Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie wenig befähigt der Verfasser zur vollkommenen Lösung seiner Aufgabe war,
Möge auch die Aeußerung beweisen, mit welcher er die Erzählung begleitet, daß
Brentano Webern auf das Tannhäusersüjet aufmerksam gemacht habe- "Brentano
sollte sofort, ans Webers Bitte, der von dem Stoffe ganz erfüllt war, an die Text-
bearbeitung gehen nud so war es nahe daran, daß die Fabel, die jetzt einem der
größten Kunstwerke der Neuzeit zu Grunde liegt, schon 30 Jahre früher durch
Weber ihre musikalische Behandlung gefunden hätte. Anders, melodiöser, reizender,
schöner als sein berühmter Nachfolger auf dem Dirigentenstuhle zu Dresden, würde
er ihn aufgefaßt haben, tiefer, gewaltiger, größer sicher nicht."

Wir hoffen und wünschen, daß der Verfasser in den folgenden Bänden sich
seiner Aufgabe und seiner Leistungsfähigkeit besser bewußt werden möge. Unsre
Dankbarkeit gegen sein Unternehmen wird nur steigen, wenn er sein eignes Urtheil
vom Musikalischen so fern als möglich hält, die Prätension, geistreich zu schreiben
überwindet, und dem deutschen Volke und vor allem den gediegenen Musikkcnuern
sein sorgfältig und fleißig gesammeltes Material in schlichter Form mittheilt. Es
zu verwerthen bleibt dann einem Berufenen vorbehalten.

Die äußere Ausstattung des Buches ist vortrefflich zu nennen, das beigegebene
Portrait N. M. von Webers eine willkommene Zugabe.


Die Bildung und die Gebildeten von Bogumil Goltz. Zwei Bünde.
Berlin, O. Janke, 1864.

Der bekannte Humorist giebt in diesen Bündchen wieder eine Reihe geistreicher
und interessanter Bemerkungen über einige Gebiete der modernen Cultur. Zu be¬
dauern ist nur. daß der Verfasser, welchem selbst manches seine und treffende Apercu
über Stil und Manier verdankt wird, in seiner Schreibweise der letzteren so sehr
nachhängt, und daß er uoch immer nicht gesonnen scheint, die Bahn der Studien
und Skizzen zu verlassen und sich einer gcschlossnercn Form zuzuwenden. Auch das
reichste Talent muß sich auf diesem Wege ausgeben und das vorliegende neueste
Werkchen zeigt unverkennbare Spuren davon.


Venedig, Genua, Nizza. Drei Vorlesungen von or. E. Laubert.
Danzig, A. W, Kafcmann, 1864.

Ansprechende Variationen auf ein allbekanntes und ewig neues Thema. Für
diejenigen, welche jene drei Städte selbst gesehen, wird die Schrift angenehme
Erinnerungen auffrischen, und die, weiche das gelobte Land noch nicht besucht haben,
werden dabei alte Wünsche man erwachen fühlen. Die Haltung des Ganzen ist
angenehm, wenn auch hier und da etwas geschraubt, und es wäre den Vortrügen
sicherlich ersprießlich gewesen, wenn sich ihr Verfasser etwas sparsamer in der oft
sehr gesucht erscheinenden Anführung von Stellen aus Byron, Platen und Goethe
gehalten hätte.


Deutsche Dichtung. Die Lehre von den Formen und Gattungen derselben
von Dr. W. Buchner. Essen, Bädeker, 1863.

Der kleine für Realschulen und Höhere Bürger- und Töchterschulen bestimmte
Leitfaden ist einfach und verständig geschrieben und wird Lehrern beim Unterrichte
gute Dienste leisten. Ihnen sei er hiermit empfohlen, nur werden sie beim Gebrauche
die ziemlich mangelhaften Vorbemerkungen des ersten Abschnittes entsprechend zu ver¬
bessern haben.


