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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Der mecklenburgische Landtag von 18K2.
3,

Man hat es dem Landtag als ein hervorragendes, geschichtlich denkwürdiges
Verdienst angerechnet, daß er die seit beinahe vier Jahrzehenden schwebende
Frage der Steuerreform zum Abschluß gebracht hat. Und allerdings hat die-
jenige Partei, welche es für die Hauptaufgabe der Landesvertretung hält, das
Land so lange als möglich vor einem Rückfall aus der feudalen in die consti-
tutionelle Verfassung zu bewahren, alle Ursache, sich zu jenem Erfolge Glück
zu wünschen. Denn hätte der Feudalstaat sich definitiv unfähig erwiesen, die
von allen Seiten und selbst von den Ständen wiederholt ausdrücklich an¬
erkannten und verurtheilten schreienden Mißstände im Steuerwesen zu beseitigen,
so hätte er damit selbst den Stab über sich gebrochen. Aber nur unter diesem
Gesichtspunkte eines politischen Präservativs im Dienst des Feudalismus kann
die erzielte Vereinbarung über eine Steuerreform etwas gelten; nach jedem an¬
deren Maßstabe ist sie als ein ebenso ungenügender wie für das Land mit
den wesentlichsten Nachtheilen verbundener Ncfvrmvcrsuch zu bezeichnen. Daher
hat denn auch außerhalb der feudalen Kreise jene Vereinbarung nirgends einen
Ausdruck der Freude hervorgerufen, und selbst die wenigen Freunde, welche sie
unter den freisinnigeren Elementen um Lande zählt, loben das beschlossene
Steuerresormwerk nicht seiner eigenen Vorzüge wegen, sondern weil sie es als
einen entwickelungsfähigen Anfang fortschreitender Verbesserungen auffassen.
Ebenso wenig aber fanden die Feudalen Ursache zum Jubel. Die Vereinbarung
ist ein mühsam ihnen von der Regierung abgerungener Nothbehelf politischer
Verzweiflung. Sie hätten lieber die bisherigen Einrichtungen unverändert be¬
halten und würden nicht nachgegeben haben , wenn sie geglaubt hätten, es ver¬
meiden zu können. Daher freuen sie sich auch nicht an den von ihnen zu¬
gestandenen neuen Einrichtungen selbst, sondern nur daran, daß dieselben mit
geringen Opfern und manchen großen Vortheilen für sie verbunden sind, und
daß es ihnen auch in diesem Falle wiederum, wie schon so oft, gelungen ist,
die schwerere Last auf die Bewohner der Städte zu wälzen. Darum Preisen
denn auch die feudalen Blätter die beschlossenen neuen Einrichtungen nur als
einen Beweis der von den Gegnern bezweifelten Leistungsfähigkeit der alten
Verfassung, und nur daß die Reform, freilich erst nach neununddreißigjährigen
Bemühungen, auf der Grundlage der feudalen Verfassung hat durchgesetzt wer¬
den können, nicht der Inhalt der Reform, bildet den Gegenstand der von ih¬
nen angestimmten Triumphgesänge.


