Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.Bis dahin liegt allen Parteien gleichviel daran, leidlichen Frieden zu hal¬ Regierung und Abgeordnetenhaus in Preußen. Die preußische Thronrede, ein sorgfältig gearbeitetes Schriftstück mit mehren 25"
Bis dahin liegt allen Parteien gleichviel daran, leidlichen Frieden zu hal¬ Regierung und Abgeordnetenhaus in Preußen. Die preußische Thronrede, ein sorgfältig gearbeitetes Schriftstück mit mehren 25"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282450"/> <p xml:id="ID_566"> Bis dahin liegt allen Parteien gleichviel daran, leidlichen Frieden zu hal¬<lb/> ten. Aber das nächste Conclave wird keinen längeren Aufschub gestatten, die<lb/> Politische Entscheidung wird auch die kirchliche mit sich fortreißen. Ob dann<lb/> die Umwandlung sanft oder unter schweren Kämpfen sich vollziehe, liegt in der<lb/> Hand des nächsten Papstes. Pius der Neunte hat mit seiner Bulle vom 8. Dec.<lb/> abgeschlossen. Aber er hat vergessen, in seinen Katalog der Irrthümer einen<lb/> Satz aufzunehmen, der wohl verdient hätte, als einundachtzigster verdammt zu<lb/> werden, denn er ist so wahr wie mancher in der Reihe, und lautet: „Mit¬<lb/> unter irrt a und d er P apst. als ein in der Gnade noch nicht völlig gefestigter<lb/> irdischer Mensch." Freilich ist es kein moderner Satz, auch ist er durch eine<lb/> gute Autorität gedeckt; einer seiner Vorgänger hat ihn ausgesprochen, Hadrian<lb/> der Sechste.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Regierung und Abgeordnetenhaus in Preußen.</head><lb/> <p xml:id="ID_567" next="#ID_568"> Die preußische Thronrede, ein sorgfältig gearbeitetes Schriftstück mit mehren<lb/> glänzenden Stellen, hat doch in den beiden großen Streitfragen, der schleswig¬<lb/> holsteinischen und der innern, nichts enthalten, was eine schnelle und befriedigende<lb/> Beendigung der Conflicte wahrscheinlich nackt. Wenn wahr ist. was preußische<lb/> Correspondenzen verrathen, daß der Ministerpräsident im Conseil einen andern<lb/> Entwurf vorgelegt habe, welcher das Budgetbewilligungsrecht der Häuser zu<lb/> Gunsten der Opposition interpretirte. und zweijährige Dienstzeit empfahl, so<lb/> wäre'tief zu beklagen, daß solche Concessionen an dem Widerspruch der übrigen<lb/> Minister gescheitert sind. Denn nach den Erfolgen des letzten Feldzuges war<lb/> ein hochsinniger Entschluß der Krone das beste Mittel, einen guten Frieden<lb/> zwischen Regierung und Volk herzustellen. Gerade jetzt konnte die Negierung.<lb/> ohne ihrer Würde zu vergeben, der Majorität Zugeständnisse machen, sie wäre<lb/> doch als Sieger, das heißt mit verstärktem Ansehn aus dem Kampfe hervor¬<lb/> gegangen. Und es war jedermann deutlich, daß das Abgeordnetenhaus gern<lb/> zur Versöhnung die Hand geboten und jedem Vorschlage, der seine Rechte an¬<lb/> erkannte, bereitwillig entgegengekommen wäre. Nun ist der alte Hader wieder<lb/> aufgebrannt; die Opposition vermag nicht mehr, was im Jahre 1863 noch<lb/> möglich war. das herrschende System siegreich zu bekämpfen, aber sie lähmt</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 25"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0209]
Bis dahin liegt allen Parteien gleichviel daran, leidlichen Frieden zu hal¬
ten. Aber das nächste Conclave wird keinen längeren Aufschub gestatten, die
Politische Entscheidung wird auch die kirchliche mit sich fortreißen. Ob dann
die Umwandlung sanft oder unter schweren Kämpfen sich vollziehe, liegt in der
Hand des nächsten Papstes. Pius der Neunte hat mit seiner Bulle vom 8. Dec.
abgeschlossen. Aber er hat vergessen, in seinen Katalog der Irrthümer einen
Satz aufzunehmen, der wohl verdient hätte, als einundachtzigster verdammt zu
werden, denn er ist so wahr wie mancher in der Reihe, und lautet: „Mit¬
unter irrt a und d er P apst. als ein in der Gnade noch nicht völlig gefestigter
irdischer Mensch." Freilich ist es kein moderner Satz, auch ist er durch eine
gute Autorität gedeckt; einer seiner Vorgänger hat ihn ausgesprochen, Hadrian
der Sechste.
Regierung und Abgeordnetenhaus in Preußen.
Die preußische Thronrede, ein sorgfältig gearbeitetes Schriftstück mit mehren
glänzenden Stellen, hat doch in den beiden großen Streitfragen, der schleswig¬
holsteinischen und der innern, nichts enthalten, was eine schnelle und befriedigende
Beendigung der Conflicte wahrscheinlich nackt. Wenn wahr ist. was preußische
Correspondenzen verrathen, daß der Ministerpräsident im Conseil einen andern
Entwurf vorgelegt habe, welcher das Budgetbewilligungsrecht der Häuser zu
Gunsten der Opposition interpretirte. und zweijährige Dienstzeit empfahl, so
wäre'tief zu beklagen, daß solche Concessionen an dem Widerspruch der übrigen
Minister gescheitert sind. Denn nach den Erfolgen des letzten Feldzuges war
ein hochsinniger Entschluß der Krone das beste Mittel, einen guten Frieden
zwischen Regierung und Volk herzustellen. Gerade jetzt konnte die Negierung.
ohne ihrer Würde zu vergeben, der Majorität Zugeständnisse machen, sie wäre
doch als Sieger, das heißt mit verstärktem Ansehn aus dem Kampfe hervor¬
gegangen. Und es war jedermann deutlich, daß das Abgeordnetenhaus gern
zur Versöhnung die Hand geboten und jedem Vorschlage, der seine Rechte an¬
erkannte, bereitwillig entgegengekommen wäre. Nun ist der alte Hader wieder
aufgebrannt; die Opposition vermag nicht mehr, was im Jahre 1863 noch
möglich war. das herrschende System siegreich zu bekämpfen, aber sie lähmt
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