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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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wir unsere Freunde und Gegner messen, ihm wird dies Buch schädlich, es ver¬
ändert unsere Ansicht von ihm selbst. Hat er an seine Ideen geglaubt, er ist
nicht mehr gläubig; hat er klugen Geist in praktischen Dingen bewährt, den
Geist, der geschichtliches Thun begreift, vermissen wir in ihm; er will auf uns
wirken und uns. täuschen, er möchte uns mit Redensarten fangen. er ist nicht
ehrlich gegen uns. oder er birgt im letzten Grunde seiner Seele selbst nichts
Anderes mehr als Phrasen. Wir sind stets Gegner seines Cäsarismus ge¬
wesen, und wir könnten zufrieden sein, daß er etwas gethan, was ihn so sehr
ohne Drapirung und in der Blöße zeigt. Er war ein Gegner, zuweilen ein
gefährlicher Feind der "Ideen", für welche wir leben; was er sich hier bereitet,
ist eine Niederlage, so tief, so völlig, wie wir nie für möglich gehalten hätten;
es ist zunächst nur eine geheime Niederlage, vor wenigen Menschen, zunächst
eigentlich nur vor uns ehrlichen Deutschen, deren Meinung die Weltgeschichte
nur sehr allmälig beeinflußt. Er ist unser Gegner, und es ist eine Niederlage,
und wir hätten keinen Grund zur Trauer.

Aber wir sind nicht Römer und nicht Romanen. Wir vermögen schwer¬
lich, wie Cäsar, die Seeräuber an das Kreuz zu schlagen, mit denen wir längere
Zeit gesellig verkehrt und auf die wir etwas von unserem eigenen Gemüth ver¬
wendet haben. Und wenn wir uns mit einem Zeitgenossen Jahre lang eifrig
beschäftigt haben, zornig, verwundert, nicht ohne Achtung, so thut uns leid,
wenn er uns veranlaßt, die Achseln zu zucken. Denn hier hätten wir ihm
lieber Erfolg gegönnt als auf anderem Gebiet.

Und deshalb, wenn man das Buch aus der Hand legt, ist das Herz nicht
leicht, man ist unzufrieden mit sich, daß man mehr erwartet, und mit dem Ver¬
sasser. als hätte er ein menschliches Vertrauen getäuscht, und es tönt leise aus
? einem Winkel unserer Seele. Schade!




Natur- und Reisevilder aus Süd-Amerika.
Franz Engel. Von1.

Nahe bei dem Pueblo la Cruz, südlich von Ocana, der ehemaligen Haupt-
stadt des Staates Santander in den vereinigten Staaten von Nueva-Granada.
entspringen unter dem 7°10' n. Br. auf der granadinischen Andeskette, die sich


wir unsere Freunde und Gegner messen, ihm wird dies Buch schädlich, es ver¬
ändert unsere Ansicht von ihm selbst. Hat er an seine Ideen geglaubt, er ist
nicht mehr gläubig; hat er klugen Geist in praktischen Dingen bewährt, den
Geist, der geschichtliches Thun begreift, vermissen wir in ihm; er will auf uns
wirken und uns. täuschen, er möchte uns mit Redensarten fangen. er ist nicht
ehrlich gegen uns. oder er birgt im letzten Grunde seiner Seele selbst nichts
Anderes mehr als Phrasen. Wir sind stets Gegner seines Cäsarismus ge¬
wesen, und wir könnten zufrieden sein, daß er etwas gethan, was ihn so sehr
ohne Drapirung und in der Blöße zeigt. Er war ein Gegner, zuweilen ein
gefährlicher Feind der „Ideen", für welche wir leben; was er sich hier bereitet,
ist eine Niederlage, so tief, so völlig, wie wir nie für möglich gehalten hätten;
es ist zunächst nur eine geheime Niederlage, vor wenigen Menschen, zunächst
eigentlich nur vor uns ehrlichen Deutschen, deren Meinung die Weltgeschichte
nur sehr allmälig beeinflußt. Er ist unser Gegner, und es ist eine Niederlage,
und wir hätten keinen Grund zur Trauer.

