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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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system des Herrn v. Manteuffel hat sich als eine auf die Länge unerträgliche
demokratische Einrichtung erwiesen.

Nun wird allerdings ein solches Project niemals zur That werden. Es
ist der gegenwärtigen preußischen Regierung schon oft von Preußen und Geg¬
nern in jeder Tonart, deren die deutsche Presse mächtig ist, prophezeit worden,
daß sie durch kein Project, sei es so conservativ oder so liberal wie es wolle,
irgend etwas Anderes vorzubereiten vermag, als eine neue Niederlage. Und
solche Behauptung ist leider wohl begründet. Denn von jedem Parteistand¬
punkt wird man dagegen reagiren, und dem letzten Grunde, den jeder Patriot
schmerzlich empfindet, kann auch das Ministerium sich nicht verschließen. Die
Abneigung und Mißachtung sind zu groß; alle Parteien in Deutschland sind
gerade darin einig. Wie selbst die sehr wenigen, welche auf dem Fürstentage
als Freunde des gegenwärtigen preußischen Systems aufzutreten geneigt waren
-- Schwerin, Reuß ,j. L., Altenburg -- die Haltung Preußens ansehen,
lehrt die klagende Kritik der preußischen Unthätigkeit während der frankfurter
Tage, welche jetzt auch durch Schwerin in die Oeffentlichkeit drang. Es ist eine
traurige Thatsache, daß in allen Regierungen die Ueberzeugung lebendig ge¬
worden ist, mit dem gegenwärtigen Preußen in wichtigen Angelegenheiten zu
verhandeln, sei eine mißliche und aussichtslose Sache. Es ist nicht lange her,
da waren Abgeordnete aus den Hansestädten in Berlin, um über Errichtung
einer preußischen Nordseeflotte eine Vereinbarung zu treffen--wie kommt es doch,
daß aus diesen Verhandlungen nichts geworden ist und daß sogar Bremen in
Frankfurt so eifrig für das östreichische Project votirte? Mit mehren kleinen
Staaten wurde über Militärconventionen verhandelt, weshalb geschah es doch,
daß jeder derselben sich so scheu von dem Plane zurückgezogen hat? Und wodurch
ist wohl verursacht worden, daß der Fürst, welcher am wärmsten aus diese
Convention eingegangen war, jetzt dem preußischen Cabinet so fremd gegen¬
übersteht? Wie kommt es doch, daß selbst in der besten und stärksten preußischen
Sache, der Verjüngung des Zollvereins die Mehrzahl der Regierungen mit so
unverhüllter Feindschaft gegen den französischen Vertrag und die offenbaren
Wünsche ihres Volkes arbeiten? Und es wäre lehrreich zu wissen, wie es kommt,
daß Oldenburg, mit welchem. wie wir vor Kurzem lasen, Verhandlungen wegen
der Eisenbahn, die Preußen seit zehn Jahren zu bauen unterlassen hat, und
wegen Marineinteressen eingeleitet worden sind, wie es kommt, daß Oldenburg
in Frankfurt nicht zu den Opponenten gegen den östreichischen Entwurf ge¬
hörte? Wenn so die Stimmung bei den 'Regierungen ist, welche durch ihre
Interessen, oder gar durch nationale Sympathien auf Preußen angewiesen sind,
wie will man etwas von denen hoffen, welche seit dem Jahre 1849 die in
immer gesteigertem Maße wiederkehrende Schwäche Preußens mit geheimer Schaden¬
freude, eine in der Zukunft drohende liberale Politik mit Furcht betrachten.


system des Herrn v. Manteuffel hat sich als eine auf die Länge unerträgliche
demokratische Einrichtung erwiesen.

Nun wird allerdings ein solches Project niemals zur That werden. Es
ist der gegenwärtigen preußischen Regierung schon oft von Preußen und Geg¬
nern in jeder Tonart, deren die deutsche Presse mächtig ist, prophezeit worden,
daß sie durch kein Project, sei es so conservativ oder so liberal wie es wolle,
irgend etwas Anderes vorzubereiten vermag, als eine neue Niederlage. Und
solche Behauptung ist leider wohl begründet. Denn von jedem Parteistand¬
punkt wird man dagegen reagiren, und dem letzten Grunde, den jeder Patriot
schmerzlich empfindet, kann auch das Ministerium sich nicht verschließen. Die
Abneigung und Mißachtung sind zu groß; alle Parteien in Deutschland sind
gerade darin einig. Wie selbst die sehr wenigen, welche auf dem Fürstentage
als Freunde des gegenwärtigen preußischen Systems aufzutreten geneigt waren
— Schwerin, Reuß ,j. L., Altenburg — die Haltung Preußens ansehen,
lehrt die klagende Kritik der preußischen Unthätigkeit während der frankfurter
Tage, welche jetzt auch durch Schwerin in die Oeffentlichkeit drang. Es ist eine
traurige Thatsache, daß in allen Regierungen die Ueberzeugung lebendig ge¬
worden ist, mit dem gegenwärtigen Preußen in wichtigen Angelegenheiten zu
verhandeln, sei eine mißliche und aussichtslose Sache. Es ist nicht lange her,
da waren Abgeordnete aus den Hansestädten in Berlin, um über Errichtung
einer preußischen Nordseeflotte eine Vereinbarung zu treffen—wie kommt es doch,
daß aus diesen Verhandlungen nichts geworden ist und daß sogar Bremen in
Frankfurt so eifrig für das östreichische Project votirte? Mit mehren kleinen
Staaten wurde über Militärconventionen verhandelt, weshalb geschah es doch,
daß jeder derselben sich so scheu von dem Plane zurückgezogen hat? Und wodurch
ist wohl verursacht worden, daß der Fürst, welcher am wärmsten aus diese
Convention eingegangen war, jetzt dem preußischen Cabinet so fremd gegen¬
übersteht? Wie kommt es doch, daß selbst in der besten und stärksten preußischen
Sache, der Verjüngung des Zollvereins die Mehrzahl der Regierungen mit so
unverhüllter Feindschaft gegen den französischen Vertrag und die offenbaren
Wünsche ihres Volkes arbeiten? Und es wäre lehrreich zu wissen, wie es kommt,
daß Oldenburg, mit welchem. wie wir vor Kurzem lasen, Verhandlungen wegen
der Eisenbahn, die Preußen seit zehn Jahren zu bauen unterlassen hat, und
wegen Marineinteressen eingeleitet worden sind, wie es kommt, daß Oldenburg
in Frankfurt nicht zu den Opponenten gegen den östreichischen Entwurf ge¬
hörte? Wenn so die Stimmung bei den 'Regierungen ist, welche durch ihre
Interessen, oder gar durch nationale Sympathien auf Preußen angewiesen sind,
wie will man etwas von denen hoffen, welche seit dem Jahre 1849 die in
immer gesteigertem Maße wiederkehrende Schwäche Preußens mit geheimer Schaden¬
freude, eine in der Zukunft drohende liberale Politik mit Furcht betrachten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/520>, abgerufen am 15.05.2024.