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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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der Oden endigt mit einem Liede, in welchem der Dichter sich die Unsterblichkeit
vormalt. Er ist im Begriff ein Schwan zu werden, der gen Himmel auffliegen
und in erhabenem Schwung über der Alltagserde hinschweben wird. Schon fühlt
er, wie er Vogelgestalt annimmt. Er singt:


,,^am^'s,in "rosiällnt cruribus asporas
Teiles et album autor in autem
LupLrne, nasermturque Isves
?er al^nos dumsrosc^no xlumas."

Sollte der Dichter Kier vergessen haben, daß Erhabenes und Lächerliches
nur durch Schrittesweite von einander getrennt sind^? "Keineswegs," sagt
unser Kritiker, und wir schließen uns ihm an. "Es ist Scherz, Ironie; es ist
ein Spvttgelächter über die dichterische Selbstüberhebung, durch welche er sich
in den Schwan des Phöbus verwandelt wähnt." Es ist, fügen wir hinzu, ein
Anflug von Humor, der bei frühern Dichtern niemals angetroffen wird, es ist
Selbstverspottung ähnlichen. Stils, wie das hcincsche: "Doctor, Sie sind
betrunken!"




Die Aussichten eines preußischen Bnndesresormplans.

Mehrfach wird von der wohlunterrichteten Tagespreise berichtet, daß die
preußische Regierung damit umgehe, gegen den östreichischen Reformplan jetzt
auch ihre Wünsche für Neuorganisation des Bundes zu veröffentlichen, und daß
ein wesentlicher Bestandtheil dieses preußischen Plans ein Bundesparlament sei,
welches durch directe Wahlen, aber mit einem so hohen Census der Wahl¬
berechtigten gebildet werde, daß man aus eine conservative Versammlung zu
hoffen berechtigt sei.

Wahrscheinlich denkt Herr v. Bismarck durch einen solchen Plan nach zwei
Seiten Eroberungen zu machen, einmal die conservativen Stimmungen deut¬
scher Regierungen für sich zu gewinnen, dann aber, wenn das Project wirklich
zur Ausführung kommen sollte, durch ein von dem Bund sanctionirtes Wahl¬
gesetz und durch ein diesem entsprechendes Parlament eine Aufhebung sol¬
cher Wahlgesetze der einzelnen Staaten durchzusetzen, welche gegenwärtig eine
abscheuliche liberale Majorität bewirkt haben. Denn auch das Dreiclassen-


der Oden endigt mit einem Liede, in welchem der Dichter sich die Unsterblichkeit
vormalt. Er ist im Begriff ein Schwan zu werden, der gen Himmel auffliegen
und in erhabenem Schwung über der Alltagserde hinschweben wird. Schon fühlt
er, wie er Vogelgestalt annimmt. Er singt:


,,^am^'s,in "rosiällnt cruribus asporas
Teiles et album autor in autem
LupLrne, nasermturque Isves
?er al^nos dumsrosc^no xlumas."

Sollte der Dichter Kier vergessen haben, daß Erhabenes und Lächerliches
nur durch Schrittesweite von einander getrennt sind^? „Keineswegs," sagt
unser Kritiker, und wir schließen uns ihm an. „Es ist Scherz, Ironie; es ist
ein Spvttgelächter über die dichterische Selbstüberhebung, durch welche er sich
in den Schwan des Phöbus verwandelt wähnt." Es ist, fügen wir hinzu, ein
Anflug von Humor, der bei frühern Dichtern niemals angetroffen wird, es ist
Selbstverspottung ähnlichen. Stils, wie das hcincsche: „Doctor, Sie sind
betrunken!"




Die Aussichten eines preußischen Bnndesresormplans.

Mehrfach wird von der wohlunterrichteten Tagespreise berichtet, daß die
preußische Regierung damit umgehe, gegen den östreichischen Reformplan jetzt
auch ihre Wünsche für Neuorganisation des Bundes zu veröffentlichen, und daß
ein wesentlicher Bestandtheil dieses preußischen Plans ein Bundesparlament sei,
welches durch directe Wahlen, aber mit einem so hohen Census der Wahl¬
berechtigten gebildet werde, daß man aus eine conservative Versammlung zu
hoffen berechtigt sei.

Wahrscheinlich denkt Herr v. Bismarck durch einen solchen Plan nach zwei
Seiten Eroberungen zu machen, einmal die conservativen Stimmungen deut¬
scher Regierungen für sich zu gewinnen, dann aber, wenn das Project wirklich
zur Ausführung kommen sollte, durch ein von dem Bund sanctionirtes Wahl¬
gesetz und durch ein diesem entsprechendes Parlament eine Aufhebung sol¬
cher Wahlgesetze der einzelnen Staaten durchzusetzen, welche gegenwärtig eine
abscheuliche liberale Majorität bewirkt haben. Denn auch das Dreiclassen-


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[0519] der Oden endigt mit einem Liede, in welchem der Dichter sich die Unsterblichkeit vormalt. Er ist im Begriff ein Schwan zu werden, der gen Himmel auffliegen und in erhabenem Schwung über der Alltagserde hinschweben wird. Schon fühlt er, wie er Vogelgestalt annimmt. Er singt: ,,^am^'s,in "rosiällnt cruribus asporas Teiles et album autor in autem LupLrne, nasermturque Isves ?er al^nos dumsrosc^no xlumas." Sollte der Dichter Kier vergessen haben, daß Erhabenes und Lächerliches nur durch Schrittesweite von einander getrennt sind^? „Keineswegs," sagt unser Kritiker, und wir schließen uns ihm an. „Es ist Scherz, Ironie; es ist ein Spvttgelächter über die dichterische Selbstüberhebung, durch welche er sich in den Schwan des Phöbus verwandelt wähnt." Es ist, fügen wir hinzu, ein Anflug von Humor, der bei frühern Dichtern niemals angetroffen wird, es ist Selbstverspottung ähnlichen. Stils, wie das hcincsche: „Doctor, Sie sind betrunken!" Die Aussichten eines preußischen Bnndesresormplans. Mehrfach wird von der wohlunterrichteten Tagespreise berichtet, daß die preußische Regierung damit umgehe, gegen den östreichischen Reformplan jetzt auch ihre Wünsche für Neuorganisation des Bundes zu veröffentlichen, und daß ein wesentlicher Bestandtheil dieses preußischen Plans ein Bundesparlament sei, welches durch directe Wahlen, aber mit einem so hohen Census der Wahl¬ berechtigten gebildet werde, daß man aus eine conservative Versammlung zu hoffen berechtigt sei. Wahrscheinlich denkt Herr v. Bismarck durch einen solchen Plan nach zwei Seiten Eroberungen zu machen, einmal die conservativen Stimmungen deut¬ scher Regierungen für sich zu gewinnen, dann aber, wenn das Project wirklich zur Ausführung kommen sollte, durch ein von dem Bund sanctionirtes Wahl¬ gesetz und durch ein diesem entsprechendes Parlament eine Aufhebung sol¬ cher Wahlgesetze der einzelnen Staaten durchzusetzen, welche gegenwärtig eine abscheuliche liberale Majorität bewirkt haben. Denn auch das Dreiclassen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/519>, abgerufen am 29.04.2024.