Aber wir sind nicht Römer und nicht Romanen. Wir vermögen schwer¬
lich, wie Cäsar, die Seeräuber an das Kreuz zu schlagen, mit denen wir längere
Zeit gesellig verkehrt und auf die wir etwas von unserem eigenen Gemüth ver¬
wendet haben. Und wenn wir uns mit einem Zeitgenossen Jahre lang eifrig
beschäftigt haben, zornig, verwundert, nicht ohne Achtung, so thut uns leid,
wenn er uns veranlaßt, die Achseln zu zucken. Denn hier hätten wir ihm
lieber Erfolg gegönnt als auf anderem Gebiet.

Und deshalb, wenn man das Buch aus der Hand legt, ist das Herz nicht
leicht, man ist unzufrieden mit sich, daß man mehr erwartet, und mit dem Ver¬
sasser. als hätte er ein menschliches Vertrauen getäuscht, und es tönt leise aus
? einem Winkel unserer Seele. Schade!




Natur- und Reisevilder aus Süd-Amerika.
Franz Engel. Von1.

Nahe bei dem Pueblo la Cruz, südlich von Ocana, der ehemaligen Haupt-
stadt des Staates Santander in den vereinigten Staaten von Nueva-Granada.
entspringen unter dem 7°10' n. Br. auf der granadinischen Andeskette, die sich


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[0236] wir unsere Freunde und Gegner messen, ihm wird dies Buch schädlich, es ver¬ ändert unsere Ansicht von ihm selbst. Hat er an seine Ideen geglaubt, er ist nicht mehr gläubig; hat er klugen Geist in praktischen Dingen bewährt, den Geist, der geschichtliches Thun begreift, vermissen wir in ihm; er will auf uns wirken und uns. täuschen, er möchte uns mit Redensarten fangen. er ist nicht ehrlich gegen uns. oder er birgt im letzten Grunde seiner Seele selbst nichts Anderes mehr als Phrasen. Wir sind stets Gegner seines Cäsarismus ge¬ wesen, und wir könnten zufrieden sein, daß er etwas gethan, was ihn so sehr ohne Drapirung und in der Blöße zeigt. Er war ein Gegner, zuweilen ein gefährlicher Feind der „Ideen", für welche wir leben; was er sich hier bereitet, ist eine Niederlage, so tief, so völlig, wie wir nie für möglich gehalten hätten; es ist zunächst nur eine geheime Niederlage, vor wenigen Menschen, zunächst eigentlich nur vor uns ehrlichen Deutschen, deren Meinung die Weltgeschichte nur sehr allmälig beeinflußt. Er ist unser Gegner, und es ist eine Niederlage, und wir hätten keinen Grund zur Trauer. Aber wir sind nicht Römer und nicht Romanen. Wir vermögen schwer¬ lich, wie Cäsar, die Seeräuber an das Kreuz zu schlagen, mit denen wir längere Zeit gesellig verkehrt und auf die wir etwas von unserem eigenen Gemüth ver¬ wendet haben. Und wenn wir uns mit einem Zeitgenossen Jahre lang eifrig beschäftigt haben, zornig, verwundert, nicht ohne Achtung, so thut uns leid, wenn er uns veranlaßt, die Achseln zu zucken. Denn hier hätten wir ihm lieber Erfolg gegönnt als auf anderem Gebiet. Und deshalb, wenn man das Buch aus der Hand legt, ist das Herz nicht leicht, man ist unzufrieden mit sich, daß man mehr erwartet, und mit dem Ver¬ sasser. als hätte er ein menschliches Vertrauen getäuscht, und es tönt leise aus ? einem Winkel unserer Seele. Schade! Natur- und Reisevilder aus Süd-Amerika. Franz Engel. Von1. Nahe bei dem Pueblo la Cruz, südlich von Ocana, der ehemaligen Haupt- stadt des Staates Santander in den vereinigten Staaten von Nueva-Granada. entspringen unter dem 7°10' n. Br. auf der granadinischen Andeskette, die sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/236>, abgerufen am 26.05.2024.