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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Fürsorge des Staates vorzüglich auf Erhaltung des Grundbesitzes gerichtet sei,
womit sich dieselben einigermaßen beruhigten, so daß es wenigstens nicht wieder
zu offnen Zerwürfnissen kam.

Zwar bezeichnete der Staatskanzler, als dann im September eine dritte
Notabelnversammlung zusammentrat, in seiner Eröffnungsrede es als einen
"Frevel", die Grundlagen der neuen Reformen erschüttern zu wollen, und er¬
klärte mit Bestimmtheit, er werde seinem System unwiderruflich treu bleiben,
da es seiner innersten Ueberzeugung nach für die Wiedergeburt des Staates
nothwendig sei. Zwar schloß er mit den Worten: "Sollten einige Bestimmungen
nicht die allgemeine Zufriedenheit hervorbringen, die sie verdienen, so wird die
Erfahrung doch bald das Heilsame derselben bewähren. Dem Egoisten, dem
kleinen Tyrannen, der auf sklavische Abhängigkeit seines Nebenmenschen Werth
setzen könnte, bleibt unsre Verachtung." Zwar theilte er dann das folgen- und
segensreiche Edict vom 14. September mit, welches die Erb- und Zeitpächter
der Rittergüter gegen Abtretung eines Theils des zu ihrem Gehöft gehörigen
Landes zu Eigenthümern des Restes machte und die Hofdienste ablöste. Zwar
schuf er noch manches treffliche Gesetz. Aber die rechte Consequenz fehlte doch.
Vieles Verheißene kam nicht völlig, anderes nur provisorisch zum Leben, das
Wichtigste blieb frommer Wunsch: die Repräsentativverfassung blieb aus und
ließ so lange er regierte und, wie bekannt, noch manches Jahr Sparer, auf sich
warten. Die Feudalen hatten nicht umsonst gegen ihn gekämpft. Er war und
blieb ein halber Mann, ein halber Liberaler.

"Was man will," schreibt Hauffer einem bedeutenden Mann damaliger
Zeit nach, "muß man ganz wollen, entweder vollkommenen Feudalismus oder
vollkommene Repräsentation. Es war der Fehler Hardenbergs, daß er zwar
das erste Moment entschieden bekämpfte, aber ohne sich zu dem zweiten rück¬
haltslos zu bekennen."




Das älteste Christenthum und seine Literatur.
5. Der Anfang des Christenthums.

Das Christenthum geschichtlich begreifen, heißt, es in den Zusammenhang
der ganzen weltgeschichtlichen Entwicklung stellen, den Elementen nachgehen,
welche seine Entstehung bedingten, den allmäligen Proceß verfolgen durch


Fürsorge des Staates vorzüglich auf Erhaltung des Grundbesitzes gerichtet sei,
womit sich dieselben einigermaßen beruhigten, so daß es wenigstens nicht wieder
zu offnen Zerwürfnissen kam.

Zwar bezeichnete der Staatskanzler, als dann im September eine dritte
Notabelnversammlung zusammentrat, in seiner Eröffnungsrede es als einen
„Frevel", die Grundlagen der neuen Reformen erschüttern zu wollen, und er¬
klärte mit Bestimmtheit, er werde seinem System unwiderruflich treu bleiben,
da es seiner innersten Ueberzeugung nach für die Wiedergeburt des Staates
nothwendig sei. Zwar schloß er mit den Worten: „Sollten einige Bestimmungen
nicht die allgemeine Zufriedenheit hervorbringen, die sie verdienen, so wird die
Erfahrung doch bald das Heilsame derselben bewähren. Dem Egoisten, dem
kleinen Tyrannen, der auf sklavische Abhängigkeit seines Nebenmenschen Werth
setzen könnte, bleibt unsre Verachtung." Zwar theilte er dann das folgen- und
segensreiche Edict vom 14. September mit, welches die Erb- und Zeitpächter
der Rittergüter gegen Abtretung eines Theils des zu ihrem Gehöft gehörigen
Landes zu Eigenthümern des Restes machte und die Hofdienste ablöste. Zwar
schuf er noch manches treffliche Gesetz. Aber die rechte Consequenz fehlte doch.
Vieles Verheißene kam nicht völlig, anderes nur provisorisch zum Leben, das
Wichtigste blieb frommer Wunsch: die Repräsentativverfassung blieb aus und
ließ so lange er regierte und, wie bekannt, noch manches Jahr Sparer, auf sich
warten. Die Feudalen hatten nicht umsonst gegen ihn gekämpft. Er war und
blieb ein halber Mann, ein halber Liberaler.