Der mecklenburgische Landtag von 18K2.
3,

Man hat es dem Landtag als ein hervorragendes, geschichtlich denkwürdiges
Verdienst angerechnet, daß er die seit beinahe vier Jahrzehenden schwebende
Frage der Steuerreform zum Abschluß gebracht hat. Und allerdings hat die-
jenige Partei, welche es für die Hauptaufgabe der Landesvertretung hält, das
Land so lange als möglich vor einem Rückfall aus der feudalen in die consti-
tutionelle Verfassung zu bewahren, alle Ursache, sich zu jenem Erfolge Glück
zu wünschen. Denn hätte der Feudalstaat sich definitiv unfähig erwiesen, die
von allen Seiten und selbst von den Ständen wiederholt ausdrücklich an¬
erkannten und verurtheilten schreienden Mißstände im Steuerwesen zu beseitigen,
so hätte er damit selbst den Stab über sich gebrochen. Aber nur unter diesem
Gesichtspunkte eines politischen Präservativs im Dienst des Feudalismus kann
die erzielte Vereinbarung über eine Steuerreform etwas gelten; nach jedem an¬
deren Maßstabe ist sie als ein ebenso ungenügender wie für das Land mit
den wesentlichsten Nachtheilen verbundener Ncfvrmvcrsuch zu bezeichnen. Daher
hat denn auch außerhalb der feudalen Kreise jene Vereinbarung nirgends einen
Ausdruck der Freude hervorgerufen, und selbst die wenigen Freunde, welche sie
unter den freisinnigeren Elementen um Lande zählt, loben das beschlossene
Steuerresormwerk nicht seiner eigenen Vorzüge wegen, sondern weil sie es als
einen entwickelungsfähigen Anfang fortschreitender Verbesserungen auffassen.
Ebenso wenig aber fanden die Feudalen Ursache zum Jubel. Die Vereinbarung
ist ein mühsam ihnen von der Regierung abgerungener Nothbehelf politischer
Verzweiflung. Sie hätten lieber die bisherigen Einrichtungen unverändert be¬
halten und würden nicht nachgegeben haben , wenn sie geglaubt hätten, es ver¬
meiden zu können. Daher freuen sie sich auch nicht an den von ihnen zu¬
gestandenen neuen Einrichtungen selbst, sondern nur daran, daß dieselben mit
geringen Opfern und manchen großen Vortheilen für sie verbunden sind, und
daß es ihnen auch in diesem Falle wiederum, wie schon so oft, gelungen ist,
die schwerere Last auf die Bewohner der Städte zu wälzen. Darum Preisen
denn auch die feudalen Blätter die beschlossenen neuen Einrichtungen nur als
einen Beweis der von den Gegnern bezweifelten Leistungsfähigkeit der alten
Verfassung, und nur daß die Reform, freilich erst nach neununddreißigjährigen
Bemühungen, auf der Grundlage der feudalen Verfassung hat durchgesetzt wer¬
den können, nicht der Inhalt der Reform, bildet den Gegenstand der von ih¬
nen angestimmten Triumphgesänge.


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[0186] Der mecklenburgische Landtag von 18K2. 3, Man hat es dem Landtag als ein hervorragendes, geschichtlich denkwürdiges Verdienst angerechnet, daß er die seit beinahe vier Jahrzehenden schwebende Frage der Steuerreform zum Abschluß gebracht hat. Und allerdings hat die- jenige Partei, welche es für die Hauptaufgabe der Landesvertretung hält, das Land so lange als möglich vor einem Rückfall aus der feudalen in die consti- tutionelle Verfassung zu bewahren, alle Ursache, sich zu jenem Erfolge Glück zu wünschen. Denn hätte der Feudalstaat sich definitiv unfähig erwiesen, die von allen Seiten und selbst von den Ständen wiederholt ausdrücklich an¬ erkannten und verurtheilten schreienden Mißstände im Steuerwesen zu beseitigen, so hätte er damit selbst den Stab über sich gebrochen. Aber nur unter diesem Gesichtspunkte eines politischen Präservativs im Dienst des Feudalismus kann die erzielte Vereinbarung über eine Steuerreform etwas gelten; nach jedem an¬ deren Maßstabe ist sie als ein ebenso ungenügender wie für das Land mit den wesentlichsten Nachtheilen verbundener Ncfvrmvcrsuch zu bezeichnen. Daher hat denn auch außerhalb der feudalen Kreise jene Vereinbarung nirgends einen Ausdruck der Freude hervorgerufen, und selbst die wenigen Freunde, welche sie unter den freisinnigeren Elementen um Lande zählt, loben das beschlossene Steuerresormwerk nicht seiner eigenen Vorzüge wegen, sondern weil sie es als einen entwickelungsfähigen Anfang fortschreitender Verbesserungen auffassen. Ebenso wenig aber fanden die Feudalen Ursache zum Jubel. Die Vereinbarung ist ein mühsam ihnen von der Regierung abgerungener Nothbehelf politischer Verzweiflung. Sie hätten lieber die bisherigen Einrichtungen unverändert be¬ halten und würden nicht nachgegeben haben , wenn sie geglaubt hätten, es ver¬ meiden zu können. Daher freuen sie sich auch nicht an den von ihnen zu¬ gestandenen neuen Einrichtungen selbst, sondern nur daran, daß dieselben mit geringen Opfern und manchen großen Vortheilen für sie verbunden sind, und daß es ihnen auch in diesem Falle wiederum, wie schon so oft, gelungen ist, die schwerere Last auf die Bewohner der Städte zu wälzen. Darum Preisen denn auch die feudalen Blätter die beschlossenen neuen Einrichtungen nur als einen Beweis der von den Gegnern bezweifelten Leistungsfähigkeit der alten Verfassung, und nur daß die Reform, freilich erst nach neununddreißigjährigen Bemühungen, auf der Grundlage der feudalen Verfassung hat durchgesetzt wer¬ den können, nicht der Inhalt der Reform, bildet den Gegenstand der von ih¬ nen angestimmten Triumphgesänge.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/186>, abgerufen am 26.04.2024.