die Würfel auf dem italienischen Kriegs¬
schauplatz waren gefallen, Karl Albert schmählich zurückgeworfen, Radetzsy wie¬
der in Mailand. Dagegen bereitete sich in Ungarn Bedeutendes vor, und so
wendete er sich von Wien zunächst nach Pesth. Hier verkehrte er mit allen Häup¬
tern der Bewegung, Mezaros, Szecheny, Bathiany, Kossuth, und fand überall
Unklarheit über das, was als letztes Ziel zu erstreben. Am einsichtigsten äußerte
sich noch der junge Erzherzog Paladin (Stephan) über die Verhältnisse. Nachdem
Willisen sich hier nach Möglichkeit informire, beschloß er nach Kroatien zu gehen,
um auch die Gegenpartei kennen zu lernen. „Wie deutlich ich auch wußte,
daß man mich nur weggeschickt, um mich auf anständige Art los zu werden,
wollte ich mich doch nach Kräften nützlich machen und vor Allem Materialien
zur Antwort auf die große Frage sammeln, ob Oestreich sortexistiren könne,
und wenn nicht, wie Preußen sich hier zu verhalten habe." — „Ich hielt da¬
mals eine Zerstörung des Kaiserstaats für möglich und würde mit aller Energie
daran gegangen sein, hätte ich die preußischen Verhältnisse in der Hand gehabt.
Ein großes Deutschland mit Preußen als Hauptkern war zu schaffen, die öst¬
reichischen Zustände zeigten deutlich den Weg. auf dem dahin zu gelangen;
aber in Berlin fehlte sowohl der rechte Blick, als der rechte Muth, ihn zu be¬
treten."

Willisen ging von Pesth zunächst an den Plattensee, besuchte an dessen
südwestlichem Ufer in Kestehely den Grasen Festetic und fuhr von dyrt,in dessen
Equipage weiter gegen die Drau, an deren jenseitigen Ufer sich die Schaaren
des Barus sammelten. In Warasdi^ wurde er von General Neustädter mit
liebenswürdigster Artigkeit empfangen, die sich verdoppelte, als dieser erfuhr,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/228>, abgerufen am 29.04.2024.