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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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entschiedn" müssen wir unsrerseits festhalten an unsrer Parole: Verjüngung
des Zollvereins durch den Handelsvertrag.

Die sächsische Regierung ist im Anfang mit so richtiger Würdigung des
Landesinteresses und mit solcher Entschiedenheit in die Frage eingetreten, daß
wir ihr dafür aufrichtigen Dank und Bewunderung zollen. Möge sie die¬
sen Dank nicht verscherzen durch eine Abschwenkung in eine Bahn, die
dem Interesse und der Stimmung des Landes viel entschiedner zuwider
ist, als Herr v. Beust vielleicht glaubt. Es scheint jetzt ein Moment
eingetreten, wo bei der Regierung die alte Neigung, die politische Sympathie
den Sieg davon tragen möchte über die rein sachliche Behandlung der Sache.
Zum Glück liegt das sächsische Interesse so sonnenklar vor Augen, seine Lage
zwingt so unbedingt zum Festhalten an dem preußischen oder norddeutschen
Zollsystem, daß wir zur Zeit noch hoffen, die jetzige Umwandelung werde vor¬
übergehen und bald wieder überwunden werden. Man spricht davon, die säch¬
sische Regierung fühle sich jetzt nicht mehr gebunden an den Handelsvertrag, da
derselbe nicht die Zustimmung aller Regierungen gefunden, und sie wolle die
Freiheit ihrer Stellung benutzen zu einer Vermittelung zwischen Preußen und
Süddeutschland behufs einer Modification des Handelsvertrags. Wenn Frank¬
reich zu solcher Modification bereit ist, so ist an solcher Vermittelung gar nichts
auszusetzen; sie würde mit Dank zu begrüßen sein und ein Einlenken der süd¬
deutschen Staaten von ihrer bisherigen Haltung voraussetzen. Solche Ver¬
mittelung ist himmelweit verschieden von der östreichisch gefärbten Agitation
gegen den Handelsvertrag, an der sick die sächsischen Abgeordneten beim Münch¬
ner Handelstag, vielleicht als allzueifnge Werkzeuge betheiligten. Die Haupt¬
sache für uns bleibt immer, daß unbedingt festgehalten wird an dem Stand¬
punkte, den Negierung und Kammern im Sommer nahmen: Reform des Zoll¬
vereins durch den Handelsvertrag mit Frankreich. Lassen sich einige wünschens-
werthe Modificationen des letzteren erreichen, ohne den Vertrag selbst aufs
Spiel zu setzen, so bleibt doch das Endziel, Erhaltung des Zollvereins und Er¬
starken desselben durch eine entschiedenere Richtung nach einem freiern System
und Gewinnung eines größern Absatzgebietes unverändert und wird nur um
so sichrer erreicht. Diejenigen aber, die bei uns in Sachsen sich zur Agitation
gegen den Handelsvertrag hergegeben und die Frage mit Gewalt zu einer poli¬
tischen verkehrt haben, wollen wir warnend an die Worte des Herrn v. Beust
erinnern, die er am 16. Juni d. I. in der zweiten Kammer sprach:


"Wenn politische Gefahren für Deutschland drohen sollten, so liegen sie
im Hintergrunde nicht der Annahme, sondern der Ablehnung des Vertrags."

L.
Nachschrift der Redaction.

Der vorstehende Aufsatz war geschrieben
und gesetzt als das am Schlüsse erwähnte Gerücht, .die sächsische Regierung


entschiedn« müssen wir unsrerseits festhalten an unsrer Parole: Verjüngung
des Zollvereins durch den Handelsvertrag.

Die sächsische Regierung ist im Anfang mit so richtiger Würdigung des
Landesinteresses und mit solcher Entschiedenheit in die Frage eingetreten, daß
wir ihr dafür aufrichtigen Dank und Bewunderung zollen. Möge sie die¬
sen Dank nicht verscherzen durch eine Abschwenkung in eine Bahn, die
dem Interesse und der Stimmung des Landes viel entschiedner zuwider
ist, als Herr v. Beust vielleicht glaubt. Es scheint jetzt ein Moment
eingetreten, wo bei der Regierung die alte Neigung, die politische Sympathie
den Sieg davon tragen möchte über die rein sachliche Behandlung der Sache.
Zum Glück liegt das sächsische Interesse so sonnenklar vor Augen, seine Lage
zwingt so unbedingt zum Festhalten an dem preußischen oder norddeutschen
Zollsystem, daß wir zur Zeit noch hoffen, die jetzige Umwandelung werde vor¬
übergehen und bald wieder überwunden werden. Man spricht davon, die säch¬
sische Regierung fühle sich jetzt nicht mehr gebunden an den Handelsvertrag, da
derselbe nicht die Zustimmung aller Regierungen gefunden, und sie wolle die
Freiheit ihrer Stellung benutzen zu einer Vermittelung zwischen Preußen und
Süddeutschland behufs einer Modification des Handelsvertrags. Wenn Frank¬
reich zu solcher Modification bereit ist, so ist an solcher Vermittelung gar nichts
auszusetzen; sie würde mit Dank zu begrüßen sein und ein Einlenken der süd¬
deutschen Staaten von ihrer bisherigen Haltung voraussetzen. Solche Ver¬
mittelung ist himmelweit verschieden von der östreichisch gefärbten Agitation
gegen den Handelsvertrag, an der sick die sächsischen Abgeordneten beim Münch¬
ner Handelstag, vielleicht als allzueifnge Werkzeuge betheiligten. Die Haupt¬
sache für uns bleibt immer, daß unbedingt festgehalten wird an dem Stand¬
punkte, den Negierung und Kammern im Sommer nahmen: Reform des Zoll¬
vereins durch den Handelsvertrag mit Frankreich. Lassen sich einige wünschens-
werthe Modificationen des letzteren erreichen, ohne den Vertrag selbst aufs
Spiel zu setzen, so bleibt doch das Endziel, Erhaltung des Zollvereins und Er¬
starken desselben durch eine entschiedenere Richtung nach einem freiern System
und Gewinnung eines größern Absatzgebietes unverändert und wird nur um
so sichrer erreicht. Diejenigen aber, die bei uns in Sachsen sich zur Agitation
gegen den Handelsvertrag hergegeben und die Frage mit Gewalt zu einer poli¬
tischen verkehrt haben, wollen wir warnend an die Worte des Herrn v. Beust
erinnern, die er am 16. Juni d. I. in der zweiten Kammer sprach:


