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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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sich selbst bestimmen können. Der Student wird zu der unsinnigen Prätension
verführt, Beides vereinigen zu wollen, den Vortheil der Unzurechnungsfähigkeit
und der Freiheit, die kindliche Naivetät des Spiels mit männlicher Würde selb¬
ständiger Stellung im Ernst des Lebens. Dafür wird durch die halb väter¬
liche halb bürgerliche..Rechtsstellung. die keins von Beiden recht ist, gesorgt, und
diesen abscheulichen Zwitterzustand nennt man mit Pathos akademische Frei¬
heit, ein trauriges Beispiel, wie unklar uns der Begriff der Freiheit im Gan¬
zen noch ist. Mag dieser Mißstand in größeren Städten sich von selbst mehr
abschleifen, so verdienen die kleinen Universitäten nicht minder Berücksichtigung
und Befreiung von dem Unwesen, mit dem sie sonst unfehlbar selbst Zdem
Untergange zugeführt werden; und das wäre sehr zu beklagen, da nur diese
zerstreuten Musensitze es so vielen Unbemittelten möglich machen, in den Stand
der wissenschaftlich Gebildeten einzutreten. der mehr als irgend ein anderer be¬
ständiger Erneuerung bedarf. Gerade die jungen Kräfte aber, die wir auf den
kleinen Universitäten aus meist sehr bescheidenen .Umgebungen in den Strudel
der in einem geordneten Staate sonst undenkbaren Unabhängigkeit geschleudert
sehen, sind es vor allen, die in der Entwickelung dadurch verdorben werben, daß
sie sich an diesen Zustand gewöhnen und nachher als elende "Philister" in der
ganzen langen Zeit der wahren männlichen Reise auf seine Unregelmäßigkeit
als' verlorenes Paradies mit ohnmächtiger Sehnsucht zurückblicken.




Die Bedeutung des Lautes in der Sprache.

Die Sinne führen uns in das ganze Gebiet der Außenwelt, das Auge
in die Welt des Lichtes mit aller Herrlichkeit der Farben, das Ohr in die
Welt der Töne und so die übrigen Sinne in die ihnen, entsprechenden Ge¬
biete. Die dadurch erhaltenen Eindrücke, die Anschauungen und Vorstellungen
bleiben nicht unwirksam in uns; es prägt sich uns, wenn wir den äußern
Eindrücken unsere Aufmerksamkeit zuwenden,, nicht nur ein Bild derselben ein, so
daß wir sie in späterer Zeit bei gegebener Gelegenheit wieder hervorrufen
können, sondern die Lebenskraft, die Seele ist auch sofort thätig, in dem Körper
eine solche Veränderung hervorzubringen, welche dem von außen kommenden
Eindruck genau entspricht. Nicht blos wird die Außenwelt psychisch gemacht,


sich selbst bestimmen können. Der Student wird zu der unsinnigen Prätension
verführt, Beides vereinigen zu wollen, den Vortheil der Unzurechnungsfähigkeit
und der Freiheit, die kindliche Naivetät des Spiels mit männlicher Würde selb¬
ständiger Stellung im Ernst des Lebens. Dafür wird durch die halb väter¬
liche halb bürgerliche..Rechtsstellung. die keins von Beiden recht ist, gesorgt, und
diesen abscheulichen Zwitterzustand nennt man mit Pathos akademische Frei¬
heit, ein trauriges Beispiel, wie unklar uns der Begriff der Freiheit im Gan¬
zen noch ist. Mag dieser Mißstand in größeren Städten sich von selbst mehr
abschleifen, so verdienen die kleinen Universitäten nicht minder Berücksichtigung
und Befreiung von dem Unwesen, mit dem sie sonst unfehlbar selbst Zdem
Untergange zugeführt werden; und das wäre sehr zu beklagen, da nur diese
zerstreuten Musensitze es so vielen Unbemittelten möglich machen, in den Stand
der wissenschaftlich Gebildeten einzutreten. der mehr als irgend ein anderer be¬
ständiger Erneuerung bedarf. Gerade die jungen Kräfte aber, die wir auf den
kleinen Universitäten aus meist sehr bescheidenen .Umgebungen in den Strudel
der in einem geordneten Staate sonst undenkbaren Unabhängigkeit geschleudert
sehen, sind es vor allen, die in der Entwickelung dadurch verdorben werben, daß
sie sich an diesen Zustand gewöhnen und nachher als elende „Philister" in der
ganzen langen Zeit der wahren männlichen Reise auf seine Unregelmäßigkeit
als' verlorenes Paradies mit ohnmächtiger Sehnsucht zurückblicken.




