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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Die Pnrteikmnpfe in den freien Städten.
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Die vier freien Städte Deutschlands sind bekanntlich als Republiken nicht
recht anerkannt. Sie haben sich dem Einfluß der sie umgebenden Monarchien so
wenig zu entziehen vermocht, daß ihre Existenz das monarchische Princip nie¬
mals auch nur im Entferntesten bedroht, in Schranken gehalten oder gemildert
hat. Mit Ausnahme einiger Kirchthnrmspolitiker in Frankfurt träumt denn
auch wohl kein Freistädter von der Möglichkeit, seine Staatsform anstatt der
rings um ihn herum herrschenden über das ganze Vaterland auszubreiten; und
selbst in dem Frankfurter Preußenhaß läßt sich kaum ein Element entdecken,
das aus der Angst entspränge, eines Tags in dem preußischen Konig einen
über alle Deutschen, also auch über die Main-Republikaner gesetzten Monarchen
anerkennen zu müssen. Gerade am Sitz des Bundestags fühlt man am besten,
daß man anstatt Eines jetzt dreißig unverantwortliche Oberhäupter zu er¬
tragen hat.

Gleichwohl fällt die Entwicklung des politischen Lebens in unsern freien
Städten nicht schlechthin zusammen mit der in ihren Nachbarländern. Es be¬
hauptet seine Eigenthümlichkeiten, die zumal seit 1859 mit der zunehmenden
Theilnahme des Volks an den Staatsdingen wieder schärfer hervortritt. Wenn
dabei Hamburg und Frankfurt ihren SchwcsterMten voran sind, so ist das
bei dem weltstädtischen Charakter derselben im Gegensatz zu dem mehr in sich ab¬
geschlossenen Gepräge Bremens und zu Lübecks unbewegtem Pflanzendascin natür¬
lich genug. Nur durch Hamburg und Frankfurt wogt der volle Strom heuti¬
gen Menschen- und Gedanken-Verkehrs -- nur in ihnen schlägt die wechselnde
Fluth der Zeit wirkliche Wellen, während sie in Bremen nur schwach, wenn
auch stetig bewegt erscheint und in Lübeck zum Sumpf wird.

In den freien Städten fehlt dem zur Herrschaft aufstrebenden Bürgerthum
ein Gegner, der ihm in den meisten monarchischen Staaten Deutschlands den
Sieg noch streitig macht: der Iunkeradel. In den freien Städten hat das
Bürgerthum 'außerdem nicht wie in den monarchischen Staaten einen guten
Theil seiner Kraft vermöge der Bureaukratie in den Dienst der feindlichen, sein
Emporkommen niederhaltenden Gewalten geben müssen'. Es vermag sich hier
daher innerlich stärker, äußerlich ungehemmter zu entfalten, so viel Entfaltung
der geringe Umfang des Gebiets nun eben zulassen will. Die Folge muß sein
und ist, daß die aristokratische und die demokratische Tendenz des Jahrhunderts
innerhalb des Bürgerthums selber einander in die Haare gerathen. Ueberall


Die Pnrteikmnpfe in den freien Städten.
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Die vier freien Städte Deutschlands sind bekanntlich als Republiken nicht
recht anerkannt. Sie haben sich dem Einfluß der sie umgebenden Monarchien so
wenig zu entziehen vermocht, daß ihre Existenz das monarchische Princip nie¬
mals auch nur im Entferntesten bedroht, in Schranken gehalten oder gemildert
hat. Mit Ausnahme einiger Kirchthnrmspolitiker in Frankfurt träumt denn
auch wohl kein Freistädter von der Möglichkeit, seine Staatsform anstatt der
rings um ihn herum herrschenden über das ganze Vaterland auszubreiten; und
selbst in dem Frankfurter Preußenhaß läßt sich kaum ein Element entdecken,
das aus der Angst entspränge, eines Tags in dem preußischen Konig einen
über alle Deutschen, also auch über die Main-Republikaner gesetzten Monarchen
anerkennen zu müssen. Gerade am Sitz des Bundestags fühlt man am besten,
daß man anstatt Eines jetzt dreißig unverantwortliche Oberhäupter zu er¬
tragen hat.