„Was man will," schreibt Hauffer einem bedeutenden Mann damaliger
Zeit nach, „muß man ganz wollen, entweder vollkommenen Feudalismus oder
vollkommene Repräsentation. Es war der Fehler Hardenbergs, daß er zwar
das erste Moment entschieden bekämpfte, aber ohne sich zu dem zweiten rück¬
haltslos zu bekennen."




Das älteste Christenthum und seine Literatur.
5. Der Anfang des Christenthums.

Das Christenthum geschichtlich begreifen, heißt, es in den Zusammenhang
der ganzen weltgeschichtlichen Entwicklung stellen, den Elementen nachgehen,
welche seine Entstehung bedingten, den allmäligen Proceß verfolgen durch


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[0420] Fürsorge des Staates vorzüglich auf Erhaltung des Grundbesitzes gerichtet sei, womit sich dieselben einigermaßen beruhigten, so daß es wenigstens nicht wieder zu offnen Zerwürfnissen kam. Zwar bezeichnete der Staatskanzler, als dann im September eine dritte Notabelnversammlung zusammentrat, in seiner Eröffnungsrede es als einen „Frevel", die Grundlagen der neuen Reformen erschüttern zu wollen, und er¬ klärte mit Bestimmtheit, er werde seinem System unwiderruflich treu bleiben, da es seiner innersten Ueberzeugung nach für die Wiedergeburt des Staates nothwendig sei. Zwar schloß er mit den Worten: „Sollten einige Bestimmungen nicht die allgemeine Zufriedenheit hervorbringen, die sie verdienen, so wird die Erfahrung doch bald das Heilsame derselben bewähren. Dem Egoisten, dem kleinen Tyrannen, der auf sklavische Abhängigkeit seines Nebenmenschen Werth setzen könnte, bleibt unsre Verachtung." Zwar theilte er dann das folgen- und segensreiche Edict vom 14. September mit, welches die Erb- und Zeitpächter der Rittergüter gegen Abtretung eines Theils des zu ihrem Gehöft gehörigen Landes zu Eigenthümern des Restes machte und die Hofdienste ablöste. Zwar schuf er noch manches treffliche Gesetz. Aber die rechte Consequenz fehlte doch. Vieles Verheißene kam nicht völlig, anderes nur provisorisch zum Leben, das Wichtigste blieb frommer Wunsch: die Repräsentativverfassung blieb aus und ließ so lange er regierte und, wie bekannt, noch manches Jahr Sparer, auf sich warten. Die Feudalen hatten nicht umsonst gegen ihn gekämpft. Er war und blieb ein halber Mann, ein halber Liberaler. „Was man will," schreibt Hauffer einem bedeutenden Mann damaliger Zeit nach, „muß man ganz wollen, entweder vollkommenen Feudalismus oder vollkommene Repräsentation. Es war der Fehler Hardenbergs, daß er zwar das erste Moment entschieden bekämpfte, aber ohne sich zu dem zweiten rück¬ haltslos zu bekennen." Das älteste Christenthum und seine Literatur. 5. Der Anfang des Christenthums. Das Christenthum geschichtlich begreifen, heißt, es in den Zusammenhang der ganzen weltgeschichtlichen Entwicklung stellen, den Elementen nachgehen, welche seine Entstehung bedingten, den allmäligen Proceß verfolgen durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/420>, abgerufen am 03.05.2024.