Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

doch die Thätigkeit der Regierung in allen Ecken und beeinträchtigt ihr Ansehn
im Auslande.

Immer noch werden in der Presse leidenschaftliche Stimmen für und gegen
die Annexion der Herzogtümer laut. Der Streit ist müßig geworden, er ist
durch die preußische Regierung selbst gegen die Einverleibung entschieden. Aller¬
dings vielleicht gegen ihren eigenen Willen. Aber der Weg, welchen Preußen zur
Erledigung der Sache eingeschlagen hat, ist zuverlässig der bedenklichste von
allen, falls nämlich in der That Absicht war. die Herzogthümer zu erwerben.
Es gab einen kurzen Zeitpunkt, welcher dafür nicht ungünstig war. Als
Oestreich noch ängstlich die Folgen des Septembervertrages erwog, als dort
die Ministerkrisis das innere Schwanken verrieth, als die Ohnmacht der Mittel¬
staaten Allen auffällig, der Eindruck preußischer Waffenerfolge noch frisch war,
damals unmittelbar nach geschlossenem Frieden hätte eine große Forderung und
kühner Entschluß Manches durchsetzen können, man hätte wenigstens einen Äruch
mit Oestreich nicht zu scheuen gehabt.

Das Verfahren dagegen, welches die preußische Regierung eingeschlagen hat,
ist in der Form so ausgezeichnet correct, daß in der Sache auf große Erfolge
verzichtet werden muß. Denn als man sich entschloß, mit Oestreich über die
Rechte zu verhandeln, welche Preußen zur Sicherung seiner und der deutschen
Interessen zusiehn sollten, bevor man die Successionsfrage* ordnete, da gab man
den besten Theil des gewonnenen Erfolges wieder preis, man machte von dem
guten Willen Oestreichs abhängig, was man niemals seiner Zustimmung hätte
unterwerfen dürfen. Man opferte das alte Princip der Preußen, durch Separat¬
verträge mit den betreffenden einzelnen Regierungen Fortschritte zu machen, und
verlieh einem alten und argwöhnischen Gegner das Recht, überall zu hindern,
auch den kleinsten Fortschritt Preußens als einen Gunstbeweis Oestreichs geltend
zumachen, für welchen Gegendienste zu leisten seien. Die indiscrete Veröffent¬
lichung des Inhaltes jener letzten östreichischen Note kann jedermann die Augen
öffnen. Die östreichische Politik tritt nicht, wie England oder Frankreich, schnell
in schroffem Gegensatz hervor, sie wirft den Verhandlungen einen Stein nach
dem andern in den Weg, bis zuletzt die betretene Straße vervarrikadirt ist.
Das ist zu Wien nicht System, es ist die Folge der Methode, in welcher dort
politische Entschlüsse gefaßt werden. Daß der Ministerpräsident Preußens vor¬
zog, lieber mit Oestreich über die Rechte Preußens an den Herzogtümern zu
vereinbaren, als schnell die Successionsfrage zu erledigen und mit dem neuen
Fürsten zu verhandeln, das wird, so fürchten wir, zu langwierigen Verwick¬
lungen führen, aus denen weder schneller Entschluß noch späte Resignation be¬
freien mag. Auch was man für diesen Weg sonst sagen könnte, daß hier ein
Präcedenzfall geschaffen wird, und daß Oestreich, was es in einem deutschen
Lande Preußen eingeräumt hätte, in einem andern doch schwer hindern könnte,


doch die Thätigkeit der Regierung in allen Ecken und beeinträchtigt ihr Ansehn
im Auslande.

Immer noch werden in der Presse leidenschaftliche Stimmen für und gegen
die Annexion der Herzogtümer laut. Der Streit ist müßig geworden, er ist
durch die preußische Regierung selbst gegen die Einverleibung entschieden. Aller¬
dings vielleicht gegen ihren eigenen Willen. Aber der Weg, welchen Preußen zur
Erledigung der Sache eingeschlagen hat, ist zuverlässig der bedenklichste von
allen, falls nämlich in der That Absicht war. die Herzogthümer zu erwerben.
Es gab einen kurzen Zeitpunkt, welcher dafür nicht ungünstig war. Als
Oestreich noch ängstlich die Folgen des Septembervertrages erwog, als dort
die Ministerkrisis das innere Schwanken verrieth, als die Ohnmacht der Mittel¬
staaten Allen auffällig, der Eindruck preußischer Waffenerfolge noch frisch war,
damals unmittelbar nach geschlossenem Frieden hätte eine große Forderung und
kühner Entschluß Manches durchsetzen können, man hätte wenigstens einen Äruch
mit Oestreich nicht zu scheuen gehabt.

