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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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wird endlich das Verhältniß deS Zollvereins zu Oestreich in die Angelegenheit
des Handelsvertrags mit Frankreich und der Erneuerung des Zollvereins hinein,
getragen, anstatt daß jeder, dem es um eine baldige und zweckmäßige Erledi¬
gung der letzteren zu thun ist, beide Fragen getrennt zu halten und jede be¬
sonders zu behandeln hat.

Kurz, wenn es uns gelungen ist, die officiöse Erklärung des Dresdner
Journals zu verstehen, so kündigt sie an. daß Hr. v. Reuse zwischen Berlin
einerseits, München und Stuttgart anderseits vermitteln will, und
zwar auf der Basis des Verzichts auf den Handelsvertrag mit Frankreich. Zu
diesem Zwecke verläßt er den Standpunkt, welchen er zuerst im Einklang mit
den wohlverstandenen Interessen Sachsens und des Zollvereins überhaupt ein¬
genommen hatte, stellt sich auf die Seite der Gegner und gelangt für seine
Vermittelung zu einer unmöglichen Basis. Daß hiernach seine Vermit¬
telung keinen Erfolg haben kann, ist einleuchtend. Wenigstens muß Hr. v. Beust
das Scheitern seines Versuchs als eine in Betracht zu ziehende Eventualität
sich denken, und sich die Frage stellen, was dann?

Das Dresdner Journal gibt auch hierüber keine Auskunft; aber der ein¬
fachste Verstand kann auch diese Lücke ergänzen. Wenn man in Wien seinen
guten Willen gezeigt haben wird, dann wird man eben thun müssen, was man
nicht lassen kann, was Hr. v. Beust selbst als unbedingt nothwendig erkannt und
bewiesen hat, man wird sich wieder zu dem Norden wenden, man wird von
der politischen Zuthat, durch welche von Wien aus die Gesundheit des Zoll¬
vereins vergiftet worden ist, absehen, und sich wieder auf die volkswirthschaft-
lichen Interessen zurückziehen. Aber man wird es nicht thun, ohne eine kost¬
bare Zeit verloren, ohne der Production des Vereins erheblichen, in Millionen
Thalern anschaulich zu machenden Schaden zugefügt, ohne selbst an Charakter
und Ruf Einbuße erlitten zu haben. Wenn Hr. v. Schrenck in München die
Mitglieder des Ausschusses des Handelstags damit tröstete, daß man ja noch
ein paar Jahre Zeit habe, so überraschte uns dies nicht, es steht dieser Trost
auf der Höhe des -- bayerischen Gesichtskreises. Wenn dagegen Hr. v. Beust
sein Dresdner Journal ebenfalls diesen Trost dem sächsischen Volke spenden
läßt, so schätzt er offenbar dessen Einsicht und Sachkenntniß zu gering. Die
Schlußapostrophe des Artikels aber, die Warnung, daß man nicht "die wich¬
tigen materiellen Fragen, von deren Beantwortung das Wohl und Wehe von
Millionen fleißiger Menschen abhängt, als Hebel zur Erreichung einseitiger
Parteizwecke benutze" -- diese Mahnung geht nicht an die Adresse der Regie¬
rung und der Kammern Sachsens vom Mai und Juni, sondern an diejenigen,
welche von dem dort betretenen richtigen Wege durch Einwirkungen politischer
Natur auf falsche Wege geleitet worden sind. Möge Hr. v. Beust sich der
Folgen und seiner Verantwortlichkeit für dieselben bewußt werden und in der


wird endlich das Verhältniß deS Zollvereins zu Oestreich in die Angelegenheit
des Handelsvertrags mit Frankreich und der Erneuerung des Zollvereins hinein,
getragen, anstatt daß jeder, dem es um eine baldige und zweckmäßige Erledi¬
gung der letzteren zu thun ist, beide Fragen getrennt zu halten und jede be¬
sonders zu behandeln hat.

Kurz, wenn es uns gelungen ist, die officiöse Erklärung des Dresdner
Journals zu verstehen, so kündigt sie an. daß Hr. v. Reuse zwischen Berlin
einerseits, München und Stuttgart anderseits vermitteln will, und
zwar auf der Basis des Verzichts auf den Handelsvertrag mit Frankreich. Zu
diesem Zwecke verläßt er den Standpunkt, welchen er zuerst im Einklang mit
den wohlverstandenen Interessen Sachsens und des Zollvereins überhaupt ein¬
genommen hatte, stellt sich auf die Seite der Gegner und gelangt für seine
Vermittelung zu einer unmöglichen Basis. Daß hiernach seine Vermit¬
telung keinen Erfolg haben kann, ist einleuchtend. Wenigstens muß Hr. v. Beust
das Scheitern seines Versuchs als eine in Betracht zu ziehende Eventualität
sich denken, und sich die Frage stellen, was dann?

Das Dresdner Journal gibt auch hierüber keine Auskunft; aber der ein¬
fachste Verstand kann auch diese Lücke ergänzen. Wenn man in Wien seinen
guten Willen gezeigt haben wird, dann wird man eben thun müssen, was man
nicht lassen kann, was Hr. v. Beust selbst als unbedingt nothwendig erkannt und
bewiesen hat, man wird sich wieder zu dem Norden wenden, man wird von
der politischen Zuthat, durch welche von Wien aus die Gesundheit des Zoll¬
vereins vergiftet worden ist, absehen, und sich wieder auf die volkswirthschaft-
lichen Interessen zurückziehen. Aber man wird es nicht thun, ohne eine kost¬
bare Zeit verloren, ohne der Production des Vereins erheblichen, in Millionen
Thalern anschaulich zu machenden Schaden zugefügt, ohne selbst an Charakter
und Ruf Einbuße erlitten zu haben. Wenn Hr. v. Schrenck in München die
Mitglieder des Ausschusses des Handelstags damit tröstete, daß man ja noch
ein paar Jahre Zeit habe, so überraschte uns dies nicht, es steht dieser Trost
auf der Höhe des — bayerischen Gesichtskreises. Wenn dagegen Hr. v. Beust
sein Dresdner Journal ebenfalls diesen Trost dem sächsischen Volke spenden
läßt, so schätzt er offenbar dessen Einsicht und Sachkenntniß zu gering. Die
Schlußapostrophe des Artikels aber, die Warnung, daß man nicht „die wich¬
tigen materiellen Fragen, von deren Beantwortung das Wohl und Wehe von
Millionen fleißiger Menschen abhängt, als Hebel zur Erreichung einseitiger
Parteizwecke benutze" — diese Mahnung geht nicht an die Adresse der Regie¬
rung und der Kammern Sachsens vom Mai und Juni, sondern an diejenigen,
welche von dem dort betretenen richtigen Wege durch Einwirkungen politischer
Natur auf falsche Wege geleitet worden sind. Möge Hr. v. Beust sich der
Folgen und seiner Verantwortlichkeit für dieselben bewußt werden und in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/298>, abgerufen am 15.05.2024.