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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Die Gebiindestener vor dem preußischen Abgeordnetenhause.

Die Debatte über die Gebäudestcuer ist einer der Brennpunkte in den
diesmaligen Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses. Hier culminirt
die Frage über das Budgetrecht des Hauses und dessen Grenzen. Die Menge
der Steuervenvcigerungen hinsichts dieser neuen Steuer, welche in den östlichen
und westlichen Landestheilen sich fanden und steigerten, die erhebliche Zahl der
Petitionen an Negierung und Haus, welche um Herabsetzung ihrer Gebäude¬
einsteuerung baten, bildeten den verhängnißvollen Hintergrund der Kämpfe auf
der Rednerbühne, und der Zorn der Regierung, welche jene Steuerver¬
weigerer rückhaltslos Verräther und Feinde jeder Regierung, jeder Ver¬
fassung nannte, und die laute Erinnerung an die große Steuerverweigerung
von 1848 mußten den Conflict der Parteien in dieser Frage verschärfen. Ueber
die Bedeutung der hier maßgebenden Artikel 99, 100, 109 gingen nicht blos
die Hauptführer der sonst fast ausnahmlos in den Cardinalpuntten überein¬
stimmenden zwei großen liberalen Parteien des Hauses, des linken Centrums
(Bockum-Doiffs) und der Fortschrittspartei auseinander, sondern selbst aus letzterer
Partei stimmte eine nicht kleine Zahl, darunter namhafte und energische Mit¬
glieder, mit dem linken Centrum. Nunmehr will, wie telegraphisch verlautet,
die Fortschrittspartei bei der Endabstimmung über. Einnahmen und Ausgaben
des Etats nochmals den Antrag auf gänzliche oder theilweise Absetzung der
Gebäudesteuer aus dem Budget einbringen. Je mehr hiernach die hochwichtige
Sache schwankt, desto mehr ist der Presse geboten, über dieselbe ihr Urtheil
abzugeben.

Die Gebäudestcuer, ursprünglich auf den Betrag von 2,843,260 Thlr.
jährlich gesetzlich veranschlagt, sollte laut Gesetz .von 1861 erhoben werden vom
1. Januar 186S. Der Budgetentwurf der Regierung für das Jahr 1866 ver¬
anschlagt sie mit 3,506,000 Thlr. wobei eine Steigerung des Steuerertrags
durch Neubauten und erhöhte Einschätzungen zu Grunde gelegt ist. Die Bud¬
getcommission des Hauses trat dieser Aufstellung der Regierung bei. Eine
Resolution des Hauses (Ur, 4.) ging auf volle Absetzung der Gebäudesteuer, eine
andere (Ur. 5.) darauf, sie nur auf Höhe des gesetzlich veranschlagten Be¬
trages Von 2,843,260 Thlr. festzustellen. Das Haus nahm nach lebhafter
Debatte am 13. Mai den Antrag seiner Commission mit 160 gegen 98
Stimmen an und billigte so die auf 3,506,000 Thlr. angesetzte Steuer. Eine
nochmalige Erörterung der Frage steht, wie gesagt, bevor.

Nun lautet Artikel 99 unserer Verfassung:


Die Gebiindestener vor dem preußischen Abgeordnetenhause.

Die Debatte über die Gebäudestcuer ist einer der Brennpunkte in den
diesmaligen Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses. Hier culminirt
die Frage über das Budgetrecht des Hauses und dessen Grenzen. Die Menge
der Steuervenvcigerungen hinsichts dieser neuen Steuer, welche in den östlichen
und westlichen Landestheilen sich fanden und steigerten, die erhebliche Zahl der
Petitionen an Negierung und Haus, welche um Herabsetzung ihrer Gebäude¬
einsteuerung baten, bildeten den verhängnißvollen Hintergrund der Kämpfe auf
der Rednerbühne, und der Zorn der Regierung, welche jene Steuerver¬
weigerer rückhaltslos Verräther und Feinde jeder Regierung, jeder Ver¬
fassung nannte, und die laute Erinnerung an die große Steuerverweigerung
von 1848 mußten den Conflict der Parteien in dieser Frage verschärfen. Ueber
die Bedeutung der hier maßgebenden Artikel 99, 100, 109 gingen nicht blos
die Hauptführer der sonst fast ausnahmlos in den Cardinalpuntten überein¬
stimmenden zwei großen liberalen Parteien des Hauses, des linken Centrums
(Bockum-Doiffs) und der Fortschrittspartei auseinander, sondern selbst aus letzterer
Partei stimmte eine nicht kleine Zahl, darunter namhafte und energische Mit¬
glieder, mit dem linken Centrum. Nunmehr will, wie telegraphisch verlautet,
die Fortschrittspartei bei der Endabstimmung über. Einnahmen und Ausgaben
des Etats nochmals den Antrag auf gänzliche oder theilweise Absetzung der
Gebäudesteuer aus dem Budget einbringen. Je mehr hiernach die hochwichtige
Sache schwankt, desto mehr ist der Presse geboten, über dieselbe ihr Urtheil
abzugeben.