Das Verfahren dagegen, welches die preußische Regierung eingeschlagen hat,
ist in der Form so ausgezeichnet correct, daß in der Sache auf große Erfolge
verzichtet werden muß. Denn als man sich entschloß, mit Oestreich über die
Rechte zu verhandeln, welche Preußen zur Sicherung seiner und der deutschen
Interessen zusiehn sollten, bevor man die Successionsfrage* ordnete, da gab man
den besten Theil des gewonnenen Erfolges wieder preis, man machte von dem
guten Willen Oestreichs abhängig, was man niemals seiner Zustimmung hätte
unterwerfen dürfen. Man opferte das alte Princip der Preußen, durch Separat¬
verträge mit den betreffenden einzelnen Regierungen Fortschritte zu machen, und
verlieh einem alten und argwöhnischen Gegner das Recht, überall zu hindern,
auch den kleinsten Fortschritt Preußens als einen Gunstbeweis Oestreichs geltend
zumachen, für welchen Gegendienste zu leisten seien. Die indiscrete Veröffent¬
lichung des Inhaltes jener letzten östreichischen Note kann jedermann die Augen
öffnen. Die östreichische Politik tritt nicht, wie England oder Frankreich, schnell
in schroffem Gegensatz hervor, sie wirft den Verhandlungen einen Stein nach
dem andern in den Weg, bis zuletzt die betretene Straße vervarrikadirt ist.
Das ist zu Wien nicht System, es ist die Folge der Methode, in welcher dort
politische Entschlüsse gefaßt werden. Daß der Ministerpräsident Preußens vor¬
zog, lieber mit Oestreich über die Rechte Preußens an den Herzogtümern zu
vereinbaren, als schnell die Successionsfrage zu erledigen und mit dem neuen
Fürsten zu verhandeln, das wird, so fürchten wir, zu langwierigen Verwick¬
lungen führen, aus denen weder schneller Entschluß noch späte Resignation be¬
freien mag. Auch was man für diesen Weg sonst sagen könnte, daß hier ein
Präcedenzfall geschaffen wird, und daß Oestreich, was es in einem deutschen
Lande Preußen eingeräumt hätte, in einem andern doch schwer hindern könnte,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282451"/>
          <p xml:id="ID_568" prev="#ID_567"> doch die Thätigkeit der Regierung in allen Ecken und beeinträchtigt ihr Ansehn<lb/>
im Auslande.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_569"> Immer noch werden in der Presse leidenschaftliche Stimmen für und gegen<lb/>
die Annexion der Herzogtümer laut. Der Streit ist müßig geworden, er ist<lb/>
durch die preußische Regierung selbst gegen die Einverleibung entschieden. Aller¬<lb/>
dings vielleicht gegen ihren eigenen Willen. Aber der Weg, welchen Preußen zur<lb/>
Erledigung der Sache eingeschlagen hat, ist zuverlässig der bedenklichste von<lb/>
allen, falls nämlich in der That Absicht war. die Herzogthümer zu erwerben.<lb/>
Es gab einen kurzen Zeitpunkt, welcher dafür nicht ungünstig war. Als<lb/>
Oestreich noch ängstlich die Folgen des Septembervertrages erwog, als dort<lb/>
die Ministerkrisis das innere Schwanken verrieth, als die Ohnmacht der Mittel¬<lb/>
staaten Allen auffällig, der Eindruck preußischer Waffenerfolge noch frisch war,<lb/>
damals unmittelbar nach geschlossenem Frieden hätte eine große Forderung und<lb/>
kühner Entschluß Manches durchsetzen können, man hätte wenigstens einen Äruch<lb/>
mit Oestreich nicht zu scheuen gehabt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_570" next="#ID_571"> Das Verfahren dagegen, welches die preußische Regierung eingeschlagen hat,<lb/>
ist in der Form so ausgezeichnet correct, daß in der Sache auf große Erfolge<lb/>
verzichtet werden muß. Denn als man sich entschloß, mit Oestreich über die<lb/>
Rechte zu verhandeln, welche Preußen zur Sicherung seiner und der deutschen<lb/>
Interessen zusiehn sollten, bevor man die Successionsfrage* ordnete, da gab man<lb/>
den besten Theil des gewonnenen Erfolges wieder preis, man machte von dem<lb/>
guten Willen Oestreichs abhängig, was man niemals seiner Zustimmung hätte<lb/>
unterwerfen dürfen. Man opferte das alte Princip der Preußen, durch Separat¬<lb/>
verträge mit den betreffenden einzelnen Regierungen Fortschritte zu machen, und<lb/>
verlieh einem alten und argwöhnischen Gegner das Recht, überall zu hindern,<lb/>
auch den kleinsten Fortschritt Preußens als einen Gunstbeweis Oestreichs geltend<lb/>
zumachen, für welchen Gegendienste zu leisten seien. Die indiscrete Veröffent¬<lb/>
