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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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einmüthigen Erhebung der Vertreter der Stadt und des Handels von Leipzig
gegen seine falsche Richtung eine Mahnung erblicken, ohne Verzug auf den
rechten Weg zurückzukehren und für seine Vermittlungsversuche einen festen,
aus die materiellen Interessen des Landes und des Zollvereins begründeten
Boden zu gewinnen.




Mecklenburger Briefe.
1. Unser Adel.

"Der Adel hat dem mecklenburgischen Volk seine Verfassung genommen
und es um alle Rechte gebracht, die ihm von Gottes und Rechtswegen zu¬
kommen."

So beurtheilte auf dem Landtage von 1859, unter dem Beifall des gan¬
zen Landes. Herr August Pogge auf Iaöbitz, einer der Führer der liberalen
Partei in der mecklenburgischen Ritterschaft, jene bekannte Agitation seiner
adligen Standesgenossen, durch welche es diesen im Jahre 1850 gelungen war,
das zwischen Fürst und Volk vereinbarte, von ersterem durch feierliches Gelöb-
niß besiegelte, in allen gesetzlichen Formen publicirte und demnächst in volle
Wirksamkeit getretene Staatsgrundgesetz für Mecklenburg - Schwerin vom
1V. Oct. 1849 auf die Seite zu schaffen und das Land in die alten feudalen
Institutionen und Zustände zurückzuwerfen, von welchen es sich für immer be
freit zu haben hoffte.

Der damalige Sieg des Adels gestaltete sich in seinen Folgen für das Land
um so schlimmer, als die restaurirte Partei seitdem noch starrer als bisher das
Alte aufrechthielt. Es lag ihr der Gedanke fern, die wiederangetretene politische
Herrschaft dazu benutzen zu wollen, um die Zusicherungen, welche sie in den
bewegten Frühlingstagen des Jahres 1848 dem Volke gemacht, und die Ver¬
einbarung über eine neue, auf Wahlen ruhende Landesvertretung, welche sie
in eben jener Zeit auf bündigste Weise mit den Landesherren abgeschlossen
hatte, durch Mitwirkung bei einem anderweitigen Versuch zur Herbeiführung
einer Verfassungsresorm in Erfüllung zu bringen. Ihr ganzes Streben ist
vielmehr nur darauf gerichtet, sich in dem ungeschmälerten Besitz der wieder¬
erlangten Machtstellung wo möglich bis an das Ende aller Tage zu behaupten.
So groß ist die Zähigkeit, mit welcher die Partei an den wiedererlangten alten


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einmüthigen Erhebung der Vertreter der Stadt und des Handels von Leipzig
gegen seine falsche Richtung eine Mahnung erblicken, ohne Verzug auf den
rechten Weg zurückzukehren und für seine Vermittlungsversuche einen festen,
aus die materiellen Interessen des Landes und des Zollvereins begründeten
Boden zu gewinnen.




Mecklenburger Briefe.
1. Unser Adel.

„Der Adel hat dem mecklenburgischen Volk seine Verfassung genommen
und es um alle Rechte gebracht, die ihm von Gottes und Rechtswegen zu¬
kommen."

So beurtheilte auf dem Landtage von 1859, unter dem Beifall des gan¬
zen Landes. Herr August Pogge auf Iaöbitz, einer der Führer der liberalen
Partei in der mecklenburgischen Ritterschaft, jene bekannte Agitation seiner
adligen Standesgenossen, durch welche es diesen im Jahre 1850 gelungen war,
das zwischen Fürst und Volk vereinbarte, von ersterem durch feierliches Gelöb-
niß besiegelte, in allen gesetzlichen Formen publicirte und demnächst in volle
Wirksamkeit getretene Staatsgrundgesetz für Mecklenburg - Schwerin vom
1V. Oct. 1849 auf die Seite zu schaffen und das Land in die alten feudalen
Institutionen und Zustände zurückzuwerfen, von welchen es sich für immer be
freit zu haben hoffte.

Der damalige Sieg des Adels gestaltete sich in seinen Folgen für das Land
um so schlimmer, als die restaurirte Partei seitdem noch starrer als bisher das
Alte aufrechthielt. Es lag ihr der Gedanke fern, die wiederangetretene politische
Herrschaft dazu benutzen zu wollen, um die Zusicherungen, welche sie in den
bewegten Frühlingstagen des Jahres 1848 dem Volke gemacht, und die Ver¬
einbarung über eine neue, auf Wahlen ruhende Landesvertretung, welche sie
in eben jener Zeit auf bündigste Weise mit den Landesherren abgeschlossen
hatte, durch Mitwirkung bei einem anderweitigen Versuch zur Herbeiführung
einer Verfassungsresorm in Erfüllung zu bringen. Ihr ganzes Streben ist
vielmehr nur darauf gerichtet, sich in dem ungeschmälerten Besitz der wieder¬
erlangten Machtstellung wo möglich bis an das Ende aller Tage zu behaupten.
So groß ist die Zähigkeit, mit welcher die Partei an den wiedererlangten alten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/299>, abgerufen am 29.04.2024.