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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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schweizerischer Gemeinsinn.

Wir haben vor Kurzem (Ur. 39 d. I.) auf einige dunkle Stellen im
Culturleben der innern Schweiz hingewiesen. Heute gereicht es uns zu herzlicher
Freude, von einer der vielen lichten Erscheinungen ein Bild geben zu können,
welche den Eidgenossen mit Stolz und weite Kreise unter den Nachbarn mit
lauter Bewunderung und stillem Begehren auf die Alpenrepublik und ihr Volk
blicken lassen. Wir meinen den Brand von Glarus und die Aeußerungen des
Gemeinsinns, welche dieses dunkelste Blatt in der neuesten Geschichte der Schweiz
in eines der hellsten verwandelten und in glänzender Weise bekundeten, daß
der alte Wahrspruch der Eidgenossenschaft: "Einer für Alle, Alle für Einen"
noch in allen Schweizerherzen lebenswarme und fruchtbare Wahrheit ist.

Das Unglück, welches Glarus betraf, ist bekannt, die Art, wie geholfen
wurde, nur zum Theil, und so mögen hier einige Auszüge aus dem Bericht
folgen, welchen das Hülfscomitö nach Schluß der Rechnungen über die Fülle
von Gaben erstattete, die ihm zunächst aus dem Heimathscanton, dann aus der
ganzen Eidgenossenschaft und zuletzt aus der großen, über die !ganze gesammte
Erde zerstreuten Schweizergemeinde sowie von ausländischen Wohlthätern zu¬
flössen').

In der Nacht vom 10. zum 11. Mai 1861 hatte eine Brunst, vom Föhn
zu schrecklicher Heftigkeit angeblasen, das gewerbfleißige blühende Glarus zu
mehr als zwei Drittheilen in einen Aschenhaufen verwandelt. Mehr als fünf¬
hundert Häuser, darunter die ganze schöne Hauptstraße, die Kirche, die beiden
Rathhäuser, das Regierungsgebäude, die Bank, waren zerstört, an dreitausend
Menschen ohne Obdach, ein Schade von weit über acht Millionen Franken an¬
gerichtet. Aber so schwer das Unglück, so rasch und reich war auch das thä-
thige Mitleid, welches auf die Kunde davon allenthalben im Schweizerlande
sich regte.

Der Ruf des Hülsscomites war kaum ergangen, als schon von allen Sei-
ten Gaben herbeiströmten, um Linderung der dringendsten Noth zu schaffen. In
allen Cantonen traten Comite's zusammen, beriethen die Regierungen über den
rechten Weg zur Abhülfe, sandten zahlreiche Einzelne ihre Beisteuer zum Wieder"



") Der Brand von Glarus "in 10,/n. Mai 1861. Berichterstattung des Hülstcomits in
Glarus. Glarus, Buchdruck, von Fr, Schmid. 1862.
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schweizerischer Gemeinsinn.

Wir haben vor Kurzem (Ur. 39 d. I.) auf einige dunkle Stellen im
Culturleben der innern Schweiz hingewiesen. Heute gereicht es uns zu herzlicher
Freude, von einer der vielen lichten Erscheinungen ein Bild geben zu können,
welche den Eidgenossen mit Stolz und weite Kreise unter den Nachbarn mit
lauter Bewunderung und stillem Begehren auf die Alpenrepublik und ihr Volk
blicken lassen. Wir meinen den Brand von Glarus und die Aeußerungen des
Gemeinsinns, welche dieses dunkelste Blatt in der neuesten Geschichte der Schweiz
in eines der hellsten verwandelten und in glänzender Weise bekundeten, daß
der alte Wahrspruch der Eidgenossenschaft: „Einer für Alle, Alle für Einen"
noch in allen Schweizerherzen lebenswarme und fruchtbare Wahrheit ist.

Das Unglück, welches Glarus betraf, ist bekannt, die Art, wie geholfen
wurde, nur zum Theil, und so mögen hier einige Auszüge aus dem Bericht
folgen, welchen das Hülfscomitö nach Schluß der Rechnungen über die Fülle
von Gaben erstattete, die ihm zunächst aus dem Heimathscanton, dann aus der
ganzen Eidgenossenschaft und zuletzt aus der großen, über die !ganze gesammte
Erde zerstreuten Schweizergemeinde sowie von ausländischen Wohlthätern zu¬
flössen').

