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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Vermischte Literatur.
Die Zigeuner in ihrem Wesen und in ihrer Sprache. Nach eignen
Beobachtungen dargestellt von Dr. Richard Licbich, Leizpzig. F. A. Brockhaus. 1863.
272 S.

Ein rcussischcr Criminalbcamter gibt uns hier eine Abhandlung über Herkunft,
Charakter, Lebensweise, Religion, "politische Verfassung", Poesie und Sprache der
Zigeuner, die insofern werthvoll ist, als sie zwar nicht, wie der Verfasser behauptet,
ihrem ganzen Inhalt nach, wohl aber größtentheils aus dem Munde von Zigeunern
selbst stammt und zwar aus den Munde mehrer Zigeuner aus verschiedenen Gegen¬
den Deutschlands. Nicht ohne Werth ist das im Anhang mitgetheilte zigeunerisch-
deutsche- und deutsch-zigeunerische Wörterbuch, welches ebenfalls aus erster Quelle
zusammengetragen ist. Sehr zu loben ist die Bescheidenheit, mit welcher der Ver¬
fasser auftritt und die ihn abhielt, auch eine Grammatik der Zigeunersprache beizu¬
fügen. Ein Anderes ist es eine Sprache sprechen können und sie grammatisch fixiren,
und dies gilt doppelt einem Volke gegenüber, welches schriftliche Documente nicht besitzt.


Von unehrlichen Leuten. Culturhistorische Studien und Geschichten aus
vergangenen Tagen deutscher Gewerbe und Dienste, mit besondrer Rücksicht auf Ham¬
burg von Dr. Otto Benecke. Hamburg. Perthes, Besser und Maule 1863. 277 S.

Der vielbelesene Verfasser der "Hamburgischen Geschichten und Sagen" schildert
uns hier in gewandter Sprache lebendig und anschaulich zunächst die unehrlichen
Leute der frühern Zeit, als da sind Schäfer und Müller, Bader und Barbiere, Bän¬
kelsänger, Leinweber, Zöllner, Todtengräber, Bettelvögte, Schergen und Scharfrichter,
wobei letztere besonders ausführliche Berücksichtigung erfahren. Ein zweiter Abschnitt
behandelt die einst für unehrlich gehaltenen Dinge, Rabenstein und Galgen, Richt-
schwcrter u. d. in. Ein kürzeres drittes und letztes Capitel beschäftigt sich mit den
Ceremonien, unter denen gelegentlich Unehrliche für ehrlich erklärt wurden. An
verschiedenen hübschen Beispielen, Anekdoten ist kein Mangel. Dagegen hätten wir
gern Gründlicheres über den Ursprung des Begriffs der Ehrlosigkeit und besonders
darüber vernommen, ob sich dieselbe aus deutschen Rechtsbegriffen oder von der
Grundlage römischen Brauchs aus entwickelt hat.


Die deutschen Ortsnamen. Von Ernst Förstemann. Nordhausen,
1863. Ferdinand Förstemanns Verlag. 353 S.

Der verdiente Forscher und Sammler auf dem Gebiet der deutschen Namen¬
kunde hat hier auf Grund des ihm in verbesserter Gestalt vorliegenden zweiten
Theils seines "Altdeutschen Namenbuchs", sowie ausgedehnter Sammlungen über
die Ortsnamen Deutschlands und seiner Nachbarländer ein Buch zusammengestellt,
welches den Zweck hat, nicht blos die gelehrte Welt, sondern auch das größere
Publicum auf dem Felde der deutschen Ortsnamenkunde zu orientiren, zu zeigen,
was man auf diesem Felde bis jetzt weiß und was noch zu erklären bleibt, und
neue Kräfte für diese Arbeiten anzuregen. Er bespricht zunächst in ebenso grünt-


Vermischte Literatur.
Die Zigeuner in ihrem Wesen und in ihrer Sprache. Nach eignen
Beobachtungen dargestellt von Dr. Richard Licbich, Leizpzig. F. A. Brockhaus. 1863.
272 S.

Ein rcussischcr Criminalbcamter gibt uns hier eine Abhandlung über Herkunft,
Charakter, Lebensweise, Religion, „politische Verfassung", Poesie und Sprache der
Zigeuner, die insofern werthvoll ist, als sie zwar nicht, wie der Verfasser behauptet,
ihrem ganzen Inhalt nach, wohl aber größtentheils aus dem Munde von Zigeunern
selbst stammt und zwar aus den Munde mehrer Zigeuner aus verschiedenen Gegen¬
den Deutschlands. Nicht ohne Werth ist das im Anhang mitgetheilte zigeunerisch-
deutsche- und deutsch-zigeunerische Wörterbuch, welches ebenfalls aus erster Quelle
zusammengetragen ist. Sehr zu loben ist die Bescheidenheit, mit welcher der Ver¬
fasser auftritt und die ihn abhielt, auch eine Grammatik der Zigeunersprache beizu¬
fügen. Ein Anderes ist es eine Sprache sprechen können und sie grammatisch fixiren,
und dies gilt doppelt einem Volke gegenüber, welches schriftliche Documente nicht besitzt.


Von unehrlichen Leuten. Culturhistorische Studien und Geschichten aus
vergangenen Tagen deutscher Gewerbe und Dienste, mit besondrer Rücksicht auf Ham¬
burg von Dr. Otto Benecke. Hamburg. Perthes, Besser und Maule 1863. 277 S.