Wie wenig befähigt der Verfasser zur vollkommenen Lösung seiner Aufgabe war,
Möge auch die Aeußerung beweisen, mit welcher er die Erzählung begleitet, daß
Brentano Webern auf das Tannhäusersüjet aufmerksam gemacht habe- „Brentano
sollte sofort, ans Webers Bitte, der von dem Stoffe ganz erfüllt war, an die Text-
bearbeitung gehen nud so war es nahe daran, daß die Fabel, die jetzt einem der
größten Kunstwerke der Neuzeit zu Grunde liegt, schon 30 Jahre früher durch
Weber ihre musikalische Behandlung gefunden hätte. Anders, melodiöser, reizender,
schöner als sein berühmter Nachfolger auf dem Dirigentenstuhle zu Dresden, würde
er ihn aufgefaßt haben, tiefer, gewaltiger, größer sicher nicht."

Wir hoffen und wünschen, daß der Verfasser in den folgenden Bänden sich
seiner Aufgabe und seiner Leistungsfähigkeit besser bewußt werden möge. Unsre
Dankbarkeit gegen sein Unternehmen wird nur steigen, wenn er sein eignes Urtheil
vom Musikalischen so fern als möglich hält, die Prätension, geistreich zu schreiben
überwindet, und dem deutschen Volke und vor allem den gediegenen Musikkcnuern
sein sorgfältig und fleißig gesammeltes Material in schlichter Form mittheilt. Es
zu verwerthen bleibt dann einem Berufenen vorbehalten.

Die äußere Ausstattung des Buches ist vortrefflich zu nennen, das beigegebene
Portrait N. M. von Webers eine willkommene Zugabe.


Die Bildung und die Gebildeten von Bogumil Goltz. Zwei Bünde.
Berlin, O. Janke, 1864.

Der bekannte Humorist giebt in diesen Bündchen wieder eine Reihe geistreicher
und interessanter Bemerkungen über einige Gebiete der modernen Cultur. Zu be¬
dauern ist nur. daß der Verfasser, welchem selbst manches seine und treffende Apercu
über Stil und Manier verdankt wird, in seiner Schreibweise der letzteren so sehr
nachhängt, und daß er uoch immer nicht gesonnen scheint, die Bahn der Studien
und Skizzen zu verlassen und sich einer gcschlossnercn Form zuzuwenden. Auch das
reichste Talent muß sich auf diesem Wege ausgeben und das vorliegende neueste
Werkchen zeigt unverkennbare Spuren davon.


Venedig, Genua, Nizza. Drei Vorlesungen von or. E. Laubert.
Danzig, A. W, Kafcmann, 1864.

Ansprechende Variationen auf ein allbekanntes und ewig neues Thema. Für
diejenigen, welche jene drei Städte selbst gesehen, wird die Schrift angenehme
Erinnerungen auffrischen, und die, weiche das gelobte Land noch nicht besucht haben,
werden dabei alte Wünsche man erwachen fühlen. Die Haltung des Ganzen ist
angenehm, wenn auch hier und da etwas geschraubt, und es wäre den Vortrügen
sicherlich ersprießlich gewesen, wenn sich ihr Verfasser etwas sparsamer in der oft
sehr gesucht erscheinenden Anführung von Stellen aus Byron, Platen und Goethe
gehalten hätte.


Deutsche Dichtung. Die Lehre von den Formen und Gattungen derselben
von Dr. W. Buchner. Essen, Bädeker, 1863.

