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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Wir haben in diesen Wochen das Departements-Ersatzgeschäft abgewickelt.
Mit dem glänzendsten Erfolge; denn es fehlten kaum mehr Leute als sonst, die
Amerikaner, Doch wäre der Schluß irrig, daß deswegen wenig Leute "drüben"
wären; im Gegentheil bereiten sich eben wieder neue Zuzüge, denen der hohe
Stand der Saaten treffliche Dienste leistet. Aber die Nationalregierung ertheilt
den preußischen Heerespflichtigen Urlaub. So haben wir denn auch wieder
Nachrichten aus dem Lager, aber eben keine neuen. Schmale Kost für die Leute,
Kartoffeln, Grütze und viel Schnaps, gar kein Fleisch; ungleiche Bewaffnung;
allerlei Exercitien, bei denen die Bäume den Schützen die Scheiben ersetzen
müssen; Verdrossenheit des gemeinen Mannes, der sich dennoch fügt. Ein
schwerer Schlag für die Insurgenten ist der hoffnungslose Zustand von Mielecki.
Derselbe wird aus einem Gute bei Labischin verpflegt, und war ihm noch immer
ein Commando offen gehalten.

Zuletzt habe ich noch eines Testamentes zu gedenken, in dem der zu Dresden
verstorbene Kammerherr Graf v. Garczynski 70,000 Thlr. für ein Cadettenhaus
in Posen ausgeworfen hat. und da wir einmal in Ihrer Heimath sind, so
mache ich Sie auf die Bilder der Jllustrirten Zeitung von unserm Kronfort
und von hiesiger Stadt (Posen) aufmerksam. Weder Bild noch Text sind
correct.




Das Schwelgen der Presse in Preußen.

Ist es nothwendig, daß die Presse eines hochgebildeten,'ruhmreichen Vol¬
kes grundsätzlich schweigt über die verhängnißvollen Fragen, die jedes Mannes
Herz bewegen? Soll, so lange die Verordnung vom 1. Juni besteht, die Presse
Preußens über die bedrängte Lage des Vaterlandes nichts Anderes zu Tage
fördern als die unfläthigen Schimpfreden der reactionären Blätter, einige dürf¬
tige thatsächliche Notizen und, wenn es hoch kommt, ein paar ärmliche Bro¬
samen, die von dem Tische des reichen Mannes, der Presse in den kleinen
deutschen Staaten, abfallen? Kein ehrlicher Liberaler in Deutschland, der nicht
tiefbewegt diese ernsten Fragen in den letzten Wochen bei sich erwogen hätte.
Und kein Wunder, daß die Antworten weit auseinandergehen. Wir sind alle
groß geworden in den Begriffen des Rechtsstaates. An den Gedanken, daß
für die Presse irgend ein Recht, wenn auch ein hartes, lästiges, bestehen
müsse, sind wir gewöhnt wie an die Luft, die wir athmen. Nicht jedem fällt
es leicht, sich in die Vorstellung einzuleben, daß wirklich das Eigenthum der
preußischen Verleger, die Existenz der preußischen Journalisten lediglich dem


Wir haben in diesen Wochen das Departements-Ersatzgeschäft abgewickelt.
Mit dem glänzendsten Erfolge; denn es fehlten kaum mehr Leute als sonst, die
Amerikaner, Doch wäre der Schluß irrig, daß deswegen wenig Leute „drüben"
wären; im Gegentheil bereiten sich eben wieder neue Zuzüge, denen der hohe
Stand der Saaten treffliche Dienste leistet. Aber die Nationalregierung ertheilt
den preußischen Heerespflichtigen Urlaub. So haben wir denn auch wieder
Nachrichten aus dem Lager, aber eben keine neuen. Schmale Kost für die Leute,
Kartoffeln, Grütze und viel Schnaps, gar kein Fleisch; ungleiche Bewaffnung;
allerlei Exercitien, bei denen die Bäume den Schützen die Scheiben ersetzen
müssen; Verdrossenheit des gemeinen Mannes, der sich dennoch fügt. Ein
schwerer Schlag für die Insurgenten ist der hoffnungslose Zustand von Mielecki.
Derselbe wird aus einem Gute bei Labischin verpflegt, und war ihm noch immer
ein Commando offen gehalten.

Zuletzt habe ich noch eines Testamentes zu gedenken, in dem der zu Dresden
verstorbene Kammerherr Graf v. Garczynski 70,000 Thlr. für ein Cadettenhaus
in Posen ausgeworfen hat. und da wir einmal in Ihrer Heimath sind, so
mache ich Sie auf die Bilder der Jllustrirten Zeitung von unserm Kronfort
und von hiesiger Stadt (Posen) aufmerksam. Weder Bild noch Text sind
correct.




Das Schwelgen der Presse in Preußen.

Ist es nothwendig, daß die Presse eines hochgebildeten,'ruhmreichen Vol¬
kes grundsätzlich schweigt über die verhängnißvollen Fragen, die jedes Mannes
Herz bewegen? Soll, so lange die Verordnung vom 1. Juni besteht, die Presse
Preußens über die bedrängte Lage des Vaterlandes nichts Anderes zu Tage
fördern als die unfläthigen Schimpfreden der reactionären Blätter, einige dürf¬
tige thatsächliche Notizen und, wenn es hoch kommt, ein paar ärmliche Bro¬
samen, die von dem Tische des reichen Mannes, der Presse in den kleinen
deutschen Staaten, abfallen? Kein ehrlicher Liberaler in Deutschland, der nicht
tiefbewegt diese ernsten Fragen in den letzten Wochen bei sich erwogen hätte.
Und kein Wunder, daß die Antworten weit auseinandergehen. Wir sind alle
groß geworden in den Begriffen des Rechtsstaates. An den Gedanken, daß
für die Presse irgend ein Recht, wenn auch ein hartes, lästiges, bestehen
müsse, sind wir gewöhnt wie an die Luft, die wir athmen. Nicht jedem fällt
es leicht, sich in die Vorstellung einzuleben, daß wirklich das Eigenthum der
preußischen Verleger, die Existenz der preußischen Journalisten lediglich dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/119>, abgerufen am 29.04.2024.