lichung des Inhaltes jener letzten östreichischen Note kann jedermann die Augen<lb/>
öffnen. Die östreichische Politik tritt nicht, wie England oder Frankreich, schnell<lb/>
in schroffem Gegensatz hervor, sie wirft den Verhandlungen einen Stein nach<lb/>
dem andern in den Weg, bis zuletzt die betretene Straße vervarrikadirt ist.<lb/>
Das ist zu Wien nicht System, es ist die Folge der Methode, in welcher dort<lb/>
politische Entschlüsse gefaßt werden. Daß der Ministerpräsident Preußens vor¬<lb/>
zog, lieber mit Oestreich über die Rechte Preußens an den Herzogtümern zu<lb/>
vereinbaren, als schnell die Successionsfrage zu erledigen und mit dem neuen<lb/>
Fürsten zu verhandeln, das wird, so fürchten wir, zu langwierigen Verwick¬<lb/>
lungen führen, aus denen weder schneller Entschluß noch späte Resignation be¬<lb/>
freien mag. Auch was man für diesen Weg sonst sagen könnte, daß hier ein<lb/>
Präcedenzfall geschaffen wird, und daß Oestreich, was es in einem deutschen<lb/>
Lande Preußen eingeräumt hätte, in einem andern doch schwer hindern könnte,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0210] doch die Thätigkeit der Regierung in allen Ecken und beeinträchtigt ihr Ansehn im Auslande. Immer noch werden in der Presse leidenschaftliche Stimmen für und gegen die Annexion der Herzogtümer laut. Der Streit ist müßig geworden, er ist durch die preußische Regierung selbst gegen die Einverleibung entschieden. Aller¬ dings vielleicht gegen ihren eigenen Willen. Aber der Weg, welchen Preußen zur Erledigung der Sache eingeschlagen hat, ist zuverlässig der bedenklichste von allen, falls nämlich in der That Absicht war. die Herzogthümer zu erwerben. Es gab einen kurzen Zeitpunkt, welcher dafür nicht ungünstig war. Als Oestreich noch ängstlich die Folgen des Septembervertrages erwog, als dort die Ministerkrisis das innere Schwanken verrieth, als die Ohnmacht der Mittel¬ staaten Allen auffällig, der Eindruck preußischer Waffenerfolge noch frisch war, damals unmittelbar nach geschlossenem Frieden hätte eine große Forderung und kühner Entschluß Manches durchsetzen können, man hätte wenigstens einen Äruch mit Oestreich nicht zu scheuen gehabt. Das Verfahren dagegen, welches die preußische Regierung eingeschlagen hat, ist in der Form so ausgezeichnet correct, daß in der Sache auf große Erfolge verzichtet werden muß. Denn als man sich entschloß, mit Oestreich über die Rechte zu verhandeln, welche Preußen zur Sicherung seiner und der deutschen Interessen zusiehn sollten, bevor man die Successionsfrage* ordnete, da gab man den besten Theil des gewonnenen Erfolges wieder preis, man machte von dem guten Willen Oestreichs abhängig, was man niemals seiner Zustimmung hätte unterwerfen dürfen. Man opferte das alte Princip der Preußen, durch Separat¬ verträge mit den betreffenden einzelnen Regierungen Fortschritte zu machen, und verlieh einem alten und argwöhnischen Gegner das Recht, überall zu hindern, auch den kleinsten Fortschritt Preußens als einen Gunstbeweis Oestreichs geltend zumachen, für welchen Gegendienste zu leisten seien. Die indiscrete Veröffent¬ lichung des Inhaltes jener letzten östreichischen Note kann jedermann die Augen öffnen. Die östreichische Politik tritt nicht, wie England oder Frankreich, schnell in schroffem Gegensatz hervor, sie wirft den Verhandlungen einen Stein nach dem andern in den Weg, bis zuletzt die betretene Straße vervarrikadirt ist. Das ist zu Wien nicht System, es ist die Folge der Methode, in welcher dort politische Entschlüsse gefaßt werden. Daß der Ministerpräsident Preußens vor¬ zog, lieber mit Oestreich über die Rechte Preußens an den Herzogtümern zu vereinbaren, als schnell die Successionsfrage zu erledigen und mit dem neuen Fürsten zu verhandeln, das wird, so fürchten wir, zu langwierigen Verwick¬ lungen führen, aus denen weder schneller Entschluß noch späte Resignation be¬ freien mag. Auch was man für diesen Weg sonst sagen könnte, daß hier ein Präcedenzfall geschaffen wird, und daß Oestreich, was es in einem deutschen Lande Preußen eingeräumt hätte, in einem andern doch schwer hindern könnte,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/210
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/210>, abgerufen am 16.05.2024.