Die Bedeutung des Lautes in der Sprache.

Die Sinne führen uns in das ganze Gebiet der Außenwelt, das Auge
in die Welt des Lichtes mit aller Herrlichkeit der Farben, das Ohr in die
Welt der Töne und so die übrigen Sinne in die ihnen, entsprechenden Ge¬
biete. Die dadurch erhaltenen Eindrücke, die Anschauungen und Vorstellungen
bleiben nicht unwirksam in uns; es prägt sich uns, wenn wir den äußern
Eindrücken unsere Aufmerksamkeit zuwenden,, nicht nur ein Bild derselben ein, so
daß wir sie in späterer Zeit bei gegebener Gelegenheit wieder hervorrufen
können, sondern die Lebenskraft, die Seele ist auch sofort thätig, in dem Körper
eine solche Veränderung hervorzubringen, welche dem von außen kommenden
Eindruck genau entspricht. Nicht blos wird die Außenwelt psychisch gemacht,


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[0055] sich selbst bestimmen können. Der Student wird zu der unsinnigen Prätension verführt, Beides vereinigen zu wollen, den Vortheil der Unzurechnungsfähigkeit und der Freiheit, die kindliche Naivetät des Spiels mit männlicher Würde selb¬ ständiger Stellung im Ernst des Lebens. Dafür wird durch die halb väter¬ liche halb bürgerliche..Rechtsstellung. die keins von Beiden recht ist, gesorgt, und diesen abscheulichen Zwitterzustand nennt man mit Pathos akademische Frei¬ heit, ein trauriges Beispiel, wie unklar uns der Begriff der Freiheit im Gan¬ zen noch ist. Mag dieser Mißstand in größeren Städten sich von selbst mehr abschleifen, so verdienen die kleinen Universitäten nicht minder Berücksichtigung und Befreiung von dem Unwesen, mit dem sie sonst unfehlbar selbst Zdem Untergange zugeführt werden; und das wäre sehr zu beklagen, da nur diese zerstreuten Musensitze es so vielen Unbemittelten möglich machen, in den Stand der wissenschaftlich Gebildeten einzutreten. der mehr als irgend ein anderer be¬ ständiger Erneuerung bedarf. Gerade die jungen Kräfte aber, die wir auf den kleinen Universitäten aus meist sehr bescheidenen .Umgebungen in den Strudel der in einem geordneten Staate sonst undenkbaren Unabhängigkeit geschleudert sehen, sind es vor allen, die in der Entwickelung dadurch verdorben werben, daß sie sich an diesen Zustand gewöhnen und nachher als elende „Philister" in der ganzen langen Zeit der wahren männlichen Reise auf seine Unregelmäßigkeit als' verlorenes Paradies mit ohnmächtiger Sehnsucht zurückblicken. Die Bedeutung des Lautes in der Sprache. Die Sinne führen uns in das ganze Gebiet der Außenwelt, das Auge in die Welt des Lichtes mit aller Herrlichkeit der Farben, das Ohr in die Welt der Töne und so die übrigen Sinne in die ihnen, entsprechenden Ge¬ biete. Die dadurch erhaltenen Eindrücke, die Anschauungen und Vorstellungen bleiben nicht unwirksam in uns; es prägt sich uns, wenn wir den äußern Eindrücken unsere Aufmerksamkeit zuwenden,, nicht nur ein Bild derselben ein, so daß wir sie in späterer Zeit bei gegebener Gelegenheit wieder hervorrufen können, sondern die Lebenskraft, die Seele ist auch sofort thätig, in dem Körper eine solche Veränderung hervorzubringen, welche dem von außen kommenden Eindruck genau entspricht. Nicht blos wird die Außenwelt psychisch gemacht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/55>, abgerufen am 29.04.2024.