Der kleine für Realschulen und Höhere Bürger- und Töchterschulen bestimmte
Leitfaden ist einfach und verständig geschrieben und wird Lehrern beim Unterrichte
gute Dienste leisten. Ihnen sei er hiermit empfohlen, nur werden sie beim Gebrauche
die ziemlich mangelhaften Vorbemerkungen des ersten Abschnittes entsprechend zu ver¬
bessern haben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116839"/>
            <p xml:id="ID_1125" prev="#ID_1124"> Wie wenig befähigt der Verfasser zur vollkommenen Lösung seiner Aufgabe war,<lb/>
Möge auch die Aeußerung beweisen, mit welcher er die Erzählung begleitet, daß<lb/>
Brentano Webern auf das Tannhäusersüjet aufmerksam gemacht habe- &#x201E;Brentano<lb/>
sollte sofort, ans Webers Bitte, der von dem Stoffe ganz erfüllt war, an die Text-<lb/>
bearbeitung gehen nud so war es nahe daran, daß die Fabel, die jetzt einem der<lb/>
größten Kunstwerke der Neuzeit zu Grunde liegt, schon 30 Jahre früher durch<lb/>
Weber ihre musikalische Behandlung gefunden hätte. Anders, melodiöser, reizender,<lb/>
schöner als sein berühmter Nachfolger auf dem Dirigentenstuhle zu Dresden, würde<lb/>
er ihn aufgefaßt haben, tiefer, gewaltiger, größer sicher nicht."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1126"> Wir hoffen und wünschen, daß der Verfasser in den folgenden Bänden sich<lb/>
seiner Aufgabe und seiner Leistungsfähigkeit besser bewußt werden möge. Unsre<lb/>
Dankbarkeit gegen sein Unternehmen wird nur steigen, wenn er sein eignes Urtheil<lb/>
vom Musikalischen so fern als möglich hält, die Prätension, geistreich zu schreiben<lb/>
überwindet, und dem deutschen Volke und vor allem den gediegenen Musikkcnuern<lb/>
sein sorgfältig und fleißig gesammeltes Material in schlichter Form mittheilt. Es<lb/>
zu verwerthen bleibt dann einem Berufenen vorbehalten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1127"> Die äußere Ausstattung des Buches ist vortrefflich zu nennen, das beigegebene<lb/>
Portrait N. M. von Webers eine willkommene Zugabe.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Die Bildung und die Gebildeten von Bogumil Goltz. Zwei Bünde.<lb/>
Berlin, O. Janke, 1864.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1128"> Der bekannte Humorist giebt in diesen Bündchen wieder eine Reihe geistreicher<lb/>
und interessanter Bemerkungen über einige Gebiete der modernen Cultur. Zu be¬<lb/>
dauern ist nur. daß der Verfasser, welchem selbst manches seine und treffende Apercu<lb/>
über Stil und Manier verdankt wird, in seiner Schreibweise der letzteren so sehr<lb/>
nachhängt, und daß er uoch immer nicht gesonnen scheint, die Bahn der Studien<lb/>
und Skizzen zu verlassen und sich einer gcschlossnercn Form zuzuwenden. Auch das<lb/>
reichste Talent muß sich auf diesem Wege ausgeben und das vorliegende neueste<lb/>
Werkchen zeigt unverkennbare Spuren davon.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Venedig, Genua, Nizza. Drei Vorlesungen von or. E. Laubert.<lb/>
Danzig, A. W, Kafcmann, 1864.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1129"> Ansprechende Variationen auf ein allbekanntes und ewig neues Thema. Für<lb/>
diejenigen, welche jene drei Städte selbst gesehen, wird die Schrift angenehme<lb/>
Erinnerungen auffrischen, und die, weiche das gelobte Land noch nicht besucht haben,<lb/>
werden dabei alte Wünsche man erwachen fühlen. Die Haltung des Ganzen ist<lb/>
angenehm, wenn auch hier und da etwas geschraubt, und es wäre den Vortrügen<lb/>
sicherlich ersprießlich gewesen, wenn sich ihr Verfasser etwas sparsamer in der oft<lb/>
sehr gesucht erscheinenden Anführung von Stellen aus Byron, Platen und Goethe<lb/>
gehalten hätte.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Deutsche Dichtung. Die Lehre von den Formen und Gattungen derselben<lb/>
