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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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burgs die Sympathie der verzweifelnden Protestanten vorübergehend gewonnen
habe. Nach der Landung des Königs in Pommern aber erhebt sich die Theil¬
nahme für Gustav zur begeisterten Anerkennung seiner Persönlichkeit. In jedem
Briefe aus Stettin wird seine Frömmigkeit, Umsicht und Liebenswürdigkeit, die
Art. wie er mit den Leuten verkehrt, die strenge Mannszucht, die er hält, von
ganz unverfänglichen Berichterstattern gerühmt. "Er bemüht sich überall gute
Polizeiordnung zu stiften. und es befindet sich der arme Mann allgemach besser
als da die Kirchenräuber im Lande waren."*) Als er von den Fischern in
Stettin für Geld eine Anzahl Schiffe zu einer Brücke haben wollte, erhielt er
umsonst viel mehr als er haben wollte. Die kaiserlichen Generale in den nord¬
deutschen Garnisonen klagten nicht blos über Hunger, Pest und Ausreißen
ihrer Soldaten, sondern auch daß in Pommern und in den Marken alles
rebellisch werde, seit Gustav in Stettin sei.

Gegen solche unbefangene Zeugnisse der Stimmungen und Strebungen der
evangelischen Deutschen bei Gustavs Landung können die eben genannten
tendenziösen Geschichtsfälscher freilich nur zur Täuschung unmündiger Leser
Aeußerung der Angst erbärmlicher Fürsten und ebenso erbärmlicher Landesvcr-
treter anführen, die sich im Falle des Mißlingens der Pläne Gustavs vor der
Rache der Kaiserlichen fürchteten. Bei jenen Historikern ist es freilich Mode,
diese Erbärmlichkeit als deutschen Patriotismus zu loben. --


Dr. K. G. Helbig.



Eine Erinnerung an die Tage vor Friedrichsstadt.

Es war in der letzten Woche des September im Jahre 18S0.

Beständig von der Statthalterschaft gedrängt, aus seiner verderblichen, wenn
auch vielleicht erklärlichen Unthätigkeit herauszutreten, hatte der Oberbefehls¬
haber der Schleswig-holsteinischen Armee sich endlich wieder zu einer ernsten
Unternehmung entschlossen. Friedrichsstadt, dessen militärische Wichtigkeit man
leider zu spät erkannt zu haben schien, war einige Monate vorher in unver¬
antwortlicher Weise den Dänen, ohne Kampf überlassen und von ihnen durch


) Vgl, des Verfassers a, V. "Gustav Adolf" S. 19.
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burgs die Sympathie der verzweifelnden Protestanten vorübergehend gewonnen
habe. Nach der Landung des Königs in Pommern aber erhebt sich die Theil¬
nahme für Gustav zur begeisterten Anerkennung seiner Persönlichkeit. In jedem
Briefe aus Stettin wird seine Frömmigkeit, Umsicht und Liebenswürdigkeit, die
Art. wie er mit den Leuten verkehrt, die strenge Mannszucht, die er hält, von
ganz unverfänglichen Berichterstattern gerühmt. „Er bemüht sich überall gute
Polizeiordnung zu stiften. und es befindet sich der arme Mann allgemach besser
als da die Kirchenräuber im Lande waren."*) Als er von den Fischern in
Stettin für Geld eine Anzahl Schiffe zu einer Brücke haben wollte, erhielt er
umsonst viel mehr als er haben wollte. Die kaiserlichen Generale in den nord¬
deutschen Garnisonen klagten nicht blos über Hunger, Pest und Ausreißen
ihrer Soldaten, sondern auch daß in Pommern und in den Marken alles
rebellisch werde, seit Gustav in Stettin sei.

Gegen solche unbefangene Zeugnisse der Stimmungen und Strebungen der
evangelischen Deutschen bei Gustavs Landung können die eben genannten
tendenziösen Geschichtsfälscher freilich nur zur Täuschung unmündiger Leser
Aeußerung der Angst erbärmlicher Fürsten und ebenso erbärmlicher Landesvcr-
treter anführen, die sich im Falle des Mißlingens der Pläne Gustavs vor der
Rache der Kaiserlichen fürchteten. Bei jenen Historikern ist es freilich Mode,
diese Erbärmlichkeit als deutschen Patriotismus zu loben. —


Dr. K. G. Helbig.



Eine Erinnerung an die Tage vor Friedrichsstadt.

Es war in der letzten Woche des September im Jahre 18S0.

Beständig von der Statthalterschaft gedrängt, aus seiner verderblichen, wenn
auch vielleicht erklärlichen Unthätigkeit herauszutreten, hatte der Oberbefehls¬
haber der Schleswig-holsteinischen Armee sich endlich wieder zu einer ernsten
Unternehmung entschlossen. Friedrichsstadt, dessen militärische Wichtigkeit man
leider zu spät erkannt zu haben schien, war einige Monate vorher in unver¬
antwortlicher Weise den Dänen, ohne Kampf überlassen und von ihnen durch


) Vgl, des Verfassers a, V. „Gustav Adolf" S. 19.
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[0193] burgs die Sympathie der verzweifelnden Protestanten vorübergehend gewonnen habe. Nach der Landung des Königs in Pommern aber erhebt sich die Theil¬ nahme für Gustav zur begeisterten Anerkennung seiner Persönlichkeit. In jedem Briefe aus Stettin wird seine Frömmigkeit, Umsicht und Liebenswürdigkeit, die Art. wie er mit den Leuten verkehrt, die strenge Mannszucht, die er hält, von ganz unverfänglichen Berichterstattern gerühmt. „Er bemüht sich überall gute Polizeiordnung zu stiften. und es befindet sich der arme Mann allgemach besser als da die Kirchenräuber im Lande waren."*) Als er von den Fischern in Stettin für Geld eine Anzahl Schiffe zu einer Brücke haben wollte, erhielt er umsonst viel mehr als er haben wollte. Die kaiserlichen Generale in den nord¬ deutschen Garnisonen klagten nicht blos über Hunger, Pest und Ausreißen ihrer Soldaten, sondern auch daß in Pommern und in den Marken alles rebellisch werde, seit Gustav in Stettin sei. Gegen solche unbefangene Zeugnisse der Stimmungen und Strebungen der evangelischen Deutschen bei Gustavs Landung können die eben genannten tendenziösen Geschichtsfälscher freilich nur zur Täuschung unmündiger Leser Aeußerung der Angst erbärmlicher Fürsten und ebenso erbärmlicher Landesvcr- treter anführen, die sich im Falle des Mißlingens der Pläne Gustavs vor der Rache der Kaiserlichen fürchteten. Bei jenen Historikern ist es freilich Mode, diese Erbärmlichkeit als deutschen Patriotismus zu loben. — Dr. K. G. Helbig. Eine Erinnerung an die Tage vor Friedrichsstadt. Es war in der letzten Woche des September im Jahre 18S0. Beständig von der Statthalterschaft gedrängt, aus seiner verderblichen, wenn auch vielleicht erklärlichen Unthätigkeit herauszutreten, hatte der Oberbefehls¬ haber der Schleswig-holsteinischen Armee sich endlich wieder zu einer ernsten Unternehmung entschlossen. Friedrichsstadt, dessen militärische Wichtigkeit man leider zu spät erkannt zu haben schien, war einige Monate vorher in unver¬ antwortlicher Weise den Dänen, ohne Kampf überlassen und von ihnen durch ) Vgl, des Verfassers a, V. „Gustav Adolf" S. 19. 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/193>, abgerufen am 26.05.2024.