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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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lich antiöstreichisch gemacht. Es weiß, daß ihm von Oestreich noch niemals
etwas Gutes gebracht worden ist. Hat doch Hassenpflug für seine der öst¬
reichischen Politik geleisteten guten Dienste das Großkreuz des Stephansordens
erhalten.

Soeben erfahre ich noch, daß den Ständen in der heutigen Sitzung das
Budget vorgelegt worden ist. Auch eine theilweise Erledigung des Oetkerschen
Antrags wird zugesichert; desgleichen eine Vorlage wegen des Baues der
Hanau-Bebra-Eisenbahn.

Die Offiziere wurden heute benachrichtigt, daß Haynau den Hauptmann
Dörr gefordert, dieser aber (natürlich) die Forderung nicht angenommen habe.

Haynau ist (in Folge dessen) zur heutigen Tafel befohlen.

Die Tragödie von 1850 beginnt von Neuem. Auch ohne prophetische
Gabe läßt sich dieses mit Bestimmtheit vorhersagen. Die große Mehrheit der
Offiziere betrachtet die Sache mit nichten als erledigt. Haynau, v. Ende und
noch zwei seiner Anhänger, lauter höhere Offiziere, sind aus dem Militärcasino
ausgetreten, -- weil Hauptmann Dörr Mitglied ist. Von den übrigen Offi¬
zieren ist bis jetzt keiner gefolgt. Auch ein Zeichen der Zeit.

Letsrum ebnsso -- -- --




Ein neues Buch von Fritz Reuter.

Olla Kamelien von Fritz Reuter. Zweiter Theil. Ut mine Fcstungstid: Wismar
und Ludwigslust. Verlag der Hmstorffschen Buchhandlung. 1862.

"Was so'n Mensch alles erleben thut", sagte Vater Rickert -- damals
lebt' er noch -- als sein Johann vom Wallfischfang zurückgekommen war und
nun Abends beim Dunkelwerden von Eisbergen und Eisbären erzählte. --
"Was so'n Mensch alles erleben thut", sagte der alte Schulz Papentin, als er
des Abends mit dem alten Baumgarten aus dem Krug nach Hause ging, wo
Friedrich Schulz von der Schlacht bei Leipzig erzählt hatte. "Unsereins kann
siebzig Jahr alt werden, aber erleben thut er nichts." -- "Du hast recht,
Vater", sagte Baumgarten. Ich aber sage: der Schulz hat Unrecht. So egal
und so sacht fließt kein Lebenslauf, daß er nicht einmal gegen einen Damm
stieße und sich im Kreisel drehte, oder daß ihm die Menschen Steine ins klare


lich antiöstreichisch gemacht. Es weiß, daß ihm von Oestreich noch niemals
etwas Gutes gebracht worden ist. Hat doch Hassenpflug für seine der öst¬
reichischen Politik geleisteten guten Dienste das Großkreuz des Stephansordens
erhalten.

Soeben erfahre ich noch, daß den Ständen in der heutigen Sitzung das
Budget vorgelegt worden ist. Auch eine theilweise Erledigung des Oetkerschen
Antrags wird zugesichert; desgleichen eine Vorlage wegen des Baues der
Hanau-Bebra-Eisenbahn.

Die Offiziere wurden heute benachrichtigt, daß Haynau den Hauptmann
Dörr gefordert, dieser aber (natürlich) die Forderung nicht angenommen habe.

Haynau ist (in Folge dessen) zur heutigen Tafel befohlen.

Die Tragödie von 1850 beginnt von Neuem. Auch ohne prophetische
Gabe läßt sich dieses mit Bestimmtheit vorhersagen. Die große Mehrheit der
Offiziere betrachtet die Sache mit nichten als erledigt. Haynau, v. Ende und
noch zwei seiner Anhänger, lauter höhere Offiziere, sind aus dem Militärcasino
ausgetreten, — weil Hauptmann Dörr Mitglied ist. Von den übrigen Offi¬
zieren ist bis jetzt keiner gefolgt. Auch ein Zeichen der Zeit.

Letsrum ebnsso — — —




Ein neues Buch von Fritz Reuter.

Olla Kamelien von Fritz Reuter. Zweiter Theil. Ut mine Fcstungstid: Wismar
und Ludwigslust. Verlag der Hmstorffschen Buchhandlung. 1862.

„Was so'n Mensch alles erleben thut", sagte Vater Rickert — damals
lebt' er noch — als sein Johann vom Wallfischfang zurückgekommen war und
nun Abends beim Dunkelwerden von Eisbergen und Eisbären erzählte. —
„Was so'n Mensch alles erleben thut", sagte der alte Schulz Papentin, als er
des Abends mit dem alten Baumgarten aus dem Krug nach Hause ging, wo
Friedrich Schulz von der Schlacht bei Leipzig erzählt hatte. „Unsereins kann
siebzig Jahr alt werden, aber erleben thut er nichts." — „Du hast recht,
Vater", sagte Baumgarten. Ich aber sage: der Schulz hat Unrecht. So egal
und so sacht fließt kein Lebenslauf, daß er nicht einmal gegen einen Damm
stieße und sich im Kreisel drehte, oder daß ihm die Menschen Steine ins klare


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/460>, abgerufen am 28.04.2024.