In der Nacht vom 10. zum 11. Mai 1861 hatte eine Brunst, vom Föhn
zu schrecklicher Heftigkeit angeblasen, das gewerbfleißige blühende Glarus zu
mehr als zwei Drittheilen in einen Aschenhaufen verwandelt. Mehr als fünf¬
hundert Häuser, darunter die ganze schöne Hauptstraße, die Kirche, die beiden
Rathhäuser, das Regierungsgebäude, die Bank, waren zerstört, an dreitausend
Menschen ohne Obdach, ein Schade von weit über acht Millionen Franken an¬
gerichtet. Aber so schwer das Unglück, so rasch und reich war auch das thä-
thige Mitleid, welches auf die Kunde davon allenthalben im Schweizerlande
sich regte.

Der Ruf des Hülsscomites war kaum ergangen, als schon von allen Sei-
ten Gaben herbeiströmten, um Linderung der dringendsten Noth zu schaffen. In
allen Cantonen traten Comite's zusammen, beriethen die Regierungen über den
rechten Weg zur Abhülfe, sandten zahlreiche Einzelne ihre Beisteuer zum Wieder«



") Der Brand von Glarus «in 10,/n. Mai 1861. Berichterstattung des Hülstcomits in
Glarus. Glarus, Buchdruck, von Fr, Schmid. 1862.
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[0385] schweizerischer Gemeinsinn. Wir haben vor Kurzem (Ur. 39 d. I.) auf einige dunkle Stellen im Culturleben der innern Schweiz hingewiesen. Heute gereicht es uns zu herzlicher Freude, von einer der vielen lichten Erscheinungen ein Bild geben zu können, welche den Eidgenossen mit Stolz und weite Kreise unter den Nachbarn mit lauter Bewunderung und stillem Begehren auf die Alpenrepublik und ihr Volk blicken lassen. Wir meinen den Brand von Glarus und die Aeußerungen des Gemeinsinns, welche dieses dunkelste Blatt in der neuesten Geschichte der Schweiz in eines der hellsten verwandelten und in glänzender Weise bekundeten, daß der alte Wahrspruch der Eidgenossenschaft: „Einer für Alle, Alle für Einen" noch in allen Schweizerherzen lebenswarme und fruchtbare Wahrheit ist. Das Unglück, welches Glarus betraf, ist bekannt, die Art, wie geholfen wurde, nur zum Theil, und so mögen hier einige Auszüge aus dem Bericht folgen, welchen das Hülfscomitö nach Schluß der Rechnungen über die Fülle von Gaben erstattete, die ihm zunächst aus dem Heimathscanton, dann aus der ganzen Eidgenossenschaft und zuletzt aus der großen, über die !ganze gesammte Erde zerstreuten Schweizergemeinde sowie von ausländischen Wohlthätern zu¬ flössen'). In der Nacht vom 10. zum 11. Mai 1861 hatte eine Brunst, vom Föhn zu schrecklicher Heftigkeit angeblasen, das gewerbfleißige blühende Glarus zu mehr als zwei Drittheilen in einen Aschenhaufen verwandelt. Mehr als fünf¬ hundert Häuser, darunter die ganze schöne Hauptstraße, die Kirche, die beiden Rathhäuser, das Regierungsgebäude, die Bank, waren zerstört, an dreitausend Menschen ohne Obdach, ein Schade von weit über acht Millionen Franken an¬ gerichtet. Aber so schwer das Unglück, so rasch und reich war auch das thä- thige Mitleid, welches auf die Kunde davon allenthalben im Schweizerlande sich regte. Der Ruf des Hülsscomites war kaum ergangen, als schon von allen Sei- ten Gaben herbeiströmten, um Linderung der dringendsten Noth zu schaffen. In allen Cantonen traten Comite's zusammen, beriethen die Regierungen über den rechten Weg zur Abhülfe, sandten zahlreiche Einzelne ihre Beisteuer zum Wieder« ") Der Brand von Glarus «in 10,/n. Mai 1861. Berichterstattung des Hülstcomits in Glarus. Glarus, Buchdruck, von Fr, Schmid. 1862. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/385>, abgerufen am 29.04.2024.