Die Gebäudestcuer, ursprünglich auf den Betrag von 2,843,260 Thlr.
jährlich gesetzlich veranschlagt, sollte laut Gesetz .von 1861 erhoben werden vom
1. Januar 186S. Der Budgetentwurf der Regierung für das Jahr 1866 ver¬
anschlagt sie mit 3,506,000 Thlr. wobei eine Steigerung des Steuerertrags
durch Neubauten und erhöhte Einschätzungen zu Grunde gelegt ist. Die Bud¬
getcommission des Hauses trat dieser Aufstellung der Regierung bei. Eine
Resolution des Hauses (Ur, 4.) ging auf volle Absetzung der Gebäudesteuer, eine
andere (Ur. 5.) darauf, sie nur auf Höhe des gesetzlich veranschlagten Be¬
trages Von 2,843,260 Thlr. festzustellen. Das Haus nahm nach lebhafter
Debatte am 13. Mai den Antrag seiner Commission mit 160 gegen 98
Stimmen an und billigte so die auf 3,506,000 Thlr. angesetzte Steuer. Eine
nochmalige Erörterung der Frage steht, wie gesagt, bevor.

Nun lautet Artikel 99 unserer Verfassung:


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[0398] Die Gebiindestener vor dem preußischen Abgeordnetenhause. Die Debatte über die Gebäudestcuer ist einer der Brennpunkte in den diesmaligen Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses. Hier culminirt die Frage über das Budgetrecht des Hauses und dessen Grenzen. Die Menge der Steuervenvcigerungen hinsichts dieser neuen Steuer, welche in den östlichen und westlichen Landestheilen sich fanden und steigerten, die erhebliche Zahl der Petitionen an Negierung und Haus, welche um Herabsetzung ihrer Gebäude¬ einsteuerung baten, bildeten den verhängnißvollen Hintergrund der Kämpfe auf der Rednerbühne, und der Zorn der Regierung, welche jene Steuerver¬ weigerer rückhaltslos Verräther und Feinde jeder Regierung, jeder Ver¬ fassung nannte, und die laute Erinnerung an die große Steuerverweigerung von 1848 mußten den Conflict der Parteien in dieser Frage verschärfen. Ueber die Bedeutung der hier maßgebenden Artikel 99, 100, 109 gingen nicht blos die Hauptführer der sonst fast ausnahmlos in den Cardinalpuntten überein¬ stimmenden zwei großen liberalen Parteien des Hauses, des linken Centrums (Bockum-Doiffs) und der Fortschrittspartei auseinander, sondern selbst aus letzterer Partei stimmte eine nicht kleine Zahl, darunter namhafte und energische Mit¬ glieder, mit dem linken Centrum. Nunmehr will, wie telegraphisch verlautet, die Fortschrittspartei bei der Endabstimmung über. Einnahmen und Ausgaben des Etats nochmals den Antrag auf gänzliche oder theilweise Absetzung der Gebäudesteuer aus dem Budget einbringen. Je mehr hiernach die hochwichtige Sache schwankt, desto mehr ist der Presse geboten, über dieselbe ihr Urtheil abzugeben. Die Gebäudestcuer, ursprünglich auf den Betrag von 2,843,260 Thlr. jährlich gesetzlich veranschlagt, sollte laut Gesetz .von 1861 erhoben werden vom 1. Januar 186S. Der Budgetentwurf der Regierung für das Jahr 1866 ver¬ anschlagt sie mit 3,506,000 Thlr. wobei eine Steigerung des Steuerertrags durch Neubauten und erhöhte Einschätzungen zu Grunde gelegt ist. Die Bud¬ getcommission des Hauses trat dieser Aufstellung der Regierung bei. Eine Resolution des Hauses (Ur, 4.) ging auf volle Absetzung der Gebäudesteuer, eine andere (Ur. 5.) darauf, sie nur auf Höhe des gesetzlich veranschlagten Be¬ trages Von 2,843,260 Thlr. festzustellen. Das Haus nahm nach lebhafter Debatte am 13. Mai den Antrag seiner Commission mit 160 gegen 98 Stimmen an und billigte so die auf 3,506,000 Thlr. angesetzte Steuer. Eine nochmalige Erörterung der Frage steht, wie gesagt, bevor. Nun lautet Artikel 99 unserer Verfassung:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/398>, abgerufen am 26.05.2024.