Der vielbelesene Verfasser der „Hamburgischen Geschichten und Sagen" schildert
uns hier in gewandter Sprache lebendig und anschaulich zunächst die unehrlichen
Leute der frühern Zeit, als da sind Schäfer und Müller, Bader und Barbiere, Bän¬
kelsänger, Leinweber, Zöllner, Todtengräber, Bettelvögte, Schergen und Scharfrichter,
wobei letztere besonders ausführliche Berücksichtigung erfahren. Ein zweiter Abschnitt
behandelt die einst für unehrlich gehaltenen Dinge, Rabenstein und Galgen, Richt-
schwcrter u. d. in. Ein kürzeres drittes und letztes Capitel beschäftigt sich mit den
Ceremonien, unter denen gelegentlich Unehrliche für ehrlich erklärt wurden. An
verschiedenen hübschen Beispielen, Anekdoten ist kein Mangel. Dagegen hätten wir
gern Gründlicheres über den Ursprung des Begriffs der Ehrlosigkeit und besonders
darüber vernommen, ob sich dieselbe aus deutschen Rechtsbegriffen oder von der
Grundlage römischen Brauchs aus entwickelt hat.


Die deutschen Ortsnamen. Von Ernst Förstemann. Nordhausen,
1863. Ferdinand Förstemanns Verlag. 353 S.

Der verdiente Forscher und Sammler auf dem Gebiet der deutschen Namen¬
kunde hat hier auf Grund des ihm in verbesserter Gestalt vorliegenden zweiten
Theils seines „Altdeutschen Namenbuchs", sowie ausgedehnter Sammlungen über
die Ortsnamen Deutschlands und seiner Nachbarländer ein Buch zusammengestellt,
welches den Zweck hat, nicht blos die gelehrte Welt, sondern auch das größere
Publicum auf dem Felde der deutschen Ortsnamenkunde zu orientiren, zu zeigen,
was man auf diesem Felde bis jetzt weiß und was noch zu erklären bleibt, und
neue Kräfte für diese Arbeiten anzuregen. Er bespricht zunächst in ebenso grünt-


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[0247] Vermischte Literatur. Die Zigeuner in ihrem Wesen und in ihrer Sprache. Nach eignen Beobachtungen dargestellt von Dr. Richard Licbich, Leizpzig. F. A. Brockhaus. 1863. 272 S. Ein rcussischcr Criminalbcamter gibt uns hier eine Abhandlung über Herkunft, Charakter, Lebensweise, Religion, „politische Verfassung", Poesie und Sprache der Zigeuner, die insofern werthvoll ist, als sie zwar nicht, wie der Verfasser behauptet, ihrem ganzen Inhalt nach, wohl aber größtentheils aus dem Munde von Zigeunern selbst stammt und zwar aus den Munde mehrer Zigeuner aus verschiedenen Gegen¬ den Deutschlands. Nicht ohne Werth ist das im Anhang mitgetheilte zigeunerisch- deutsche- und deutsch-zigeunerische Wörterbuch, welches ebenfalls aus erster Quelle zusammengetragen ist. Sehr zu loben ist die Bescheidenheit, mit welcher der Ver¬ fasser auftritt und die ihn abhielt, auch eine Grammatik der Zigeunersprache beizu¬ fügen. Ein Anderes ist es eine Sprache sprechen können und sie grammatisch fixiren, und dies gilt doppelt einem Volke gegenüber, welches schriftliche Documente nicht besitzt. Von unehrlichen Leuten. Culturhistorische Studien und Geschichten aus vergangenen Tagen deutscher Gewerbe und Dienste, mit besondrer Rücksicht auf Ham¬ burg von Dr. Otto Benecke. Hamburg. Perthes, Besser und Maule 1863. 277 S. Der vielbelesene Verfasser der „Hamburgischen Geschichten und Sagen" schildert uns hier in gewandter Sprache lebendig und anschaulich zunächst die unehrlichen Leute der frühern Zeit, als da sind Schäfer und Müller, Bader und Barbiere, Bän¬ kelsänger, Leinweber, Zöllner, Todtengräber, Bettelvögte, Schergen und Scharfrichter, wobei letztere besonders ausführliche Berücksichtigung erfahren. Ein zweiter Abschnitt behandelt die einst für unehrlich gehaltenen Dinge, Rabenstein und Galgen, Richt- schwcrter u. d. in. Ein kürzeres drittes und letztes Capitel beschäftigt sich mit den Ceremonien, unter denen gelegentlich Unehrliche für ehrlich erklärt wurden. An verschiedenen hübschen Beispielen, Anekdoten ist kein Mangel. Dagegen hätten wir gern Gründlicheres über den Ursprung des Begriffs der Ehrlosigkeit und besonders darüber vernommen, ob sich dieselbe aus deutschen Rechtsbegriffen oder von der Grundlage römischen Brauchs aus entwickelt hat. Die deutschen Ortsnamen. Von Ernst Förstemann. Nordhausen, 1863. Ferdinand Förstemanns Verlag. 353 S. Der verdiente Forscher und Sammler auf dem Gebiet der deutschen Namen¬ kunde hat hier auf Grund des ihm in verbesserter Gestalt vorliegenden zweiten Theils seines „Altdeutschen Namenbuchs", sowie ausgedehnter Sammlungen über die Ortsnamen Deutschlands und seiner Nachbarländer ein Buch zusammengestellt, welches den Zweck hat, nicht blos die gelehrte Welt, sondern auch das größere Publicum auf dem Felde der deutschen Ortsnamenkunde zu orientiren, zu zeigen, was man auf diesem Felde bis jetzt weiß und was noch zu erklären bleibt, und neue Kräfte für diese Arbeiten anzuregen. Er bespricht zunächst in ebenso grünt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/247>, abgerufen am 29.04.2024.