von Dr. W. Buchner.  Essen, Bädeker, 1863.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1130"> Der kleine für Realschulen und Höhere Bürger- und Töchterschulen bestimmte<lb/>
Leitfaden ist einfach und verständig geschrieben und wird Lehrern beim Unterrichte<lb/>
gute Dienste leisten. Ihnen sei er hiermit empfohlen, nur werden sie beim Gebrauche<lb/>
die ziemlich mangelhaften Vorbemerkungen des ersten Abschnittes entsprechend zu ver¬<lb/>
bessern haben.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0373] Wie wenig befähigt der Verfasser zur vollkommenen Lösung seiner Aufgabe war, Möge auch die Aeußerung beweisen, mit welcher er die Erzählung begleitet, daß Brentano Webern auf das Tannhäusersüjet aufmerksam gemacht habe- „Brentano sollte sofort, ans Webers Bitte, der von dem Stoffe ganz erfüllt war, an die Text- bearbeitung gehen nud so war es nahe daran, daß die Fabel, die jetzt einem der größten Kunstwerke der Neuzeit zu Grunde liegt, schon 30 Jahre früher durch Weber ihre musikalische Behandlung gefunden hätte. Anders, melodiöser, reizender, schöner als sein berühmter Nachfolger auf dem Dirigentenstuhle zu Dresden, würde er ihn aufgefaßt haben, tiefer, gewaltiger, größer sicher nicht." Wir hoffen und wünschen, daß der Verfasser in den folgenden Bänden sich seiner Aufgabe und seiner Leistungsfähigkeit besser bewußt werden möge. Unsre Dankbarkeit gegen sein Unternehmen wird nur steigen, wenn er sein eignes Urtheil vom Musikalischen so fern als möglich hält, die Prätension, geistreich zu schreiben überwindet, und dem deutschen Volke und vor allem den gediegenen Musikkcnuern sein sorgfältig und fleißig gesammeltes Material in schlichter Form mittheilt. Es zu verwerthen bleibt dann einem Berufenen vorbehalten. Die äußere Ausstattung des Buches ist vortrefflich zu nennen, das beigegebene Portrait N. M. von Webers eine willkommene Zugabe. Die Bildung und die Gebildeten von Bogumil Goltz. Zwei Bünde. Berlin, O. Janke, 1864. Der bekannte Humorist giebt in diesen Bündchen wieder eine Reihe geistreicher und interessanter Bemerkungen über einige Gebiete der modernen Cultur. Zu be¬ dauern ist nur. daß der Verfasser, welchem selbst manches seine und treffende Apercu über Stil und Manier verdankt wird, in seiner Schreibweise der letzteren so sehr nachhängt, und daß er uoch immer nicht gesonnen scheint, die Bahn der Studien und Skizzen zu verlassen und sich einer gcschlossnercn Form zuzuwenden. Auch das reichste Talent muß sich auf diesem Wege ausgeben und das vorliegende neueste Werkchen zeigt unverkennbare Spuren davon. Venedig, Genua, Nizza. Drei Vorlesungen von or. E. Laubert. Danzig, A. W, Kafcmann, 1864. Ansprechende Variationen auf ein allbekanntes und ewig neues Thema. Für diejenigen, welche jene drei Städte selbst gesehen, wird die Schrift angenehme Erinnerungen auffrischen, und die, weiche das gelobte Land noch nicht besucht haben, werden dabei alte Wünsche man erwachen fühlen. Die Haltung des Ganzen ist angenehm, wenn auch hier und da etwas geschraubt, und es wäre den Vortrügen sicherlich ersprießlich gewesen, wenn sich ihr Verfasser etwas sparsamer in der oft sehr gesucht erscheinenden Anführung von Stellen aus Byron, Platen und Goethe gehalten hätte. Deutsche Dichtung. Die Lehre von den Formen und Gattungen derselben von Dr. W. Buchner. Essen, Bädeker, 1863. Der kleine für Realschulen und Höhere Bürger- und Töchterschulen bestimmte Leitfaden ist einfach und verständig geschrieben und wird Lehrern beim Unterrichte gute Dienste leisten. Ihnen sei er hiermit empfohlen, nur werden sie beim Gebrauche die ziemlich mangelhaften Vorbemerkungen des ersten Abschnittes entsprechend zu ver¬ bessern haben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/373
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/373>, abgerufen am 04.05.2024.