Gleichwohl fällt die Entwicklung des politischen Lebens in unsern freien
Städten nicht schlechthin zusammen mit der in ihren Nachbarländern. Es be¬
hauptet seine Eigenthümlichkeiten, die zumal seit 1859 mit der zunehmenden
Theilnahme des Volks an den Staatsdingen wieder schärfer hervortritt. Wenn
dabei Hamburg und Frankfurt ihren SchwcsterMten voran sind, so ist das
bei dem weltstädtischen Charakter derselben im Gegensatz zu dem mehr in sich ab¬
geschlossenen Gepräge Bremens und zu Lübecks unbewegtem Pflanzendascin natür¬
lich genug. Nur durch Hamburg und Frankfurt wogt der volle Strom heuti¬
gen Menschen- und Gedanken-Verkehrs — nur in ihnen schlägt die wechselnde
Fluth der Zeit wirkliche Wellen, während sie in Bremen nur schwach, wenn
auch stetig bewegt erscheint und in Lübeck zum Sumpf wird.

In den freien Städten fehlt dem zur Herrschaft aufstrebenden Bürgerthum
ein Gegner, der ihm in den meisten monarchischen Staaten Deutschlands den
Sieg noch streitig macht: der Iunkeradel. In den freien Städten hat das
Bürgerthum 'außerdem nicht wie in den monarchischen Staaten einen guten
Theil seiner Kraft vermöge der Bureaukratie in den Dienst der feindlichen, sein
Emporkommen niederhaltenden Gewalten geben müssen'. Es vermag sich hier
daher innerlich stärker, äußerlich ungehemmter zu entfalten, so viel Entfaltung
der geringe Umfang des Gebiets nun eben zulassen will. Die Folge muß sein
und ist, daß die aristokratische und die demokratische Tendenz des Jahrhunderts
innerhalb des Bürgerthums selber einander in die Haare gerathen. Ueberall


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[0382] Die Pnrteikmnpfe in den freien Städten. ''' Die vier freien Städte Deutschlands sind bekanntlich als Republiken nicht recht anerkannt. Sie haben sich dem Einfluß der sie umgebenden Monarchien so wenig zu entziehen vermocht, daß ihre Existenz das monarchische Princip nie¬ mals auch nur im Entferntesten bedroht, in Schranken gehalten oder gemildert hat. Mit Ausnahme einiger Kirchthnrmspolitiker in Frankfurt träumt denn auch wohl kein Freistädter von der Möglichkeit, seine Staatsform anstatt der rings um ihn herum herrschenden über das ganze Vaterland auszubreiten; und selbst in dem Frankfurter Preußenhaß läßt sich kaum ein Element entdecken, das aus der Angst entspränge, eines Tags in dem preußischen Konig einen über alle Deutschen, also auch über die Main-Republikaner gesetzten Monarchen anerkennen zu müssen. Gerade am Sitz des Bundestags fühlt man am besten, daß man anstatt Eines jetzt dreißig unverantwortliche Oberhäupter zu er¬ tragen hat. Gleichwohl fällt die Entwicklung des politischen Lebens in unsern freien Städten nicht schlechthin zusammen mit der in ihren Nachbarländern. Es be¬ hauptet seine Eigenthümlichkeiten, die zumal seit 1859 mit der zunehmenden Theilnahme des Volks an den Staatsdingen wieder schärfer hervortritt. Wenn dabei Hamburg und Frankfurt ihren SchwcsterMten voran sind, so ist das bei dem weltstädtischen Charakter derselben im Gegensatz zu dem mehr in sich ab¬ geschlossenen Gepräge Bremens und zu Lübecks unbewegtem Pflanzendascin natür¬ lich genug. Nur durch Hamburg und Frankfurt wogt der volle Strom heuti¬ gen Menschen- und Gedanken-Verkehrs — nur in ihnen schlägt die wechselnde Fluth der Zeit wirkliche Wellen, während sie in Bremen nur schwach, wenn auch stetig bewegt erscheint und in Lübeck zum Sumpf wird. In den freien Städten fehlt dem zur Herrschaft aufstrebenden Bürgerthum ein Gegner, der ihm in den meisten monarchischen Staaten Deutschlands den Sieg noch streitig macht: der Iunkeradel. In den freien Städten hat das Bürgerthum 'außerdem nicht wie in den monarchischen Staaten einen guten Theil seiner Kraft vermöge der Bureaukratie in den Dienst der feindlichen, sein Emporkommen niederhaltenden Gewalten geben müssen'. Es vermag sich hier daher innerlich stärker, äußerlich ungehemmter zu entfalten, so viel Entfaltung der geringe Umfang des Gebiets nun eben zulassen will. Die Folge muß sein und ist, daß die aristokratische und die demokratische Tendenz des Jahrhunderts innerhalb des Bürgerthums selber einander in die Haare gerathen. Ueberall

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/382>, abgerufen am 28.04.2024.