„Wenn politische Gefahren für Deutschland drohen sollten, so liegen sie
im Hintergrunde nicht der Annahme, sondern der Ablehnung des Vertrags."

L.
Nachschrift der Redaction.

Der vorstehende Aufsatz war geschrieben
und gesetzt als das am Schlüsse erwähnte Gerücht, .die sächsische Regierung


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[0296] entschiedn« müssen wir unsrerseits festhalten an unsrer Parole: Verjüngung des Zollvereins durch den Handelsvertrag. Die sächsische Regierung ist im Anfang mit so richtiger Würdigung des Landesinteresses und mit solcher Entschiedenheit in die Frage eingetreten, daß wir ihr dafür aufrichtigen Dank und Bewunderung zollen. Möge sie die¬ sen Dank nicht verscherzen durch eine Abschwenkung in eine Bahn, die dem Interesse und der Stimmung des Landes viel entschiedner zuwider ist, als Herr v. Beust vielleicht glaubt. Es scheint jetzt ein Moment eingetreten, wo bei der Regierung die alte Neigung, die politische Sympathie den Sieg davon tragen möchte über die rein sachliche Behandlung der Sache. Zum Glück liegt das sächsische Interesse so sonnenklar vor Augen, seine Lage zwingt so unbedingt zum Festhalten an dem preußischen oder norddeutschen Zollsystem, daß wir zur Zeit noch hoffen, die jetzige Umwandelung werde vor¬ übergehen und bald wieder überwunden werden. Man spricht davon, die säch¬ sische Regierung fühle sich jetzt nicht mehr gebunden an den Handelsvertrag, da derselbe nicht die Zustimmung aller Regierungen gefunden, und sie wolle die Freiheit ihrer Stellung benutzen zu einer Vermittelung zwischen Preußen und Süddeutschland behufs einer Modification des Handelsvertrags. Wenn Frank¬ reich zu solcher Modification bereit ist, so ist an solcher Vermittelung gar nichts auszusetzen; sie würde mit Dank zu begrüßen sein und ein Einlenken der süd¬ deutschen Staaten von ihrer bisherigen Haltung voraussetzen. Solche Ver¬ mittelung ist himmelweit verschieden von der östreichisch gefärbten Agitation gegen den Handelsvertrag, an der sick die sächsischen Abgeordneten beim Münch¬ ner Handelstag, vielleicht als allzueifnge Werkzeuge betheiligten. Die Haupt¬ sache für uns bleibt immer, daß unbedingt festgehalten wird an dem Stand¬ punkte, den Negierung und Kammern im Sommer nahmen: Reform des Zoll¬ vereins durch den Handelsvertrag mit Frankreich. Lassen sich einige wünschens- werthe Modificationen des letzteren erreichen, ohne den Vertrag selbst aufs Spiel zu setzen, so bleibt doch das Endziel, Erhaltung des Zollvereins und Er¬ starken desselben durch eine entschiedenere Richtung nach einem freiern System und Gewinnung eines größern Absatzgebietes unverändert und wird nur um so sichrer erreicht. Diejenigen aber, die bei uns in Sachsen sich zur Agitation gegen den Handelsvertrag hergegeben und die Frage mit Gewalt zu einer poli¬ tischen verkehrt haben, wollen wir warnend an die Worte des Herrn v. Beust erinnern, die er am 16. Juni d. I. in der zweiten Kammer sprach: „Wenn politische Gefahren für Deutschland drohen sollten, so liegen sie im Hintergrunde nicht der Annahme, sondern der Ablehnung des Vertrags." L. Nachschrift der Redaction. Der vorstehende Aufsatz war geschrieben und gesetzt als das am Schlüsse erwähnte Gerücht, .die sächsische Regierung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/296>, abgerufen am 28.04.2024.